Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Beschwer des Versorgungsträgers bei Absehen von Versorgungsausgleich

 

Normenkette

VersAusglG § 18

 

Verfahrensgang

AG Niebüll (Beschluss vom 06.06.2011; Aktenzeichen 4 F 84/09)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 09.01.2013; Aktenzeichen XII ZB 550/11)

 

Tenor

Die Beschwerde der Deutschen Rentenversicherung Berlin-Brandenburg gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - Niebüll vom 6.6.2011 wird verworfen.

Die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg trägt die Kosten des Beschwerderechtszuges nach einem Verfahrenswert von 1000 EUR.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

1. Mit dem teilangefochtenen Beschluss hat das Familiengericht die Scheidung der am 8.12.1977 zwischen der Antragstellerin und dem Antragsgegner geschlossenen Ehe ausgesprochen und entschieden, dass hinsichtlich der von den Eheleuten in einer Ehezeit vom 1.12.1977 bis zum 31.5.2009 (Zustellung des Scheidungsantrages erfolgte am 15.6.2009; Berechnung der Ehezeit nach § 3 Abs. 1 VersAusgIG) erworbenen Versorgungsanrechte ein Ausgleich unterbleibt. Zur Begründung hat das Familiengericht ausgeführt, die Differenz der beiderseitigen Anwartschaften in der gesetzlichen Rentenversicherung sei geringfügig, der Kapitalwert einer Lebensversicherung der Antragstellerin sei geringwertig i.S.d. § 18 Abs. 3 VersAusgIG. Die Ausgleichswerte, die die Antragstellerin erworben hat, betragen 2,8121 Entgeltpunkte (Kapitalwert 17.280,13 EUR) und 11,4639 Entgeltpunkte Ost (Kapitalwert 59.356,89 EUR); diejenigen des Antragsgegners belaufen sich auf 3,4626 Entgeltpunkte (Kapitalwert 21.277,40 EUR) und auf 20,3252 Entgeltpunkte Ost (Kapitalwert 52.619,12 EUR). Das Familiengericht hat diese vier Anrechte saldiert und einen Wertunterschied von 2740,50 EUR errechnet.

2. Mit ihrer form- und fristgerecht eingelegten Beschwerde wendet sich die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg gegen die vom Familien- gericht vorgenommene Verrechnung von regeldynamischen mit angleichungs- dynamischen Anrechten, die nicht erfolgen dürfe, weil es sich nicht um Anrech- te gleicher Art handle. Die Wertunterschiede zwischen den artgleichen Anrech- ten Ost und den Anrechten West lägen über der Geringfügigkeitsgrenze, so dass die vier Anrechte intern zu teilen seien. - Als beteiligter Versicherungsträ- ger sei die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg beschwert und damit auch beschwerdeberechtigt.

3. Die Beschwerde ist unzulässig, weil die Deutsche Rentenversicherung Berlin-Brandenburg durch den angefochtenen Beschluss nicht in ihren Rechten beeinträchtigt ist, wie es § 59 Abs. 1 FamFG für die Beschwerdeberechtigung voraussetzt.

a) Zu dem bis zum 31.8.2009 geltenden Recht vertrat der Bundes-gerichtshof die Auffassung, dass ein Eingriff in die Rechtsstellung eines öffentlich-rechtlichen Versorgungsträgers nicht nur dann vorliege, wenn Versorgungsanrechte bei ihm abgezogen oder gutgeschrieben würden, sondern auch dann, wenn bei ihm bestehende Anrechte zu Unrecht nicht in den Versorgungsausgleich einbezogen worden seien (BGH, Beschl. v. 19.1.2000 - XII ZB 16/96, Rz. 10). Wegen der Ungewissheit über den zukünftigen "Versicherungsverlauf" könne regelmäßig nicht festgestellt werden, ob sich die angegriffene Entscheidung im konkreten Fall zum Nachteil des Versorgungsträgers auswirke und ob der Versorgungsträger faktisch ein günstigeres "Risiko" übernehmen könnte. Der Pflicht des materiell beteiligten Versorgungsträgers, gegebenenfalls finanzielle Nachteile durch den Versorgungsausgleich hinzunehmen, korrespondiere ein Anspruch auf eine gesetzmäßige Durchführung des Wertausgleichs (BGH, Beschl. v. 18.2.2009 - XII ZB 221/06, Rz. 12). Aufgabe der öffentlich-rechtlichen Träger sei es auch (gewesen), die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung zu überwachen; ihnen sei mithin ein besonderes Wächteramt übertragen (Althammer, in: Johannsen/Henrich, Familienrecht, 5. Aufl., § 59 Rz. 12; Borth, Versorgungsausgleich, 5. Aufl., Rz. 1108). Eine Rechtsbeeinträchtigung sollte allerdings dort ausscheiden, wo der Versorgungsausgleich auf eine Weise durchgeführt worden sei, die den Rechtskreis des Versorgungsträgers von vornherein nicht berühren könne (BGH, Beschluss vom 20.12.1995 - XII ZB 128/95, Rz. 7), etwa bei unrichtiger Anwendung von §§ 3b, 3c VAHRG, bei Kürzungen nach §§ 1587c, 1587b BGB oder bei einem Ausschluss durch Vereinbarung.

Bei privaten Versorgungsträgern wurde hingegen ein unmittelbarer Eingriff in deren Rechtsposition verlangt (BGH, Beschl. v. 4.10.1990 - XII ZB 164/88, Rz. 7 und 9; Althammer, a.a.O.).

b) Dieser Rechtsprechung begegnen schon auf dem Boden des bis zum 31.8.2009 geltenden Rechts grundsätzliche Bedenken, darüber hinaus ist ihr durch die gesetzliche Neugestaltung des Versorgungsausgleichs und die Konzeption der Beschwerdebefugnis nach dem FamFG die frühere Grundlage entzogen:

aa) Die öffentlich-rechtlichen Versorgungsträger, insbesondere die gesetzli che Rentenversicherung als ehemals einziger "Zielversorgungsträger" eines öffentlich-rechtlichen Ve...

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