Entscheidungsstichwort (Thema)

Neubeginn der Verjährung: Voraussetzungen eines Anerkenntnisses des Schuldners; Zurückverweisung im Beschwerdeverfahren bei Abweisung sämtlicher Stufenanträge durch das Familiengericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anerkenntnis i.S.d. § 212 Abs. 1 Nr. 1 BGB setzt lediglich ein tatsächliches Verhalten des Schuldners voraus, aus dem sich unzweideutig dessen Bewusstsein vom Bestehen der Schuld ergibt. Es ist nicht erforderlich, dass der Gläubiger aufgrund dieses Verhaltens darauf vertrauen darf, der Schuldner werde nicht alsbald nach Ablauf der Verjährungsfrist die Einrede der Verjährung aufheben.

2. Zur Zurückverweisung durch das Beschwerdegericht, wenn das Familiengericht sämtliche Stufenanträge einschließlich eines Mindestzahlungsantrags abgewiesen hat.

 

Normenkette

BGB § 204 Abs. 2 Sätze 1-2, § 212 Abs. 1 Nr. 1, § 242; ZPO §§ 301, 538 Abs. 2 S. 1 Nr. 4; FamFG § 113 Abs. 1 S. 2, § 117 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Niebüll (Beschluss vom 12.06.2012; Aktenzeichen 14 F 157/10)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 15.04.2015; Aktenzeichen XII ZB 141/13)

BGH (Beschluss vom 07.05.2014; Aktenzeichen XII ZB 141/13)

 

Tenor

1. Es wird festgestellt, dass sich das Verfahren zum Auskunfts- und Beleganspruch in der Hauptsache erledigt hat.

2. Im Übrigen wird der Beschluss des AG - Familiengericht - Niebüll vom 12.6.2012 aufgehoben. Das Verfahren wird an das Familiengericht zurückverwiesen zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens.

3. Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin nimmt den Antragsgegner im Wege eines Stufenantrages und eines bereits bezifferten Teilantrages auf Zugewinnausgleich in Anspruch. Der Streit im derzeitigen Stadium des Verfahrens betrifft die Frage, ob der Antragsgegner wirksam die Einrede der Verjährung erhoben hat.

Die Beteiligten heirateten einander am 23.11.1979. Auf den am 2.6.2006 zugestellten Scheidungsantrag sprach das AG Niebüll durch Urteil vom 11.7.2006, welches am selben Tage rechtskräftig wurde, die Scheidung aus. In der Folgezeit verhandelten die Beteiligten zeitweilig über eine einvernehmliche Regelung des Zugewinnausgleichs. Mit Schreiben vom 9.6.2009 verzichtete der Antragsgegner bis zum 31.12.2009 auf die Einrede der Verjährung, mit Schreiben vom 10.12.2009 verlängerte er den Verzicht bis zum 30.6.2010. Nachdem die Antragstellerin dem Antragsgegner ihre wirtschaftliche Not geklagt und ihn um Unterstützung gebeten hatte, überwies er ihr am 21.1.2010 5.000 EUR mit der Zweckbestimmung "Anzahl. Zugewinnausgleich".

Mit Schriftsatz vom 30.6.2010, beim Familiengericht noch an diesem Tage eingereicht, hat die Antragstellerin beantragt, den Antragsgegner zur Zahlung von 169.160 EUR, zur Vorlage im Einzelnen bezeichneter Belege, zur eidesstattlichen Versicherung und zur Zahlung eines noch zu beziffernden Betrages "zu verurteilen". Im Termin vom 8.2.2011 haben die Beteiligten ihre Bereitschaft erklärt, "noch einmal in außergerichtliche Vergleichsgespräche" einzutreten. Das Familiengericht hat daraufhin mit Beschluss vom selben Tage das Ruhen des Verfahrens angeordnet. Mit außergerichtlichem Schreiben vom 5.9.2011 hat die Antragstellerin den Antragsgegner an eine Rückäußerung zu ihrem Vorschlag vom 8.2.2011 erinnert. Im Januar 2012 hat die Antragstellerin das Verfahren wieder aufgenommen und mitgeteilt, dass die Verhandlungen endgültig gescheitert seien und der Antragsgegner sich nunmehr auf Verjährung berufe. Der Antragsgegner hat mit Schriftsatz vom 17.1.2012 (hilfsweise) die Einrede der Verjährung erhoben.

Das Familiengericht hat sämtliche in das Verfahren eingeführten Anträge abgewiesen und ausgeführt, der Zahlung von 5.000 EUR im Januar 2010 komme keine zu einem Neubeginn der Verjährung führende Wirkung zu, weil sich aus ihr nicht unzweideutig das Bewusstsein des Antragsgegners vom Bestehen einer Schuld ergebe und zum anderen aus der Zahlung nicht geschlossen werden könne, dass der Antragsgegner sich nach Ablauf der Verjährungsfrist nicht auf die Einrede der Verjährung berufen werde. Außerdem sei die Zahlung nach Ablauf der Verjährung erfolgt. Die Verjährung sei bei Wiederaufnahme des Verfahrens nicht mehr gehemmt gewesen, weil die Antragstellerin das Verfahren, als die Hemmung sechs Monate nach der Ruhensanordnung geendet sei, nicht sogleich wieder aufgenommen habe.

II. Die Antragstellerin erklärt im Beschwerdeverfahren den Auskunftsanspruch für erledigt, weil sie mittlerweile in den Besitz von Unterlagen gelangt sei, die ihr eine Bezifferung des Zugewinnausgleichsanspruchs möglich machten. Sie hat im Laufe des Beschwerdeverfahrens einen Ausgleichsanspruch i.H.v. 566.340 EUR errechnet und eine entsprechende Bezifferung angekündigt. Sie wiederholt ihre Rechtsauffassung, dass die Anzahlung im Januar 2010 zum Neubeginn der Verjährungsfrist geführt habe, Verjährung mithin noch nicht eingetreten sei, und beantragt, den angefochtenen Beschluss aufzuheben und das Verfahren an das Familiengericht zurückzuverweisen.

Der A...

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