Entscheidungsstichwort (Thema)

Abhilfebefugnis bei unzulässiger Beschwerde

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Frage der Abhilfebefugnis nach § 572 Abs. 1 ZPO, wenn die eingelegte sofortige Beschwerde unzulässig ist.

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Beschluss vom 12.11.2003; Aktenzeichen 12 O 31/02)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Schuldners wird unter Aufhebung des Abhilfebeschlusses vom 12.11.2003 auf seine Kosten nach einem Beschwerdewert von 2.500 Euro als unzulässig verworfen.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin gegen den Abhilfebeschluss vom 12.11.2003 ist gem. §§ 888, 793 ZPO statthaft, weil die Gläubigerin durch diesen Beschluss erstmalig hinsichtlich des Teils ihres Antrages nach § 888 ZPO, mit dem sie gem. Zwangsgeldbeschluss vom 4.10.2003 durchgedrungen war, beschwert worden ist. Das Rechtsmittel ist von der Gläubigerin auch form- und fristgerecht eingelegt worden, § 569 ZPO.

Die sofortige Beschwerde der Gläubigerin ist begründet und führt zur Aufhebung des angefochtenen Abhilfebeschlusses und zur Verwerfung der vom Schuldner persönlich am 22.10.2003 zu Protokoll der Geschäftsstelle eingelegten sofortigen Beschwerde gegen den Zwangsgeldbeschluss vom 4.10.2003, weil die sofortige Beschwerde des Schuldners jedenfalls unbegründet ist.

1. Das LG hat in dem angefochtenen Abhilfebeschluss zutreffend festgestellt, dass die vom Schuldner persönlich eingelegte sofortige Beschwerde vom 22.10.2003 gem. § 569 Abs. 3 unzulässig ist, weil auch das Zwangsvollstreckungsverfahren nach § 888 ZPO auf der Grundlage eines im landgerichtlichen Anwaltsprozesses erstritten Titel dem Anwaltszwang unterliegt (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., § 78 Rz. 17; Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 569 Rz. 10). Folglich hätte die sofortige Beschwerde des Schuldners von einem zugelassenen Rechtsanwalt eingelegt werden müssen.

Gleichwohl hat sich das LG für befugt erachtet, der unzulässigen sofortigen Beschwerde des Schuldners abzuhelfen, weil es für das Abhilfeverfahren nach § 572 Abs. 1 ZPO allein darauf ankomme, ob das erste Gericht die Beschwerde für begründet erachte.

a) Diese Auffassung, die zum Recht der einfachen Beschwerde nach § 571 ZPO in der bis zum 31.12.2002 geltenden Fassung der ZPO entwickelt worden ist, wird auch für das aufgrund des Zivilprozess-Reformgesetzes vom 27.7.2001 für das seit dem 1.1.2002 geltende neugeregelte Beschwerderecht vertreten (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 572 Rz. 14; Musilak, ZPO, 3. Aufl., § 572 Rz. 4, 11; Lipp, NJW 2002, 1700 [1702]).

Voraussetzung soll lediglich sein, dass die angefochtene Entscheidung nicht nach §§ 572 Abs. 1 S. 2, 318 ZPO bindend geworden ist.

Die vom LG vertretene Ansicht, zur Abhilfe trotz Unzulässigkeit der sofortigen Beschwerde des Schuldners befugt zu sein, setzt folglich voraus, dass auch Entscheidungen der hier vorliegenden Art nach § 888 ZPO das Erstgericht nicht binden, solange es mit der Sache befasst ist, obwohl sie gem. §§ 793, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO, 19 EGZPO der formellen Rechtskraft und nach h.M. auch einer beschränkten materiellen Rechtskraft (Zöller/Vollkommer, ZPO, 23. Aufl., vor § 322 Rz. 9) fähig sind.

Das war nach früherem ZPO-Recht kein Problem, weil nach § 577 Abs. 3 ZPO a.F. dem Erstgericht untersagt war, eine der sofortigen Beschwerde unterliegende Entscheidung noch abzuändern, so dass ein Abhilferecht nach § 571 ZPO a.F. ausschied und folglich auch an der Bindungswirkung solcher Beschlüsse nach § 318 ZPO analog kein Zweifel bestand.

Diese für das Erstgericht klare Trennung zwischen jederzeit abänderungsfähigen Beschlüssen, die der einfachen Beschwerde unterlagen, und bindenden Beschlüssen, die der sofortigen Beschwerde unterlagen, ist mit der Neuregelung des Beschwerderechts aufgrund des Zivilprozess-Reformgesetzes entfallen.

Einerseits unterliegen nunmehr alle anfechtbaren erstinstanzlichen Beschlüsse der sofortigen Beschwerde, § 567 ZPO, andererseits gewährt § 572 Abs. 1 ZPO dem Erstgericht eine Abhilfebefugnis, die nach § 572 Abs. 1 S. 2 ZPO nur durch § 318 ZPO im engeren Sinne beschränkt ist. Diese Beschränkung wird nämlich dahin verstanden, dass eine Abhilfe nur ausgeschlossen sein soll, soweit es um sofortige Beschwerden gegen Zwischenurteile oder gegen Nebenentscheidungen geht, die unmittelbar in Endurteilen enthalten sind (Musilak, ZPO, 3. Aufl., § 572 Rz. 10). Ein Ausschluss der Abhilfebefugnis des Erstgerichts bei Entscheidungen, die in materieller Rechtskraft und in formeller Rechtskraft i.S.v. § 19 EGZPO erwachsen können, lässt sich folglich in der Tat nicht mehr als generelle Regel vertreten (Zöller/Gummer, ZPO, 23. Aufl., § 567 Rz. 24).

b) Indes erscheint es zweifelhaft, ob damit der aus dem früheren Recht der einfachen Beschwerde stammende Rechtssatz, für die Abhilfebefugnis des Erstgerichts komme es nur auf die Begründetheit, nicht auf die Zulässigkeit der Beschwerde an, ohne weiteres für alle Fallkonstellationen nach dem neuen Beschwerderecht übertragen lässt. Das würde nämlich bedeuten, dass für das Erstgericht auch eine bereits eingetretene form...

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