Entscheidungsstichwort (Thema)

Urheberrechtsverletzung durch Teilnahme an einer Internet-Tauschbörse: Auskunftspflicht eines Internet-Serviceproviders über gespeicherte Daten bei Rechtsverletzung im gewerblichen Ausmaß; Gegenstandswert bei Filesharing-Fällen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Das Merkmal einer Rechtsverletzung "erheblichen Ausmaßes" setzt nicht eine bestimmte Anzahl von einzelnen Rechtsverletzungen, sondern eine Rechtsverletzung von erheblicher Schwere voraus, die über den Bereich einer Nutzung zum privaten Gebrauch hinausgeht (Rz. 16).

2. Bereits ein einmaliges Herauf- oder Herunterladen eines Musikalbums in der verkaufsrelevanten Phase kann eine Rechtsverletzung im "gewerblichen Ausmaß" begründen (Rz. 17).

3. Die Regelung in § 101 Abs. 9 UrhG verstößt nicht gegen das Fernmeldegeheimnis oder das Recht der Privatsphäre der Internetnutzer (Rz. 28).

4. Liegen keine abweichenden Anhaltspunkte vor, bemisst sich der Gegenstandswert nach dem Regelwert gem. § 30 Abs. 2 KostO (Rz. 32).

 

Normenkette

GG Art. 10 Abs. 1; UrhG § 101 Abs. 1, 2 Nr. 3, Abs. 9 S. 1; KostO § 30 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Kiel (Beschluss vom 25.09.2009)

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des LG Kiel vom 25.9.2009 geändert und wie folgt neu gefasst:

Der Beteiligten wird gestattet, der Antragstellerin unter Verwendung von Verkehrsdaten Auskunft zu erteilen über Namen und Anschriften der Nutzer, denen die nachfolgend aufgeführten IP-Adressen zu den angegebenen Zeitpunkten (Zeitzone CEST) am 9.8.2009 zugeteilt waren:

IP-Adresse

Datum Uhrzeit

89 ...

9.8.2009 20:54:08

89 ...

9.8.2009 05:59:45

77 ...

9.8.2009 20:03:01

77 ...

9.8.2009 19:43:01

77 ...

9.8.2009 18:59:42

77 ...

9.8.2009 15:20:31

77 ...

9.8.2009 13:59:01

89 ...

9.8.2009 13:45:24

89 ...

9.8.2009 13:45:08

89 ...

9.8.2009 12:22:24

89 ...

9.8.2009 12:20:29

89 ...

9.8.2009 10:44:00

89 ...

9.8.2009 10:30:38

89 ...

9.8.2009 10:15:25

89 ...

9.8.2009 08:01:03

77 ...

9.8.2009 07:17:34

89 ...

9.8.2009 06:25:50

89 ...

9.8.2009 05:04:10

89 ...

9.8.2009 04:58:05

89 ...

9.8.2009 02:25:53

89 ...

9.8.2009 02:01:35

89 ...

9.8.2009 00:56:30

Die Gerichtskosten trägt die Antragstellerin.

Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

Der Gegenstandswert in beiden Instanzen wird auf jeweils 3.000 EUR festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Antragstellerin ist eine deutsche Tonträgerherstellerin und wertet Tonaufnahmen in Deutschland mit ausschließlichem Nutzungsrecht an kostenpflichtigen Downloadportalen im Internet und an verschiedenen Tonträgern aus, so u.a. das am 20.3.2009 veröffentliche Musikalbum der Gruppe S "...". Dieses Album wird auch in einer Version als Limited Edition mit Bonus-Live-CD im Hardcover Buch als Doppel-CD vertrieben. Die Antragstellerin begehrt nach der Bereithaltung der Bild-/Tonaufnahmen in den Internettauschbörsen A und B durch Internetnutzer im Zusammenhang mit der Verfolgung eines Auskunftsanspruchs gem. § 101 Abs. 2 UrhG eine richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung von Verkehrsdaten gem. § 101 Abs. 9 UrhG, die die Beteiligte für dynamische IP-Adressen am 9.8.2009 erhoben hat.

Die Antragstellerin trägt vor, von bislang unbekannten Internetnutzern sei am 9.8.2009 das geschützte Musikwerk in den Internettauschbörsen B bzw. A widerrechtlich zum Herunterladen angeboten worden. Hierzu hätten die jeweiligen Nutzer Internetzugänge der Beteiligten bzw. etwaiger weiterer beteiligter Dienstleister (Reseller) genutzt. Gegenüber den beteiligten Internetdienstleistern bestehe ein Anspruch auf Auskunftserteilung über die Verletzer, insbesondere auf Angabe der Namen und Anschriften gem. §§ 101 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3, Abs. 3 Nr. 1, 16, 17, 19a UrhG. Weil die Auskunft nur unter Verwendung von Verkehrsdaten erteilt werden könne, sei nach § 101 Abs. 9 UrhG eine vorherige richterliche Anordnung über die Zulässigkeit der Verwendung der Verkehrsdaten erforderlich.

Im Wege der einstweiligen Anordnung ist auf die sofortige Beschwerde der Antragstellerin mit Senatsbeschluss vom 13.8.2009 (6 W 15/09) der Beteiligten bis zum Abschluss des Verfahrens untersagt worden, die maßgeblichen Daten zu löschen, aus denen sich die Namen und Adressen der Nutzer anhand der zu den angegebenen Zeitpunkten zugeteilten IP-Adresse ergeben.

Durch den jetzt mit der Beschwerde angegriffenen Beschluss hat das LG den Antrag auf Gestattung der Auskunftserteilung durch die Beteiligte zurückgewiesen. Auf den Inhalt des Beschlusses wird Bezug genommen.

Mit ihrer Beschwerde verfolgt die Antragstellerin die Zulassung der Verwendung von Verkehrsdaten weiter.

II. Die sofortige Beschwerde ist gem. § 101 Abs. 9 Satz 6 UrhG zulässig und begründet. Im Verhältnis zur Antragstellerin ist die Verwendung der Verkehrsdaten der Beteiligten zu den bezeichneten IP-Adressen vom 9.8.2009 nach § 101 Abs. 9 Satz 1, Abs. 2 Nr. 3 UrhG zulässig.

Für das - vor dem 1.9.2009 eingeleitete - Verfahren gelten auch nach dem Inkrafttreten des FamG die Vorschriften des FGG gem. § 101 Abs. 9 Satz 4 UrhG i.V.m. Art. 111 Abs. 1 Satz 1 FGG-Reformgesetz weiter. Die Antragstellerin hat die Vorauss...

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