Entscheidungsstichwort (Thema)

Gemeinschaftliches Testament für den Fall des „gemeinsamen Todes”

 

Leitsatz (amtlich)

Zur Auslegung der Formulierung „bei gemeinsamen Tod” in einem gemeinschaftlichen Testament von Ehegatten.

 

Verfahrensgang

LG Itzehoe (Beschluss vom 24.04.2002; Aktenzeichen 4 T 162/02)

AG Elmshorn (Aktenzeichen 12 VI 537/99)

 

Tenor

Auf die weitere Beschwerde des Beteiligten zu 1) werden der Beschluss des AG Elmshorn vom 2.2.2002 und der Beschluss der 4. Zivilkammer des LG Itzehoe vom 24.4.2002 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Entscheidung – auch über die Kosten der Beschwerdeverfahren – an das AG Elmshorn zurückverwiesen.

Der Beschwerdewert wird auf 100.000 Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Beteiligten streiten darüber, wer von ihnen Erbe nach der 1999 verstorbenen A. (im Folgenden: Erblasserin) geworden ist.

Die Erblasserin war in zweiter Ehe mit dem am 3.10.1917 geborenen und am 29.1.1984 verstorbenen J A verheiratet. Sie hat einen Sohn aus erster Ehe und zwei Töchter aus zweiter Ehe, die 1972 vorverstorbene U A und die am 30.6.1949 geborene Beteiligte zu 2).

Am 6.12.1977 errichteten die Erblasserin und ihr zweiter Ehemann ein privatschriftliches Testament mit folgendem Inhalt:

„Hiermit setzen meine Frau u. ich uns gegenseitig als Erben unseres gesamten Hab u. Gut ein.

Bei einem gemeinsamen Tod, ist unsere Tochter R. geb. A. alleinige Erbin.”

In den Folgejahren errichtete die Erblasserin mindestens sechs weitere Testamente. Das noch zu Lebzeiten ihres zweiten Ehemannes errichtete Testament vom 28.3.1978 hat folgenden Inhalt:

„Hiermit enterbe ich meinen Sohn N. aus meiner ersten Ehe.”

Das letzte bekannte Testament vom 2.6.1990 lautet:

„Hiermit setze ich H., Taxiunternehmer, als meinen Erben ein. Meine Tochter R. erhält nur Ihr Pflichtteil, auch mein Sohn N. erhält nur das Pflichtteil. Mein Bruder D. bekommt die Marmor Uhr und Zehntausend DM.”

Das Testament befand sich 1999 im Besitz des Beteiligen zu 1) und wurde am 19.11.1999 beim AG Elmshorn in besondere amtliche Verwahrung genommen. Wegen des Inhalts der am 19.6. sowie am 10. und zweimal am 12.11.1989 errichteten weiteren Testamente wird auf die Akte des AG Itzehoe 12 IV 71/99 verwiesen. Die Erblasserin hat nach dem Tod ihres Ehemannes die Erbschaft als Alleinerbin angetreten.

Die Beteiligte zu 2) hat am 17.1.2000 beantragt, ihr auf der Grundlage des Testaments vom 6.12.1977 einen Erbschein zu erteilen, der sie als Alleinerbin ausweist. Der Beteiligte zu 1) hat einen entspr. Antrag auf der Grundlage des Testaments vom 2.6.1990 am 5.10.2000 gestellt.

Die Beteiligte zu 2) hat die Auffassung vertreten, dass alle nach dem Tod des Vaters von der Erblasserin neu verfassten Testamente ungültig seien, da das Testament vom 6.12.1977 hinsichtlich ihrer Einsetzung als Schlusserbin wechselbezüglich sei und die Erblasserin später nicht abweichend von Todes wegen habe verfügen können.

Der Beteiligte zu 1) hat die Wechselbezüglichkeit der Erbeneinsetzung der Antragstellerin im Testament vom 6.12.1977 bestritten. Die Erblasserin habe auch anschließend frei über ihren Nachlass verfügen können und dies zuletzt durch Testament vom 2.6.1990 getan.

Das AG Elmshorn hat durch Beschluss vom 2.2.2002 angekündigt, dass es beabsichtige, der Beteiligten zu 2) einen Erbschein als Alleinerbin zu erteilen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Formulierung des gemeinschaftlichen Testaments „bei einem gemeinsamen Tod” unter Berücksichtigung der Lebensverhältnisse im Jahre 1977 nicht eindeutig sei und der Auslegung gem. §§ 133, 157 BGB bedürfe. Die Formulierung sei dahingehend auszulegen, dass auch der Fall des Nacheinanderversterbens gemeint gewesen sei. Es lägen keinerlei Anhaltspunkte dafür vor, dass die Eheleute A mit ihrem gemeinschaftlichen Testament nur den – im Jahre 1977 – seltenen Fall des gleichzeitigen Versterbens hätten regeln wollen. Sie hätten vielmehr eine grundsätzliche Regelung ihres Nachlasses treffen wollen, wie die gegenseitige Erbeneinsetzung im ersten Teil des Testaments zeige. Sie hätten ihr einziges gemeinsames Kind als Schlusserbin einsetzen und den Sohn der Erblasserin aus erster Ehe von der Erbschaft ausschließen wollen. So hätten die Eheleute A der Antragstellerin später auch einmal ihr Testament erläutert. Dem stehe nicht die Entscheidung des Kammergerichts Berlin vom 15.1.1998 entgegen, in der die Formulierung „gleichzeitig versterben” nicht als auch ein Nacheinanderversterben der Eheleute umfassende Formulierung ausgelegt worden sei, da angesichts der bei Errichtung des Testaments im Jahre 1943 immer stärker werdenden Bombenangriffe ein gemeinsamer Tod bei einem Luftangriff nahe gelegen habe. Diese Bewertung eines Testaments aus dem Jahre 1943 könne nicht für ein Testament aus dem Jahre 1977 gelten. Die so verstandenen Erklärungen seien wechselbezüglich.

Gegen den Beschluss des AG hat der Beteiligte zu 2) mit Schriftsatz vom 26.2.2002 Beschwerde eingelegt. Grammatikalisch bedeute die Formulierung „bei einem gemeinsamen Tod”, dass der Tod zeitgleich e...

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