Entscheidungsstichwort (Thema)

Unzulässige Berufung auf Scheingeschäftsabrede bei Kollusion Vertreter/Geschäftsgegner

 

Leitsatz (amtlich)

1. Bei einer Scheingeschäftsabrede i.S.v. § 117 Abs. 1 BGB ist ein Konsens aller Vertragsbeteiligten über die Simulation erforderlich. Bei der Gesamtvertretung einer Vertragspartei genügt es für die Wirksamkeit der Simulationsabrede, wenn lediglich ein Vertreter damit einverstanden war, dass der Vertragspartner seine Erklärung nur zum Schein abgeben wollte.

2. Grundsätzlich muss die Scheinnatur eines Rechtsgeschäfts sowie das Bestehen eines dadurch verdeckten wirklich gewollten Geschäfts derjenige beweisen, der sein Vorliegen behauptet.

3. Schließt ein Vertreter zur Täuschung des Vertretenen in Kollusion mit dem Geschäftsgegner ein Scheingeschäft ab, so ist das Geschäft ggü. dem gutgläubig Vertretenen wirksam. Bei der Kollusion zwischen dem Vertreter und dem Geschäftsgegner ist die Scheingeschäftsabrede daher ggü. dem Vertretenen wie ein - unbeachtlicher - geheimer Vorbehalt des Geschäftsgegners entsprechend § 116 Abs. 1 BGB zu werten.

 

Normenkette

BGB § 116 Abs. 1, § 117 Abs. 1; ZPO § 114 Abs. 1, § 767

 

Verfahrensgang

LG Lübeck (Beschluss vom 13.07.2010)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers vom 16.8.2010 gegen den Prozesskostenhilfe versagenden Beschluss der Einzelrichterin der 4. Zivilkammer des LG Lübeck vom 13.7.2010 wird zurückgewiesen.

Der Antragsteller trägt die gerichtlichen Kosten der sofortigen Beschwerde; außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

Die sofortige Beschwerde des Antragstellers ist gem. § 127 Abs. 2, 567 ff. ZPO zulässig. Die Beschwerdefrist gem. § 127 Abs. 2 S. 3 ZPO ist eingehalten.

Die sofortige Beschwerde ist jedoch unbegründet. Die beabsichtigte Vollstreckungsgegenklage (§ 767 ZPO) bietet i.S.v. § 114 Abs. 1 ZPO keine hinreichende Aussicht auf Erfolg.

I. Der Antragsteller, von Beruf Bauingenieur, beansprucht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für eine beabsichtigte Vollstreckungsgegenklage. Er wehrt sich gegen die von der beklagten Bank angekündigte Zwangsvollstreckung aus einer notariellen Grundschuldbestellungsurkunde über 4,2 Mio. Euro und die darin enthaltende persönliche Haftungs- und Unterwerfungserklärung gem. Ziff. 4 der Urkunde. Der Antragsteller wendet ein, dass sowohl die notarielle Grundschuldbestellung einschließlich persönlicher Haftungsübernahme vom 27.8.2002 als auch der zugrunde liegende Darlehensvertrag vom 11.11./15.11.2002 einschließlich des finanzierten Geschäfts (= Kauf eines Gewerbegrundstücks in W. zu einem Preis von 2,975 Mio. Euro) als Scheingeschäfte gem. § 117 BGB nichtig seien. Tatsächlich habe die Kreditgewährung nur dem damaligen Aufsichtsratsmitglied der Bank, dem Zeugen X. sowie dem damaligen Vorstandsmitglied, dem Zeugen Y. gedient. Beide seien geschäftlich durch gemeinsame Immobilienprojekte miteinander verbunden gewesen. Der Antragsteller habe - ohne eigenen Vorteil - von jeder Inanspruchnahme durch die Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin freigehalten werden sollen. Dies sei den verantwortlichen Organen der Rechtsvorgängerin der Antragsgegnerin, den Zeugen X und Y positiv bekannt gewesen. Unstreitig sei die Kreditvaluta teilweise i.H.v. 2,975 Mio. Euro direkt an die Verkäuferin und im Übrigen i.H.v. rund 950.000 EUR auf ein Konto des damaligen Aufsichtsratsmitglieds X. geflossen. Der formelle Abschluss der Verträge (Kreditvertrag, Grundschuldbestellung einschl. persönlicher Haftungsübernahme) hätte ausschließlich der Verschleierung der wirklichen Nutznießer, der beiden ehemaligen Organmitglieder X. und Y. bzw. deren Unternehmen gedient.

II. Das LG hat ausgeführt, der Antragsteller habe nicht hinreichend nachvollziehbar dargelegt, dass es sich bei der Grundschuldbestellung nebst persönlicher Haftungsübernahme um ein nichtiges Scheingeschäft i.S.v. § 117 Abs. 1 BGB handele. Die vertraglichen Vereinbarungen seien vielmehr dahingehend auszulegen, dass der Antragsteller lediglich als Strohmann bzw. Treuhänder für die Zeugen Y und X zwischengeschaltet gewesen sei.

1. Es kann im Ergebnis offen bleiben, ob hier ein nichtiges Scheingeschäft oder aber ein wirksames Strohmanngeschäft vorliegt.

Ein Scheingeschäft liegt gewöhnlich nicht vor, wenn beim Vertragsschluss eine Person als Strohmann vorgeschoben wird (Soergel-Hefermehl, 13. Aufl., § 117 Rz. 11 m.w.N.). Nur wenn die Parteien nicht wollten, dass der Erwerber eine treuhänderische Rechtsstellung erlangt, sondern eine Scheinübertragung für ausreichend hielten, ist der Anwendungsbereich von § 117 BGB eröffnet.

Ein Scheingeschäft i.S.v. § 117 Abs. 1 BGB setzt grundsätzlich Einverständnis (eine ausdrückliche oder konkludente Simulationsabrede) mit dem Erklärungsempfänger über den Scheincharakter der Erklärung voraus, d.h. es ist ein Konsens aller Vertragsbeteiligten über die Simulation erforderlich (Münchener Kommentar - Kramer, BGB, 5. Aufl., § 117 Rz. 8). Dabei soll es bei der Gesamtvertretung einer Vertragspartei für das Einverständnis nach § 117 Abs...

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