Orientierungssatz

1. Bei der verbilligten Überlassung einer Wohnung im land- oder forstwirtschaftlichen Bereich handelt es sich um einen geldwerten Vorteil, der zur Beitragspflicht im sozialversicherungsrechtlichen Sinne führt.

2. War ein Arbeitgeber bei Fälligkeit der Beträge gutgläubig, ist er aber vor Ablauf der kurzen Verjährungsfrist bösgläubig geworden, so gilt die 30-jährige Verjährungsfrist (vgl zuletzt BSG vom 26.1.2005 - B 12 KR 3/04 R = SozR 4-2400 § 14 Nr 7).

3. Für Vorsatz nach § 25 Abs 1 S 2 SGB 4 sind das Bewusstsein und der Wille erforderlich, die Abführung der fälligen Beiträge zu unterlassen. Für die Geltung der langen Verjährungsfrist reicht es aus, wenn der Arbeitgeber die Beiträge mit bedingtem Vorsatz vorenthalten hat. Er muss seine Beitragspflicht für möglich gehalten, die Nichtabführung der Beiträge aber billigend in Kauf genommen haben. Vorsatz liegt in der Regel auch nahe, wenn Beiträge für verbreitete "Nebenleistungen" zum Arbeitsentgelt nicht gezahlt werden und zwischen steuerrechtlicher und beitragsrechtlicher Behandlung eine bekannte oder ohne weiteres erkennbare Übereinstimmung besteht.

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 18. September 2003 aufgehoben und die Klage in vollem Umfang abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Der Streitwert wird auf 994,00 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für Januar bis November 1996 sowie über die Erhebung von Säumniszuschlägen.

Der Kläger betreibt eine Forstverwaltung in L. sowie eine Gutsverwaltung. Am 6. Juli 2000 führte das Finanzamt P. eine Lohnsteuer-Außenprüfung beim Kläger durch. Zum damaligen Zeitpunkt beschäftigte dieser in der Forstverwaltung fünf Arbeitnehmer; davon waren drei geringfügig beschäftigt. An den Beigeladenen zu 1), der beim Kläger als Förster angestellt ist, hatte er eine Dienstwohnung mit einer Größe von 100 qm vermietet. Im Prüfbericht des Finanzamtes wurde festgestellt, dass die Überlassung der Wohnung einen steuerpflichtigen geldwerten Vorteil darstelle. Für die Jahre 1996 bis 2000 wurden entsprechende Beträge als Steuernachzahlung errechnet. In der Folgezeit rechnete der Kläger bzw. die von ihm beauftragte Ehefrau des Beigeladenen zu 1), die beim Kläger geringfügig beschäftigt war, den geldwerten Vorteil bei der laufenden Gehaltsabrechnung des Beigeladenen zu 1) als sozialversicherungspflichtiges Entgelt richtig ab. Hierbei bediente sie sich eines Lohnabrechnungsprogramms der Firma I.

Die Beklagte führte am 2. Juli 2001 beim Kläger eine Betriebsprüfung nach § 28p Sozialgesetzbuch IV. Buch (SGB IV) durch. In der Schlussbesprechung vom gleichen Tage wies sie darauf hin, dass die geldwerten Vorteile für die verbilligte Überlassung der Dienstwohnung sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt seien. Mit Bescheid vom 2. Juli 2001 teilte die Beklagte dem Kläger mit, die sich aus der Prüfung ergebende Nachforderung für sämtliche Beschäftigte betrage 19.663,04 DM. Hierin seien Säumniszuschläge in Höhe von 1.045,00 DM enthalten. Die vom zuständigen Finanzamt geforderten Steuernachzahlungen würden auch beitragsrechtliche Konsequenzen auf dem Gebiet der Sozialversicherung nach sich ziehen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die sich aus dem Prüfbericht des Finanzamtes ergebenden beitragsrechtlichen Auswirkungen gekannt habe. Insoweit sei die Nichtabführung der Beiträge von ihm billigend in Kauf genommen worden. Der Kläger legte am 12. Juli 2001 gegen den Bescheid Widerspruch ein und trug vor, dass er keinesfalls vorsätzlich die Beiträge aus dem Jahre 1996 nicht abgeführt habe. Zwar habe die Lohnbuchhaltung ab Juli 2000 in der Gehaltsabrechnung für den Beigeladenen zu 1) den geldwerten Vorteil hinsichtlich der Überlassung der Dienstwohnung korrekt abgerechnet. Hieraus könne aber nicht geschlossen werden, dass er Beiträge aus dem Jahre 1996 der Beklagten vorsätzlich vorenthalten habe. Außerdem sei er nicht korrekt angehört worden.

Mit Widerspruchsbescheid vom 22. Juli 2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte zur Begründung vor allem aus, der Kläger habe ab Juli 2000 positive Kenntnis von der Tatsache gehabt, dass der geldwerte Vorteil der verbilligten Dienstwohnung als Einkommensbestandteil zu werten sei und damit auch der Beitragspflicht unterfalle. Ihm sei bekannt gewesen, dass die Beitragsabführung in der Vergangenheit nicht korrekt abgewickelt worden sei. Auf Seiten des Klägers habe Bösgläubigkeit vorgelegen. Da diese innerhalb der kurzen vierjährigen Verjährungsfrist eingetreten sei, verlängere sich die Verjährungsfrist auf 30 Jahre. Der Kläger habe sämtliche relevanten Umstände auch ohne mit der Lohnabrechnung betrautes Fachpersonal erkennen können. Dies gelte um so mehr, als die Unterbringung von Arbeitskräften unmittelbar auf dem Gut bereits seit Jahrhunderten im Bereich der Land- und Forstwirtschaft durchaus üblich sei und damit zu de...

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