Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine Erweiterung des Streitgegenstandes durch Beigeladene. Erstattung von Kosten im Vorverfahren nur in einem Rechtsbehelfsverfahren

 

Orientierungssatz

1. Ein notwendig Beigeladener iS von § 75 Abs 2 SGG kann zwar eigene Angriffs- und Verteidigungsmittel geltend machen, er kann gegenüber den Hauptbeteiligten, also dem Kläger und dem Beklagten eines Verfahrens, keine Erweiterung des Streitgegenstandes vornehmen. Dieser wird allein durch die Hauptverfahrensbeteiligten bestimmt (vgl BSG vom 11.7.1974 - 4 RJ 339/73 = SozR 1500 § 75 Nr 2).

2. Ein Kostenerstattungsanspruch nach § 63 Abs 1 SGB 10 besteht nur in einem Rechtsbehelfsverfahren, nicht jedoch in einem Verwaltungsverfahren (vgl BSG vom 20.4.1983 - 5a RKn 1/82 = SozR 1300 § 63 Nr 1).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 21.08.2008; Aktenzeichen B 12 KR 33/07 B)

 

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Schleswig vom 10. Januar 2006 aufgehoben.

Die Klage wird abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über einen Anspruch des Klägers auf Erstattung von Verfahrenskosten.

Der Kläger, der bei der Beklagten gegen Krankheit versichert und bei der Beigeladenen als Busfahrer beschäftigt ist, machte gegenüber der Beklagten einen Anspruch auf Beitragsrückerstattung geltend. Hintergrund hierfür waren Versorgungsleistungen einer von der Beigeladenen unterhaltenen Unterstützungskasse und von dieser im Jahre 1997 gezahlte Abfindungen. 1997 hatte zwischen der Beigeladenen und den bei ihr beschäftigten Mitarbeitern einerseits, darunter auch dem Kläger, und dem zuständigen Rentenversicherungsträger (damals Landesversicherungsanstalt Schleswig-Holstein) und den Einzugsstellen andererseits ein Verwaltungsverfahren stattgefunden, aufgrund dessen die Beigeladene und die bei ihr beschäftigten Arbeitnehmer für die Abfindungen Gesamtsozialversicherungsbeiträge abgeführt hatten. Im Jahr 2001 forderten die Beigeladene und die bei ihr beschäftigten Mitarbeiter diese Beiträge zurück. Mit anwaltlichem Schreiben vom 28. August 2001 teilten sie der Beklagten mit, dass im Falle eines Mitarbeiters gegen die AOK Schleswig-Holstein ein Musterverfahren durchgeführt werde; sie baten um Mitteilung, ob die Beklagte sich der Entscheidung in jenem Musterverfahren unterwerfen wolle. Die Beklagte lehnte dies mit Schreiben vom 26. Oktober 2001 ab, verzichtete jedoch auf die Einrede der Verjährung einer Beitragsrückforderung. Mit Urteil vom 25. August 2004 (B 12 KR 30/03 R) hob das Bundessozialgericht in dem Parallelverfahren die ablehnenden Bescheide der Einzugsstelle auf und verurteilte sie, dem Kläger jenes Verfahrens den Arbeitnehmeranteil der auf die Abfindung entrichteten Beiträge zur gesetzlichen Krankenversicherung zu erstatten. Mit anwaltlichem Schreiben vom 3. November 2004 forderte der Kläger die Beklagte zur Beitragserstattung auf. Diese teilte am 17. Dezember 2004 mit, sie sei zur Zahlung bereit. Die Erstattung für die Mitarbeiter wurde daraufhin durchgeführt.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 30. Mai 2005 stellte der Kläger der Beklagten folgende Kosten in Rechnung:

Gebühr Nr. 2500 VV/RVG-Geschäftsgebühr (Antragsverfahren)

240,00 EUR

Gebühr Nr. 1008 VV/RVG-Mehrvertretungsgebühr

72,00 EUR

Telekommunikationspauschale gemäß Nr. 7002 VV, § 2 RVG

20,00 EUR

Dokumentenpauschale gemäß Nr. 7000 RVG/VV

2,00 EUR

Summe

334,00 EUR

Umsatzsteuer (16 % Nr. 7008 RVG-VV)

53,44 EUR

Summe

387,44 EUR

Mit Bescheid vom 24. Juni 2005 lehnte die Beklagte die Kostenerstattung ab. Zur Begründung führte sie aus, § 63 Abs. 1 Sozialgesetzbuch, Zehntes Buch (SGB X) stelle keine Grundlage für den Anspruch dar, denn die Vorschrift sei nur für das Vorverfahren anzuwenden und setze voraus, dass ein rechtsverbindlicher Bescheid angefochten werde. Sie sei in einem Verfahren auf Rücknahme eines rechtsverbindlichen Bescheides und auf Neufeststellung zugunsten des Betroffenen nicht anwendbar. Für die Kosten- und Aufwandserstattung im Verwaltungsverfahren fehle es an einer Rechtsgrundlage. Vorliegend sei kein Widerspruchsverfahren durchgeführt worden, es sei nicht einmal ein ablehnender Bescheid ergangen. Vielmehr hätten die Beteiligten einvernehmlich den Ausgang des sog. Musterverfahrens abgewartet. Dem widersprach der Kläger am 7. Juli 2005 mit der Begründung, die Unterwerfung unter das Musterverfahren beziehe sich auch auf dessen Kostengrundentscheidung. Diese erstrecke sich auf das jetzige Antragsverfahren, dem die Beklagte mit Bescheid vom 17. Dezember 2004 stattgegeben habe. Dieses Antragsverfahren sei ein Annexverfahren zum Musterverfahren. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. November 2005 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Sie führte erneut aus, die Erstattung von Verfahrenskosten setze einen angefochtenen Verwaltungsakt voraus, an dem es hier fehle. Das Erstattungsverfahren sei noch im Stadium des Verwaltungsverfahrens vor Erlass eines ...

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