Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialhilfe. Hilfe bei Krankheit. Übernahme der Krankenbehandlung für nicht versicherte Sozialhilfeempfänger durch die Krankenkassen im gesetzlichen Auftrag. Einstellung der Krankenhilfe wegen Vorrangigkeit des Abschlusses einer privaten Krankenversicherung im Standard- bzw Basistarif ab 1.7.2007. Herbeiführung des Bezugs von Grundsicherung im Alter

 

Orientierungssatz

Mit Einführung des Kontrahierungszwangs für Unternehmen der privaten Krankenversicherung zum 1.7.2007 stellt die Möglichkeit des Abschlusses eines privaten Krankenversicherungsvertrages für den Hilfesuchenden jedenfalls dann eine den sozialhilferechtlichen Anspruch auf Hilfe bei Krankheit ausschließende Selbsthilfemöglichkeit dar, wenn die Zuordnung zur privaten Krankenversicherung eindeutig ist. Die ggf fehlende finanzielle Möglichkeit der Beitragszahlung steht dem nicht entgegen (vgl LSG Stuttgart vom 25.3.2010 - L 7 SO 2761/09 = FEVS 62, 122).

 

Normenkette

SGB XII §§ 48, 2 Abs. 1; SGB V §§ 264, 315, 257 Abs. 2a

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 27.05.2014; Aktenzeichen B 8 SO 26/12 R)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 20. Oktober 2009 wird zurückgewiesen.

Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die 1926 geborene Klägerin begehrt von der Beklagten Hilfe bei Krankheit ab 1. Juli 2007 nach § 48 Sozialgesetzbuch, Zwölftes Buch (SGB XII).

Die Klägerin bezog seit Mai 1992 von der Beklagten Krankenhilfeleistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz bzw. dem SGB XII. Wegen Bezugs einer Witwenrente und einer Altersrente erhielt sie keine weitergehenden Leistungen nach diesen Gesetzen.

Zum 1. Januar 2004 wurde die Klägerin von der Beklagten bei der Deutschen Angestellten-Krankenkasse (DAK) zur Betreuung angemeldet. Mit Bescheid vom 30. März 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Krankhilfeleistungen zum 31. März 2007 eingestellt würden, da die Klägerin aufgrund einer Gesetzesänderung einen vorrangigen Anspruch auf Krankenschutz gegenüber der Krankenkasse habe. Auf den Widerspruch der Klägerin hob die Beklagte mit Bescheid vom 23. April 2007 den Bescheid vom 30. März 2007 auf und gewährte weiterhin Krankenhilfe bis auf Weiteres gemäß § 264 Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V).

Mit Bescheid vom 30. Mai 2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass die Krankenhilfe zum “31. Juni 2007„ eingestellt würde, weil die Klägerin aufgrund einer Gesetzesänderung einen vorrangigen Anspruch auf Krankenschutz gegenüber einer privaten Krankenkasse habe. Dagegen legte die Klägerin am 3. Juni 2007 Widerspruch ein.

Am selben Tag suchte sie um vorläufigen Rechtsschutz nach (Sozialgericht Lübeck: Aktenzeichen S 30 SO 113/07 ER). Das Verfahren wurde durch außergerichtlichen Vergleich dahingehend beendet, dass die Beklagte sich verpflichtete, für Juli 2007 Krankenhilfe zu leisten. Die Gewährung erfolgte mit Bescheid vom 12. Juli 2007 unter der Einschränkung des Aufwendungsersatzes, falls rückwirkend vorrangiger Versicherungsschutz über eine private Krankenversicherung einträte. Am 25. Juli 2007 kam rückwirkend zum 1. Juli 2007 ein privater Versicherungsvertrag für die Klägerin mit der Landeskrankenhilfe V.V.a.G. zustande.

Am 20. August 2007 fand ein Gespräch zwischen dem Bevollmächtigten der Klägerin und der Beklagten statt. In dem darüber angefertigten Vermerk heißt es: “Übereinstimmend wurde festgestellt, dass die gesetzlichen Regelungen hinsichtlich der privaten Versicherung für die Betreffenden wenig erfreulich sind, wir uns jedoch an den Vorrang halten müssen. Hr. P hält an seinem Widerspruch fest und möchte die Sache “durchklagen„.

Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 18. September 2007 unter Hinweis darauf zurück, dass die Krankenhilfe zum 30. Juni 2007 eingestellt worden sei.

Die Klägerin hat am 22. September 2007 Klage erhoben und vorgetragen, sie genieße Vertrauensschutz hinsichtlich weiterer Krankenhilfe, nachdem ihr diese über mehrere Jahrzehnte lang gewährt worden sei. Die Versicherung bei einer privaten Krankenversicherung im Standard- bzw. Basistarif sei insgesamt verfassungswidrig. Der Krankenversicherungsbeitrag sei so hoch, dass sie diese Beiträge nicht aufbringen könne. Außerdem habe sie schwere Nachteile zu gewärtigen wegen hoher Arztrechnungen, die jeweils im Einzelnen überprüft oder im Zivilrechtsweg angegriffen werden müssten. Das belaste das Arzt-Patienten-Verhältnis. Außerdem sei eine Direktabrechnung der Apotheken nicht geregelt. Es liege ein Verstoß gegen Art. 3 Grundgesetz (GG) vor, denn ein Rentner zahle in der gesetzlichen Krankenversicherung lediglich 60,00 EUR im Monat, sie müsse aber 356,00 EUR monatlich zahlen. Im Übrigen sei im Rahmen der Bedürftigkeitsprüfung die Miete vollständig zu ihren - der Klägerin - Lasten anzurechnen. Die Aufteilung nach Kopfteilen unter Berücksichtigung nur der Hälfte der Unterkunftskosten zu ihren Lasten sei fehlerhaft,...

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