Entscheidungsstichwort (Thema)

Kassenärztliche Vereinigung. Vorschriften über sachlich-rechnerische Berichtigung verdrängen Regelung nach § 45 SGB 10. Einhaltung der 4-Jahres-Frist. Fristwahrung. Prüfbescheid. Wirtschaftlichkeitsprüfung. Anforderung an Abrechnung einer Leistungsziffer nach dem EBM-Ä. fachspezifische Dokumentation

 

Orientierungssatz

1. Die Vorschriften der §§ 45 Abs 2 S 1 BMV-Ä und 34 Abs 4 S 2 EKV-Ä verdrängen in ihrem Anwendungsbereich die Regelung des § 45 SGB 10. Sie stellen hiervon abweichende Regelungen iS des § 37 S 1 SGB 1 dar (vgl ua BSG vom 30.6.2004 - B 6 KA 34/03 R = BSGE 93, 69 = SozR 4-2500 § 85 Nr 11).

2. Bei der sachlich-rechnerischen Berichtigung ist eine Frist von 4 Jahren einzuhalten (vgl ua BSG vom 16.6.1993 - 14a/6 RKa 37/91 = BSGE 72, 271 = SozR 3-2500 § 106 Nr 19).

3. Ein Prüfbescheid in der Wirtschaftlichkeitsprüfung wahrt grundsätzlich nicht zugleich die Frist für die sachlich-rechnerische Berichtigung. Ein Bescheid des Prüfungsausschusses kann allenfalls dann als fristwahrend für eine sachlich-rechnerische Berichtigung anzusehen sein, wenn die vom BSG erwähnte Wahlfeststellung tatsächlich stattgefunden hat, dh die jeweiligen Bescheide Hinweise darauf enthalten, dass neben oder anstelle der unwirtschaftlichen Abrechnung der jeweils betroffenen EMB-Ziffer auch eine - teilweise - unrichtige Abrechnung in Betracht kommt, die - zunächst - im Rahmen der "Annexkompetenz/Randzuständigkeit" im Rahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung mitberücksichtigt wird (vgl ua BSG vom 16.6.1993 - 14a/6 RKa 37/91 = aaO).

4. Die Frage, ob ein Vertragsarzt die Anforderungen an die Abrechnung einer Leistungsziffer nach Maßgabe des EBM-Ä hier: Nr 443 erfüllt, ist eine Frage der sachlich-rechnerischen Richtigkeit der Abrechnung.

5. Eine "fachspezifische" Dokumentation erfordert mehr als die normale Befunddokumentation, die gemäß § 57 BMV-Ä regelmäßiger Bestandteil der ärztlichen Leistung ist (vgl LSG Schleswig vom 27.6.2000 - L 6 KA 19/99).

 

Nachgehend

BSG (Beschluss vom 18.01.2006; Aktenzeichen B 6 KA 41/05 R)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 10. September 2003 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit einer sachlich-rechnerischen Berichtigung der Honorarabrechnung für die Quartale I/96 und II/96 betreffend die Nr. 443 EBM-Ä.

Der Kläger ist als Orthopäde mit der Zusatzbezeichnung "Chirotherapie" zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen und in L. niedergelassen. Er führt u.a. schmerztherapeutische Behandlungen durch.

Der ihm erteilte Honorarbescheid für das Quartal I/96 datiert vom 2. September 1996, derjenige für das Quartal II/96 vom 17. Oktober 1996. Für die Quartale I/96 und II/96 nahm der Gemeinsame Prüfungsausschuss für Ärzte in Schleswig-Holstein mit Bescheiden vom 2. September 1996 und vom 18. November 1996 jeweils Prüfabstriche u.a. bei der Ziffer 443 EBM-Ä vor. Der Kläger begründete seine Widersprüche insoweit damit, dass er diese Leistungsziffer ansetze für die von ihm durchgeführten Kaudalanästhesien, die vor Einführung der Ziffer 443 durch den EBM-Ä 1996 mit der Nr. 460 EBM-Ä bewertet worden seien. Die Kaudalanästhesie werde von anderen Orthopäden nicht oder nur in einem verschwindend geringen Umfang abgerechnet. Es gebe in Schleswig-Holstein nur wenige Schmerztherapeuten, die sich hinsichtlich dieser Behandlungsmethode fortgebildet hätten und die diese Anästhesien schwerpunktmäßig anwendeten. Angesichts dieser kleinen Gruppe hochspezialisierter Orthopäden sei ein statistischer Vergleich unzulässig. Durch Beschluss vom 21. Juni 2000/Bescheid vom 6. November 2000 gab der Gemeinsame Beschwerdeausschuss den Widersprüchen des Klägers (sinngemäß) in vollem Umfang statt. Hiergegen erhob die Beklagte Klage bei dem Sozialgericht Kiel (Verfahren S 15 KA 575/00). Zur Begründung wurde im Wesentlichen vorgetragen, die nach der Nr. 443 EBM-Ä von dem Kläger in den Quartalen I/96 und II/96 abgerechneten Anästhesien seien nicht ausreichend dokumentiert worden, so dass die Voraussetzungen für diese Leistung jeweils nicht vollständig vorlägen. Dementsprechend wären alle Leistungen der Gebührenposition 443 nicht berechnungsfähig gewesen. Ihrer Auffassung nach hätte der Beschwerdeausschuss deshalb die Abrechnung des Klägers zu einer nachträglichen sachlich-rechnerischen Korrektur an sie, die Beklagte, zurückgeben müssen. Auf Grund dieser Klagebegründung gab der Gemeinsame Beschwerdeausschuss mit Schreiben vom 29. März 2001 ein Anerkenntnis ab. Eine Neuverhandlung über die Widersprüche vor dem Beschwerdeausschuss sei nicht beabsichtigt. Es handele sich vielmehr um ein Problem der sachlich-rechnerischen Berichtigung.

Mit Schreiben vom 11. Dezember 2001 teilte die Abrechnungsabteilung der Beklagten dem Kläger mit, die Schmerztherapiekommission habe sehr eingehend die von ihm vorgelegten Dokumentationen und Behandlungsausweise (der Quartale I/96 und ...

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