Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitslosengeld. fiktive Bemessung nach Kindererziehungszeiten. erweiterter Bemessungsrahmen. Bemessungszeitraum. Verfassungsmäßigkeit

 

Leitsatz (amtlich)

Zur fiktiven Bemessung von Arbeitslosengeld nach Kindererziehungszeiten (Anschluss an BSG vom 29.5.2008 - B 11a/7a AL 64/06 R)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 25. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Höhe des dem Kläger ab 1. Juli 2005 zustehenden Arbeitslosengeldes (Alg).

Der …1964 geborene Kläger stand von 1992 bis zum 30. Juni 2005 in einem Beschäftigungsverhältnis als Steuerfachangestellter. Vom 15. August 2003 bis zum 8. Juni 2005 befand er sich in Elternzeit und bezog mit Ausnahme eines ihm im November 2003 gezahlten Weihnachtsgeldes kein Arbeitsentgelt. Vor der Elternzeit bezog er ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von ca. 3.200,00 EUR; im Juni 2005 bezog er 4.000,00 EUR brutto. Vom 22. bis 24. Juli 2003 erhielt der Kläger Krankengeld. Das Arbeitsverhältnis wurde durch Kündigung des Klägers zum 30. Juni 2005 beendet. Am 6. Juni 2005 meldete der Kläger sich zum 1. Juli 2005 arbeitslos und beantragte Alg. Dabei stellte er sich wegen der Betreuung seines am 9. Juni 2002 geborenen Sohnes der Arbeitsvermittlung für 20 Wochenstunden zur Verfügung.

Mit Bescheid vom 17. Juni 2005 bewilligte die Beklagte dem Kläger diese Leistung ab 1. Juli 2005 für 360 Kalendertage auf der Grundlage eines täglichen Bemessungsentgelts von 33,45 EUR; der monatliche Zahlbetrag betrug 401,10 EUR. Die Beklagte teilte dem Kläger mit Schreiben vom 17. Juni 2005 mit, dass der Bemessung des Alg ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde gelegt worden sei, weil innerhalb von zwei Jahren vor Anspruchsbeginn nicht mindestens 150 Tage mit Anspruch auf Arbeitsentgelt festzustellen gewesen seien (§ 132 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch [SGB III]). Das fiktive Arbeitsentgelt sei aufgrund der Zuordnung zu einer Qualifikationsgruppe festzusetzen. Die Vermittlungsbemühungen der Beklagten erstreckten sich in erster Linie auf eine Beschäftigung, für die eine Ausbildung erforderlich sei. Daher erfolge die Zuordnung zur Qualifikationsstufe 3 (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 SGB III). Mit weiterem Schreiben vom selben Tage führte die Beklagte aus, dass das dem Alg zugrunde liegende Bemessungsentgelt wegen der eingeschränkten Verfügbarkeit vermindert worden sei. Die Arbeitsbereitschaft des Klägers umfasse nur noch 20 Arbeitsstunden wöchentlich. Anderenfalls wäre der Bemessung des Alg eine durchschnittliche regelmäßige wöchentliche Arbeitszeit von 38,5 Stunden zugrunde zu legen.

Gegen den Bewilligungsbescheid vom 17. Juni 2005 erhob der Kläger am 20. Juli 2005 Widerspruch und führte zur Begründung aus, dass das Alg seiner Ansicht nach gemäß § 130 SGB III nach dem Bemessungszeitraum zu bemessen sei. Nach § 130 Abs. 2 Nr. 3 SGB III blieben Zeiten, in denen der Arbeitslose Erziehungsgeld bezogen oder nur wegen der Berücksichtigung von Einkommen nicht bezogen habe oder wenn wegen der Betreuung und Erziehung des Kindes das Arbeitsentgelt oder die durchschnittliche wöchentliche Arbeitszeit gemindert gewesen sei, außer Betracht. Alg müsse daher nach dem Jahresdurchschnitt vor Beginn der Elternzeit berechnet werden. In dem Bemessungsrahmen nach § 130 SGB III vor Beginn der Elternzeit habe er durchgehend sozialversicherungspflichtig gearbeitet. § 130 SGB III solle sicherstellen, dass Personen, die zuletzt wegen der Erziehung eines Kindes versicherungspflichtig gewesen seien, Alg auf der Grundlage des Entgelts erhielten, das sie vor der Erziehungszeit erzielt hätten. § 132 SGB III regele die Fälle, in denen vor Entstehung des Anspruchs ein Bemessungszeitraum mit Zeiten anderer versicherungspflichtiger Verhältnisse nicht festgestellt werden könne. Sein Alg sei deshalb neu zu berechnen.

Mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2005 wies die Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück. Sie stellte den Inhalt der §§ 130ff. SGB III dar und führte aus, dass nach § 132 SGB III als Bemessungsentgelt ein fiktives Arbeitsentgelt zugrunde zu legen sei, wenn - wie im Fall des Klägers - ein Bemessungszeitraum von mindestens 150 Tagen mit Anspruch auf Arbeitsentgelt innerhalb des auf zwei Jahre erweiterten Bemessungsrahmens nicht festgestellt werden könne. Vorliegend umfasse der Bemessungsrahmen die Zeit vom 1. Juli 2003 bis 30. Juni 2005; innerhalb dieses Zeitraums habe der Kläger vom 15. August 2003 bis 8. Juni 2005 Elternzeit genommen. Als Steuerfachangestellter mit Berufserfahrung sei der Kläger der Qualifikationsgruppe 3 zuzuordnen, so dass bei der aktuellen Bezugsgröße ein Bemessungsentgelt von 64,40 EUR täglich einzusetzen sei. Das Bemessungsentgelt sei im Hinblick auf die eingeschränkte Verfügbarkeit des Klägers entsprechend zu mindern (64,40 EUR x 20 Stunden wöchentlich geteilt durch 38,50 Stunden w...

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