Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztliche Versorgung. Eignung bzw Nichteignung eines Belegarztes. kein Beurteilungsspielraum der Kassenärztlichen Vereinigung. Beurteilung der Fahrzeit zum Belegkrankenhaus. Besetzung des Gerichts

 

Leitsatz (amtlich)

1. §§ 39 Abs 4 Nr 3 BMV-Ä, 31 Abs 4 Nr 3 EKV-Ä (Gewährleistung einer unverzüglichen und ordnungsgemäßen Versorgung durch den Belegarzt) räumen der Kassenärztlichen Vereinigung im Rahmen des Anerkennungsverfahrens keinen Beurteilungsspielraum ein.

2. Für die Beurteilung dieser Voraussetzung ist in erster Linie die unter normalen Verkehrsbedingungen erforderliche Fahrzeit relevant.

3. Die maximal erträgliche Fahrzeit ist unter Abwägung aller für die Belegarzttätigkeit relevanten Umstände festzustellen, und zwar allgemein. Sie beträgt 30 Minuten.

 

Orientierungssatz

Bei einem Rechtsstreit über die Eignung bzw Nichteignung eines Belegarztes ist in der Besetzung mit zwei Vertragsärzten als ehrenamtliche Richter zu entscheiden.

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kiel vom 16. Februar 1999 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger dessen außergerichtliche Kosten auch für die Berufungsinstanz zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Umstritten ist die Anerkennung des Klägers als Belegarzt an einer Klinik.

Der Kläger ist als Arzt für Frauenheilkunde und Geburtshilfe in B B niedergelassen und zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassen. Am 25./28. August 1997 beantragte er bei der Beklagten die Anerkennung als Belegarzt an der Klinik K in N. Von dieser legte der Kläger eine Bescheinigung vom 20. August 1997 vor, daß er ab 1. September 1997 zwei Belegbetten im Hause der Klinik belegen könne. Mit Schreiben vom 1. September 1997 unterrichtete die Beklagte den Kläger darüber, gemäß § 39 Abs. 4 des Bundesmantelvertrages/Ärzte (BMV-Ä) sei ein Arzt, dessen Wohnung und Praxis nicht so nah am Krankenhaus lägen, daß die unverzügliche und ordnungsgemäße Versorgung der von ihm ambulant und stationär zu betreuenden Versicherten gewährleistet sei, als Belegarzt nicht geeignet. Die Entfernung zwischen B B und N betrage ca. 18 km, so daß der Kläger nicht ohne weiteres davon ausgehen könne, die begehrte Genehmigung zu erhalten. Mit Schreiben vom 10. September 1997 unterrichtete die Beklagte die Beigeladenen über den Antrag mit der Bitte um Stellungnahme. Der Kläger wies die Beklagte darauf hin, seine Praxis liege im nördlichen Bereich von B B in der Nähe der B 4, seine Wohnung ca. 300 m davon entfernt. Die Distanz Praxis/Klinik betrage (mit dem Pkw gemessen) 15 km. Mit der Bundesstraße 4 bestehe eine direkte, mit der Autobahn 7 eine schnelle Verbindung nach N. Er könne die Klinik innerhalb von 15 Minuten erreichen. In B B gebe es leider keine Belegklinik, in der er die geplanten -- vorwiegend laparoskopischen -- Eingriffe durchführen könne. In den Verwaltungsakten der Beklagten befindet sich ein Vermerk (Bl. 11), wonach Entfernungen von 21 (H -- T), 18 (B O -- A und 15 km (S -- F) bei Anträgen auf Anerkennung als Belegarzt akzeptiert wurden.

Von den Beigeladenen zu 5) und 6) erhielt die Beklagte eine Stellungnahme dahin, diese könnten dem Antrag wegen der Entfernung (ca. 25 km) nicht zustimmen. Die Beigeladene zu 1), 2) und 4) äußerten sich entsprechend. Mit Bescheid vom 22. Oktober 1997 lehnte daraufhin die Beklagte den Antrag des Klägers wegen der zu großen Entfernung und unter Hinweis auf die ablehnenden Äußerungen der Beigeladenen zu 1), 2) und 4) ab. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch ein unter Hinweis auf eine Belegarztanerkennung, bei der die Entfernung zwischen Praxis und Klinik 20 km betragen habe (Dr. W). Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Dezember 1997 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Der Kläger hat am 14. Januar 1998 beim Sozialgericht Klage erhoben und zur Begründung vorgetragen: Zwar dürfe sich die Beklagte über die Nichterteilung des Einvernehmens der Beigeladenen nicht hinwegsetzen. Das Gericht sei jedoch befugt, bei fehlendem Einvernehmen inzidenter zu prüfen, ob der zur Verweigerung des Einvernehmens eingenommene Rechtsstandpunkt richtig sei. Es dürfe im Falle der Verneinung dieser Frage die Kassenärztliche Vereinigung verurteilen, die beantragte Genehmigung zu erteilen. Entgegen der Auffassung der Beklagten sei seine Eignung als Belegarzt gegeben. Insbesondere liege der Fall anders, als der vom Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht in seinem Urteil vom 7. Januar 1997 entschiedene. Denn die Entfernung zwischen seiner Praxis und der Klinik K betrage exakt 18 km. Davon seien innerhalb von B B 0,9 km zurückzulegen und in N 3,8 km über den vierspurig ausgebauten Ring, der unmittelbar an der Klinik K vorbeiführe. Für diese Fahrstrecke benötige er bei durchschnittlichen Verkehrsverhältnissen mit dem Pkw nicht länger als 15 Minuten, was er mehrfach überprüft habe. Bei einer Fahrt über die A 7 liege die Entfernung bei 25,6 km. Davon entfielen 17,6 km auf die Autobahn, 4,2 km auf Bundesstraße und 3,8 km auf den Ri...

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