Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgeldanspruch des minderjährigen Kindes für Aufenthaltstage beim getrennt lebenden Elternteil in temporärer Bedarfsgemeinschaft zur Wahrnehmung des Umgangsrechts. Einkommensberücksichtigung. Arbeitslosengeld II. Mehrbedarf bei Alleinerziehung. Aufteilung bei nachhaltiger Entlastung des betreuenden Elternteils. kein ausreichender zeitlicher Umfang. kein Leistungsbezug des betreuenden Elternteils. verfassungskonforme Auslegung

 

Orientierungssatz

1. Ein minderjähriges Kind hat für Aufenthaltstage in der temporären Bedarfsgemeinschaft mit dem - im Leistungsbezug nach SGB 2 stehenden - umgangsberechtigten Elternteil dem Grunde nach Anspruch auf Sozialgeld. Leistet der andere Elternteil für die Tage des Aufenthalts beim umgangsberechtigten Elternteil keinerlei Geldzahlungen, so kommt eine Berücksichtigung von Einkommen (hier Kindergeld und Unterhaltsvorschuss) mangels bereiter Mittel nicht in Betracht.

2. Eine nachhaltige Entlastung des betreuenden Elternteils und damit eine Teilung des Mehrbedarfs für Alleinerziehende nach § 21 Abs 3 SGB 2 kann unter Berücksichtigung des Monatsprinzips nur angenommen werden, wenn bei monatlicher Betrachtung der andere Elternteil die Betreuung des Kindes mindestens für die Hälfte des Monats und in größeren, mindestens eine Woche umfassenden Intervallen sicherstellt. Unter verfassungskonformer Auslegung bestehen keine Bedenken die Rechtsprechung des BSG zum Mehrbedarf für Alleinerziehende beim sog Wechselmodell auch auf die Fallgestaltungen zu übertragen, in denen der das Kind überwiegend betreuende Elternteil nicht im Leistungsbezug nach dem SGB 2 steht.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.11.2015; Aktenzeichen B 14 AS 23/14 R)

 

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin zu 2) wird das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 15. September 2011 geändert und der Beklagte unter Abänderung des Bescheides vom 18. April 2008 in der Gestalt der Änderungsbescheide vom 17. Mai 2008 und vom 6. August 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 3. September 2008 verurteilt, der Klägerin zu 2) für die Zeit vom 2. Mai 2008 bis zum 17. Mai 2008, vom 13. Juli 2008 bis zum 31. Juli 2008, vom 1. August 2008 bis zum 31. August 2008 und vom 17. Oktober bis zum 31. Oktober 2008 Sozialgeld in Höhe von 6,93 EUR pro Tag für die Zeit bis 30. Juni 2008 und danach in Höhe von 7,03 EUR pro Tag zu zahlen.

Im Übrigen wird die Berufung der Kläger zurückgewiesen.

Der Beklagte erstattet den Klägern ein Viertel der notwendigen außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Streitig ist, ob die Kläger höhere Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II), insbesondere für den Zeitraum von Mai 2008 bis Oktober 2008 beanspruchen können.

Der auf F ______ lebende, 1950 geborene Kläger zu 1) ist Vater der im Jahre 2003 geborenen Klägerin zu 2), die überwiegend bei ihrer Mutter in B _____ lebt. An die Kindesmutter werden das Kindergeld in Höhe von 154,00 EUR und Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von monatlich 125,00 EUR gezahlt. Die die elterliche Sorge gemeinsam ausübenden Eltern gingen nach einer Verhandlungsniederschrift vom 12. April 2006 davon aus, dass die Klägerin zu 2) sich zu 60 % des Jahres bei ihrer Mutter und zu 40 % des Jahres bei dem Kläger zu 1) aufhalte. In der Verhandlungsniederschrift ist weiter aufgeführt, dass die Klägerin zu 2) in B _____ den Kindergarten besuche, wenn dies mit den Arbeitszeiten der Kindesmutter vereinbar sei. Diese lebe unabhängig vom Arbeitslosengeld II. Die Klägerin zu 2) werde entweder von ihrer Mutter mit dem Zug gebracht und wieder abgeholt ; diese Fahrkosten bestreite die Kindesmutter, oder der Kläger zu 1) hole seine Tochter mit dem Kfz ab und fahre sie wieder zurück nach  B _____; dafür stelle ihm seine Mutter ein Kfz zur Verfügung und trage dann auch die Fahrkosten.

Der Kläger zu 1) bezieht seit dem 1. Januar 2005 Leistungen nach dem SGB II.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 3. April 2008 bewilligte der Beklagte bzw. seine Rechtsvorgängerin, die Arbeitsgemeinschaft Kreis Ostholstein (im Folgenden einheitlich “der Beklagte„) dem Kläger zu 1) mit Bescheid vom 18. April 2008 für den Zeitraum vom 1. Mai 2008 bis zum 31. Oktober 2008 Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II in Höhe von 792,00 EUR monatlich (Regelleistung 347,00 EUR sowie Kosten der Unterkunft 445,00 EUR) ohne anteiliges Sozialgeld für die Klägerin zu 2). Mit seinem Widerspruch vom 27. April 2008 begehrte der Kläger zu 1) u.a. die Gewährung eines anteiligen Sozialgeldes für die Klägerin zu 2) in Höhe von 83,20 EUR (40 % von 208,00 EUR) monatlich sowie einen Mehrbedarf für Alleinerziehende in Höhe von 125,00 EUR (36 % von 347,00 EUR). Er beanstandete auch den Abzug einer Warmwasserpauschale. Wegen der Erhöhung der Regelleistung gewährte der Beklagte dem Kläger zu 1) mit Änderungsbescheid vom 17. Mai 2008 für die Zeit vom 1. Juli 2008 bis zum 31. Oktober 2008 Leistungen in Höhe von 796,00 EUR (Regelleistung 351,00 EUR sowie ...

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