Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Auskunftspflicht Dritter. kein Ersatz der Kosten für die Auskunftserteilung gem § 60 Abs 3 SGB 2 durch den ehemaligen Arbeitgeber

 

Leitsatz (amtlich)

Nach § 60 Abs 3 SGB 2 ist der Arbeitgeber gegenüber dem Grundsicherungsträger zur Erteilung einer kostenlosen Auskunft über die Beschäftigung, insbesondere über das Arbeitsentgelt verpflichtet. Dies ergibt sich im Gegenschluss aus § 60 Abs 2 und 4 SGB 2, denn nur diese Vorschriften ordnen die entsprechende Anwendung der Regelung zum Entschädigungs- bzw Vergütungsanspruch (§ 21 Abs 3 S 4 SGB 10) an, während ein solcher Verweis in § 60 Abs 3 SGB 2 fehlt.

 

Orientierungssatz

§ 60 Abs 3 SGB 2 erfasst nicht nur Beschäftigungen, die zum Zeitpunkt des Auskunftsersuchens noch ausgeübt werden, die Auskunftspflicht bezieht sich auch auf bereits beendete Beschäftigungen, sofern die Beschäftigung - wie hier - im Hinblick auf die Leistungsgewährung zeitweilig deckungsgleiche Zeiträume betraf.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 04.06.2014; Aktenzeichen B 14 AS 38/13 R)

 

Tenor

Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Itzehoe vom 17. Januar 2012 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Die gesamten Kosten des Verfahrens trägt die Klägerin.

Der Streitwert wird auf 27,61 EUR festgesetzt.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Verpflichtung des Beklagten zum Kostenersatz wegen Auskunftserteilung.

Die Klägerin bietet als Unternehmen Dienstleistungen aller Art, Gebäude- und Facility-Management, Objektpflege und deren Instandhaltung und Betreuung an. Sie war vom 27. März bis 31. März 2007 und im April 2007 Arbeitgeberin des 1965 geborenen Hilfebedürftigen S., der seit 2005 mit Unterbrechungen Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II) bezieht.

Durch Datenabgleich der Datenstelle der Träger der Rentenversicherung erhielt der Beklagte im Mai 2007 Kenntnis von verschiedenen Beschäftigungsverhältnissen des S., u.a. bei der Klägerin in der Zeit vom 27. März 2007 bis 31. März 2007. Angaben zur Höhe des Arbeitsentgeltes enthielt der Datensatz nicht. S. reichte auf Aufforderung des Beklagten vom 15. Mai 2007 zu lückenlosen Einkommensnachweisen ab Januar 2007 im Juni 2007 u.a. eine Lohn-/Gehaltsabrechnung von der Klägerin für April 2007 über einen Verdienst von 24,00 EUR brutto bei einem in der Abrechnung ausgewiesenen Arbeitseintritt am 27. März 2007 und einem Gesamtbruttolohn von 284,00 EUR beim Beklagten ein.

Mit Schreiben vom 19. März 2008 forderte der Beklagte die Klägerin zur Hergabe einer Verdienstbescheinigung (Zusatzblatt 2.2) für den Zeitraum 27. März 2007 bis 31. März 2007 innerhalb einer Frist bis zum 12. April 2008 auf und berief sich hierzu auf § 60 Abs. 3 SGB II. Nach dieser Vorschrift sei er ermächtigt, die Auskünfte einzuholen. Wer sich weigere, der Verpflichtung zur Auskunftserteilung nachzukommen, handele ordnungswidrig.

Die Klägerin übersandte am 7. April 2008 die Bescheinigung für März 2007 mit einem darin ausgewiesenen Brutto- und zugleich Nettoarbeitsentgelt von 260,00 EUR und stellte hierfür 22,61 EUR Auslagenersatz (Auslagen für Steuerberater, Porto, Telefon etc.) in Rechnung.

Mit Bescheid vom 28. Mai 2008 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 2. Dezember 2008 lehnte der Beklagte eine Kostenerstattung mit der Begründung ab, dass die Klägerin als Arbeitgeberin nach § 60 Abs. 3 SGB II zur kostenlosen Auskunft verpflichtet sei. Dies ergebe sich im Gegenschluss aus § 60 Abs. 2 und 4 SGB II, denn nur diese Vorschriften ordneten die Anwendung des § 21 Abs. 3 Satz 4 Sozialgesetzbuch Zehntes Buch (SGB X) ausdrücklich an.

Zwischenzeitlich hatte die Klägerin mit Schreiben vom 16. Mai 2008 und 30. Mai 2008 ihre Forderung wegen geltend gemachter Mahnkosten in Höhe von 5,00 EUR auf 27,61 EUR erhöht.

Mit ihrer am 5. Januar 2009 beim Sozialgericht Itzehoe eingegangenen Klage hat die Klägerin geltend gemacht, dass sie häufiger kurzzeitig Arbeitnehmer aus der Tagesjobvermittlung der Arbeitsagentur beschäftige, um bestimmten eingehenden Aufträgen personell gewachsen zu sein. Es bedeute einen erheblichen Verwaltungs- und Kostenaufwand für eine kleine Firma, wie sie es sei, wenn sie ein Jahr nach der Beschäftigung eines Arbeitnehmers durch den Beklagten dazu aufgefordert werde, Angaben zur Person, zu Beschäftigungszeiträumen und zum Einkommen zu machen. Ihr Steuerberater verlange von ihr jedes Mal eine Gebühr für die Zurverfügungstellung von so genannten Altdaten . Aus diesem Grunde dürfe es nicht verwundern, wenn sich ein Arbeitgeber irgendwann frage, ob es sich der Beklagte mit der Inanspruchnahme und dem Hinweis auf die Mitwirkungspflichten nicht zu einfach mache und den Aufwand der anderen Seite unberücksichtigt lasse. Dabei sei zu beachten, dass die Behörde den Sachverhalt nach § 20 SGB X von Amts wegen zu ermitteln habe. Die Auskunftspflicht durch den Arbeitgeber sei nur ein subsidiäres Ermittlungsrecht. Seine Mitwirkungspflic...

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