Entscheidungsstichwort (Thema)

Vertragsärztin. Genehmigung. Entlastungsassistent. Erziehungsbedarf von Kindern

 

Orientierungssatz

1. Die Beschäftigung des sogenannten Entlastungsassistenten kommt aus Gründen der Sicherstellung der vertragsärztlichen Versorgung nur in Betracht, wenn der Vertragsarzt vorübergehend gehindert ist, seine vertragsärztlichen Pflichten in vollem Umfang nachzukommen, mithin die Sicherstellungsgründe so beschaffen sind, dass sie einen zeitlich befristeten Bedarf begründen.

2. Ein Abstellen auf den Erziehungsbedarf von Kindern hat zur Folge, dass nicht nur von einer nicht vorübergehenden, sondern von einer langen unabsehbaren Zeitdauer hinsichtlich des Bedarfs an Hilfe auszugehen wäre. Die schließt auch unter Berücksichtigung des Art 6 GG die (weitere) Genehmigung eines Entlastungsassistenten aus.

 

Tatbestand

Die Antragstellerin ist im Rahmen einer Sonderbedarfszulassung als  Kinderchirurgin in K. seit Februar 1996 zur vertragsärztlichen Versorgung  zugelassen. Im Juni 1997 wurde die Tochter der Antragstellerin geboren.

Ab 2. Juni bis 31. August 1997 war Dr. B. als ärztlicher Vertreter der  Antragstellerin in der Praxis tätig. Die Antragsgegnerin erteilte im  Anschluss daran bis zum 28. Februar 1998 die Genehmigung für die Tätigkeit  des Dr. B. als Entlastungsassistenten gemäß § 32 Abs. 2 Ärzte-ZV mit  mehrfachen Verlängerungen, zuletzt bis zum 30. September 2000. Den  Verlängerungsantrag der Antragstellerin mit Schreiben vom 10. Juli 2000  lehnte die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 3. August 2000 mit der  Begründung ab, das Prinzip der persönlichen Leistungserbringung dürfe u. a.  durch Beschäftigung eines Sicherstellungs- bzw. Entlastungsassistenten nur  bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen in der Person des Vertragsarztes  durchbrochen werden. Vor diesem Hintergrund habe die Antragsgegnerin im  Zusammenhang mit der Betreuung des Kindes bisher die Genehmigung zur  Beschäftigung von Dr. B. als Entlastungsassistenten erteilt, jeweils auf  die Dauer eines Jahres befristet, insgesamt für einen Gesamtzeitraum von  drei Jahren. Dieser Zeitraum entspreche dem Rahmen, für den eine  Arbeitnehmerin Erziehungsurlaub in Anspruch nehmen könne. Eine längere Zeit  könne der Antragstellerin im Zusammenhang mit der Betreuung eines Kindes  nicht eingeräumt werden. Hiergegen legte die Antragstellerin Widerspruch  ein mit Hinweis darauf, dass nach einer Entscheidung des  Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz (L 5 KA 41/96) eine Vertragsärztin  Anspruch auf einen Entlastungsassistenten habe, wenn sie sich mehr der  Erziehung widmen wolle, und zwar bis zum achten Lebensjahr des Kindes. Sie,  die Antragstellerin, sei unverheiratet. Der Vater des Kindes kümmere sich  nicht darum. Verwandte, die das Kind betreuen könnten, gebe es nicht. Ihre  Mutter wohne 800 km entfernt. Die zivilrechtliche Rechtsprechung zur  Zumutbarkeit einer Berufstätigkeit bei Kindererziehung gehe von einer  achtjährigen jederzeitigen Kinderbetreuung aus. Ein solcher umfassender  Schutz von Ehe und Familie folge zudem aus Art. 6 Abs. 1 des Grundgesetzes  (GG).

Am 25. September 2000 hat die Antragstellerin darüber hinaus beim  Sozialgericht Kiel beantragt,

im Wege der einstweiligen Anordnung die Antragsgegnerin zu verpflichten,  ihr vorläufig bis zur Entscheidung in der Hauptsache die Beschäftigung von  Dr. W. B. als Entlastungsassistenten über den 30. September 2000 hinaus zu  genehmigen, und ergänzend vorgetragen, dass eine Orientierung an einen  möglichen Erziehungsurlaub für Arbeitnehmer schon deshalb nicht möglich  sei, weil sie, die Antragstellerin, sich nicht im "Urlaub" befinde, sondern  jeweils vormittags oder nachmittags in der Praxis tätig sei. Lediglich für  die übrige Zeit benötige sie den Entlastungsassistenten. Zudem sei sie als  Vertragsärztin zeitlich erheblich mehr eingespannt als eine  durchschnittliche Arbeitnehmerin. Sie könne von der Antragsgegnerin auch  nicht darauf verwiesen werden, dass sie Dr. B. im Rahmen eines Job-Sharings  (§ 101 Abs. 1 Nr. 4 des Fünften Buches des  Sozialgesetzbuches SGB V) bzw. einer Anstellung (§ 32b  Ärzte-ZV) beschäftigen könne. Denn dies hätte die Festlegung auf ein sich  aus den vergangenen vier Quartalen ergebendes Gesamtpunktzahlvolumen zur  Folge, was sie gerade vermeiden wolle.

Mit Beschluss vom 26. September 2000 hat das Sozialgericht die  Antragsgegnerin verpflichtet, der Antragstellerin vorläufig bis zum 31.  Dezember 2000 die Beschäftigung von Dr. B. als Entlastungsassistenten zu  genehmigen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, nur so könne  über den Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz sachgerecht und unter  Wahrung des rechtlichen Gehörs entschieden werden.

Die Antragsgegnerin hat mit Widerspruchsbescheid vom 27. September 2000 den  Widerspruch zurückgewiesen. Mit Schriftsatz vom 19. Oktober 2000 hat die  Antragsgegnerin darüber hinaus beim Sozialgericht Kiel beantragt,

den Beschluss aufzuheben und den Antrag auf Erlass der einstweiligen Anordnung abzulehnen.

Zu...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge