Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Prozesskostenhilfe. Rückwirkende Bewilligung nach dem Tod des Antragstellers. Vorlage von Nachweisen hinsichtlich der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse erstmals im Beschwerdeverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Einem verstorbenen Antragsteller kann ausnahmsweise rückwirkend Prozesskostenhilfe bewilligt werden, wenn diese bei einem ordnungsgemäßen, unverzüglichen Geschäftsgang noch zu seinen Lebzeiten hätte bewilligt werden müssen.

2. Erstmals im Beschwerdeverfahren vorgelegte Belege hinsichtlich der Einkommens- und Vermögensverhältnisse eines Antragstellers müssen im laufenden Verfahren berücksichtigt werden, wenn ihm erstinstanzlich keine Ausschlussfrist zur Vorlage gesetzt worden ist und das Sozialgericht nicht bereits wegen des fruchtlosen Verstreichens einer entsprechenden Frist Prozesskostenhilfe versagt hat.

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Grundsätzlich kommt eine rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach dem Tod des Antragstellers nicht mehr in Betracht. Sie ist aber ausnahmsweise dann möglich, wenn bei einem ordnungsgemäßen, unverzüglichen Geschäftsgang PKH noch zu Lebzeiten des Antragstellers hätte bewilligt werden können.

2. Das Nachreichen von Belegen und Angaben im Beschwerdeverfahren ist nur dann verspätet und deshalb nicht mehr zu berücksichtigen, wenn der Antragsteller innerhalb einer vom Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht und das Sozialgericht deshalb die Bewilligung von PKH abgelehnt hat.

 

Tenor

Auf die Beschwerde der Kläger wird der Beschluss des Sozialgerichts Schleswig vom 9. Januar 2009 aufgehoben.

Der Klägerin zu 1. wird für das Klageverfahren S 11 SO 191/06 Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung bewilligt und Rechtsanwältin H..., L..., beigeordnet.

Dem Kläger zu 2. wird für das vorgenannte Klageverfahren für die Zeit ab Klageerhebung bis zu seinem Ableben Prozesskostenhilfe ohne Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwältin H..., L..., bewilligt.

 

Gründe

Die Beschwerde ist zulässig und begründet.

Gegenstand des Beschwerdeverfahrens ist die von den Klägern beantragte und vom Sozialgericht Schleswig mit Beschluss vom 9. Januar 2009 versagte Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Klageverfahren S 11 SO 191/06, in dem die Kläger Leistungen der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung nach den Bestimmungen des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII) ab 1. August 2005 begehren bzw. begehrt haben. Der Kläger zu 2) ist am 13. Mai 2009 verstorben.

Nach § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) in Verbindung mit § 114 Satz 1 Zivilprozessordnung (ZPO) ist den Beteiligten eines sozialgerichtlichen Verfahrens Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn sie nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen können und die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Hinreichende Erfolgsaussicht ist dann anzunehmen, wenn das Gericht aufgrund summarischer Prüfung der Sach- und Rechtslage den Rechtsstandpunkt des Antragstellers für zumindest vertretbar hält und in tatsächlicher Hinsicht von der Möglichkeit der Beweisführung überzeugt ist. Dabei dürfen die Anforderungen an die tatsächlichen und rechtlichen Erfolgsaussichten nicht überspannt werden (vgl. Geimer in: Zöller, Kommentar zur ZPO, 28. Aufl., § 114 Rdn. 19 m. w. N.). Es ist zu berücksichtigen, dass das Prozesskostenhilfeverfahren den Rechtsschutz, den der Rechtsstaatsgrundsatz erfordert, nicht selbst bieten, sondern lediglich zugänglich machen will. Dem genügt § 114 Satz 1 ZPO dadurch, dass er die Gewährung von Prozesskostenhilfe nicht erst bei sicherer, sondern bereits bei hinreichender Erfolgsaussicht vorsieht. Deren Feststellung soll mithin nicht dazu dienen, die Rechtsverfolgung selbst in das Nebenverfahren der Prozesskostenhilfe vorzuverlagern und dieses anstelle des Hauptsacheverfahrens treten zu lassen. Das bedeutet andererseits zugleich, dass Prozesskostenhilfe verweigert werden darf, wenn der Erfolg in der Hauptsache zwar nicht schlechthin ausgeschlossen, die Erfolgschance aber nur eine Entfernte ist (vgl. BVerfGE 81, 347, 357).

Gemessen an diesen Grundsätzen haben die Kläger hier Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Das Sozialgericht hat zu Unrecht die hinreichende Erfolgsaussicht für das Klageverfahren verneint und die Frage der wirtschaftlichen Bedürftigkeit als Voraussetzung für eine Prozesskostenhilfe-Gewährung ungeklärt gelassen.

Insbesondere ist der noch zu Lebzeiten gestellte Antrag auf Prozesskostenhilfe des Klägers zu 2) nicht bereits deshalb abzulehnen, weil er am 13. Mai 2009 verstorben ist. Zwar kommt die rückwirkende Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach dem Tod eines Antragstellers grundsätzlich nicht mehr in Betracht. Sie ist jedoch ausnahmsweise dann möglich, wenn bei einem ordnungsgemäßen, unv...

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