Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Rechtsanwaltsvergütung. beigeordneter Rechtsanwalt. späte Beantragung von Prozesskostenhilfe. Höhe der Verfahrensgebühr. Bemessung der fiktiven Termins- oder Einigungsgebühr

 

Leitsatz (amtlich)

1. In Verfahren, in den Betragsrahmengebühren entstehen, sind für die Höhe der im Rahmen der PKH-Vergütung zu zahlenden Verfahrensgebühr nur die Tätigkeiten maßgebend, die der Rechtsanwalt von der Vorbereitung des PKH-Antrags an bis zur Verfahrensbeendigung ausgeübt hat.

2. Entstehen in solchen Verfahren fiktive Termins- oder Einigungsgebühren nach PKH-Antragstellung im Rahmen der Beiordnung, ist als Grundlage für deren Bemessung eine Verfahrensgebühr zugrunde zu legen, die die gesamte anwaltliche Tätigkeit vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit berücksichtigt.

 

Tenor

Auf die Beschwerde des Erinnerungsführers wird der Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 20. März 2020 geändert. Die Vergütung des Erinnerungsführers für seine Tätigkeit im Berufungsverfahren zum Az. c wird auf 693,18 EUR festgesetzt.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Das Verfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Höhe der Vergütung des nach spät im Verfahren beantragter und bewilligter Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts.

Der Erinnerungsführer hatte den Kläger in einer grundsicherungsrechtlichen Streitigkeit, die Sanktionsentscheidungen - teilweise im Rahmen eines Überprüfungsverfahrens - zum Gegenstand hatte, bereits im Klageverfahren vertreten. Gegen das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts legte er im Auftrag des Klägers am 16. Februar 2015 Berufung ein. Diese begründete er mit einem zweiseitigen Schriftsatz vom 21. August 2015, mit dem er im Wesentlichen Gründe für seine Abwesenheit im erstinstanzlichen Termin zur mündlichen Verhandlung geltend machte, die gleichwohl ergangene klagabweisende Entscheidung als verfahrensfehlerhaft rügte und eine Zurückverweisung der Sache an das Sozialgericht zur erneuten Verhandlung und Entscheidung beantragte. Auf eine entsprechende Anfrage des Berichterstatters hin stimmten der Beklagte mit Schriftsatz vom 7. April 2017 und der Erinnerungsführer mit Schriftsatz vom 11. April 2017 einer Entscheidung durch den Berichterstatter zu. Daraufhin beraumte der Berichterstatter mit Verfügung vom 15. Juni 2017 einen Termin zur mündlichen Verhandlung für den 4. August 2017 an. Am 30. Juli 2017 beantragte der Erinnerungsführer für seinen Mandanten schriftsätzlich Prozesskostenhilfe. Einen mit Beschluss vom 31. Juli 2017 unterbreiteten Vergleichsvorschlag des Berichterstatters nahmen die Beteiligten mit Schriftsätzen vom 31. Juli bzw. 3. August 2017 an. Der Verhandlungstermin wurde daraufhin aufgehoben. Dem Kläger wurde mit Beschluss vom 29. August 2017 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Erinnerungsführers ab Antragstellung gewährt.

Am 20. September 2017 beantragte der Erinnerungsführer beim Sozialgericht Lübeck die Festsetzung seiner Vergütung für das Berufungsverfahren in Höhe von 1.547,00 EUR. Er machte eine Verfahrensgebühr nach Nr. 3204 Vergütungsverzeichnis (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Höhe von 500,00 EUR, eine Terminsgebühr nach Nr. 3205 VV RVG in Höhe von 250,00 EUR, eine Einigungsgebühr nach Nrn. 1000, 1005, 1006 VV RVG in Höhe von 500,00 EUR sowie die Post- und Telekommunikationspauschale und Umsatzsteuer geltend.

Mit Festsetzungsbeschluss vom 28. September 2017 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die Vergütung des Erinnerungsführers auf 210,63 EUR fest. Dabei berücksichtigte sie eine Verfahrensgebühr in Höhe der Mindestgebühr von 60,00 EUR sowie dazu akzessorisch eine Einigungsgebühr in Höhe von 60,00 EUR und die fiktive Terminsgebühr in Höhe von 45,00 EUR. Zur Begründung führte sie aus, dass die anwaltliche Tätigkeit nach PKH-Antragstellung auf das Mindeste beschränkt gewesen sei.

Gegen den ihm am 18. Oktober 2017 zugestellten Beschluss hat der Erinnerungsführer am Montag, dem 20. November 2017, Erinnerung eingelegt und geltend gemacht, dass er mehrere Tage an dem Berufungsverfahren gearbeitet habe. Dem werde die Vergütung nicht gerecht.

Der Erinnerungsgegner ist der Erinnerung entgegengetreten.

Mit Beschluss vom 20. März 2020 hat das Sozialgericht die Festsetzungsentscheidung geändert und die Vergütung des Erinnerungsführers für das Berufungsverfahren auf 432,86 EUR festgesetzt. Im Übrigen hat es die Erinnerung zurückgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass zwar eine Kürzung der Verfahrensgebühr auf die Mindestgebühr nicht in Betracht komme, eine Gebühr in Höhe von einem Drittel der Mittelgebühr (125,00 EUR) jedoch angemessen sei. Dabei sei von einem deutlich unterdurchschnittlichen Umfang der anwaltlichen Tätigkeit nach PKH-Antragstellung auszugehen. Die Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit sei wie die Bedeutung der Angelegenheit für den Auftraggeber durchschnittlich gewesen. Die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Auf...

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