Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. einstweiliger Rechtsschutz. Entfallen der aufschiebenden Wirkung. Anforderung von Beiträgen. Realisierung: Aufrechnung bzw Verrechnung. Prüfung der Hilfebedürftigkeit: Berücksichtigung einer Bedarfsgemeinschaft

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Anfordern von Beiträgen im Sinne des § 86a Abs 2 Nr 1 SGG erfasst auch die Realisierung von Beitragsansprüchen durch Aufrechnung nach § 51 SGB 1.

2. Bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit im Rahmen des § 51 Nr 2 SGB 1 ist das Vorliegen einer Bedarfsgemeinschaft zu berücksichtigen.

 

Tenor

Die Beschwerde des Antragstellers gegen den Beschluss des Sozialgerichts Lübeck vom 2. Dezember 2010 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes die Einstellung der Verrechnung einer Forderung mit der von der Antragsgegnerin ihm gewährten Rente.

Der 1945 geborene Antragsteller bezieht seit Oktober 2005 von der Antragsgegnerin Rente, zunächst als Rente wegen voller Erwerbsminderung und seit Februar 2010 als Regelaltersrente. Rentenhöhe ist derzeit 1.335,60 EUR abzüglich Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 131,55 EUR (105,51 EUR Krankenversicherungsbeitrag, 26,04 EUR Pflegeversicherungsbeitrag; Rentenbescheid vom 22. Oktober 2009).

Die Berufsgenossenschaft Handel- und Warendistribution (früher: Großhandels- und Lagerei-BG) hatte bei der Beklagten ein Verrechnungsersuchen gestellt. Dem lag ein von ihr geltend gemachter Beitragsanspruch zur Unfallversicherung für die Zeit vom 1. Januar 1990 bis 31. Dezember 1993 in Höhe von 71.500,33 EUR zugrunde. Dem Verrechnungsersuchen entsprach die Antragsgegnerin mit Bescheid vom 11. Mai 2007 in Höhe von monatlich 476,15 EUR ab 1. August 2007. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 27. August 2009 zurück und teilte darin mit, dass eine Umsetzung aufgrund der aufschiebenden Wirkung des Widerspruches bisher nicht erfolge. Zugrunde liege der Verrechnung eine Bedarfsbescheinigung der Stadt Geesthacht vom 3. Juli 2006, wonach das Einkommen der Eheleute Dahms den Hilfebedarf um 476,15 EUR übersteige. Gegen den Widerspruchsbescheid hat der Antragsteller Klage beim Sozialgericht Lübeck am 30. September 2009 erhoben(S 45 R 472/09). In dem Klageverfahren hat die Antragsgegnerin den Rentenbescheid vom 22. Oktober 2009 vorgelegt und die Auffassung vertreten, dass die Klage keine aufschiebende Wirkung entfalte. Der Antragsteller habe gegen die in dem Rentenbescheid ebenfalls enthaltene Zahlungsregelung zugunsten der G.- und L.-BG am 16. November 2009 Widerspruch erhoben und auf die aufschiebende Wirkung hingewiesen. In dem Klageverfahren hat das Gericht mit Verfügung vom 17. Februar 2010 den Beteiligten seine vorläufige Auffassung mitgeteilt, dass die Klage aufschiebende Wirkung habe. Die Antragsgegnerin hat daraufhin erwidert, sie sei anderer Auffassung und zudem der Auffassung, dass an der sofortigen Vollziehung ein besonderes Interesse bestehe.

Am 22. März 2010 hat der Antragsteller beim Sozialgericht Lübeck den vorsorglichen Antrag gestellt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen und die durch die Beklagte vorgenommene Vollziehung aufzuheben.

Er vertrete weiterhin die Auffassung, dass es sich nicht um einen Fall der Entscheidung über Versicherungs-, Beitrags- und Umlagepflichten handele. Es werde kein Beitragsbescheid angefochten. Vielmehr begehre er Leistungen gegenüber der Antragsgegnerin aufgrund seiner Beitragszahlungen. Im Übrigen habe er monatlich zahlreiche Aufwendungen für ein eigenes Zimmer aufgrund seiner Schlafapnoe, Zahnersatz und besondere Kosten aufgrund seiner Erkrankung zu erbringen. Freiwillig zahle er an die Bundesagentur 50,00 EUR monatlich bis zum 31. Dezember 2010. Außerdem dürfe die Verrechnung nicht dazu führen, dass der Familienunterhalt nicht mehr gesichert sei. Dabei könne die Ehefrau nicht auf das Niveau der Grundsicherung verwiesen werden. Rechnerisch müsse er Unterhalt an seine Ehefrau in Höhe von 386,00 EUR zahlen.

Die Antragsgegnerin hat im Klageverfahren eine Neuberechnung der Bedarfsberechnung durch die Stadt La. für die Zeit ab 1. Januar 2010 vorgelegt und vorgetragen, der sich aus dieser Berechnung ergebende geringere Verrechnungsbetrag von 269,99 EUR werde für die Zeit ab Januar 2010 anstelle der bisherigen 476,15 EUR zugrunde gelegt.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 2. Dezember 2010 den Antrag zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die streitige Verrechnung falle sowohl nach dem Wortlaut als auch nach dem Gesetzeszweck unter den Begriff der Anforderung von Beiträgen. Hierunter seien nicht nur Geldforderungen zu verstehen, sondern alle Verwaltungsakte, die zur Realisierung des behördlichen Anspruchs auf öffentliche Abgaben ergingen. Dabei sei nicht zu unterscheiden, ob die Berufsgenossenschaft selbst durch Verwaltungsakt als einziehende Stel...

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