2.1 Rechtscharakter der Ausgleichsabgabe

 

Rz. 3

Die Normen des § 160 Abs. 1 und 2 bilden zusammen mit den Vorschriften über die Beschäftigungspflicht (vgl. § 154) das Kernstück des Schwerbehindertenrechts. Arbeitgeber, die die vorgeschriebene Zahl schwerbehinderter Menschen nicht beschäftigen, haben für jeden unbesetzten Pflichtarbeitsplatz für schwerbehinderte Menschen monatlich eine Ausgleichsabgabe zu entrichten.

 

Rz. 4

Das BVerfG hat in seinem Urteil v. 26.5.1981 (1 BvL 56/78, 1 BvL 57/78, 1 BvL 58/78) die Verfassungsmäßigkeit der Ausgleichsabgabe bestätigt.

Bei der Ausgleichsabgabe handelt es sich nach ihrer gesetzlichen Ausgestaltung und ihrem materiellen Gehalt um eine Sonderabgabe, und nicht um eine allgemeine Steuer, weil ihr Aufkommen zweckgebunden verwaltet wird (vgl. Abs. 7 und § 161) und keinem "öffentlich-rechtlichen Gemeinwesen" zufällt (zur zweckgebundenen Verwendung vgl. Abs. 5, § 161). Auch wird durch diese Abgabe eine homogene Gruppe, nämlich die Arbeitgeber, die durch eine gemeinsame Interessenlage verbunden ist und von der Allgemeinheit und anderen Gruppen zuverlässig abgrenzbar ist, belastet (belastet werden nämlich nur Arbeitgeber, die über Arbeitsplätze verfügen, auf ihren Arbeitsplätzen schwerbehinderte Menschen zu beschäftigen haben, den gesetzlich festgelegten Prozentsatz aber nicht erfüllen). Insofern entspricht die Ausgleichsabgabe den materiellen Anforderungen, die verfassungsrechtlich an eine zulässige Abgabe gestellt werden (BVerfG, Urteil v. 10.12.1980, 2 BvF 3/77 zur Berufsausbildungsabgabe).

 

Rz. 5

Die Ausgleichsabgabe dient nicht der Finanzierung einer besonderen Aufgabe, sodass die vom BVerfG in dem o. a. Urteil zur Verfassungsmäßigkeit der Berufsbildungsabgabe aufgestellten Grundsätze über die Sachnähe der Abgabepflichtigen zum Abgabezweck und zur "gruppennützigen" Verwendung der Einnahmen nicht uneingeschränkt gelten. Die Erhebung der Ausgleichsabgabe verfolgt nicht den Zweck der Erzielung von Einnahmen für die Rehabilitation und Eingliederung schwerbehinderter Menschen. Dies ist vorrangige Aufgabe der Träger der beruflichen Rehabilitation und der Bundesagentur für Arbeit unter Finanzierung aus originären Haushaltsmitteln. Die Mittel der Ausgleichsabgabe sind nur zusätzlich zu diesen Leistungen zu verwenden (im Einzelnen vgl. Abs. 5 und § 161).

 

Rz. 6

Die Ausgleichsabgabe hat eine zweifache Funktion, eine Antriebs- und eine Ausgleichsfunktion. Sie soll Arbeitgeber anhalten, schwerbehinderte Menschen einzustellen (Antriebsfunktion). Sie soll ferner die Belastungen zwischen denjenigen Arbeitgebern, die dieser Verpflichtung genügen, und denjenigen, die diese Verpflichtung – aus welchen Gründen auch immer – nicht erfüllen, ausgleichen (Ausgleichsfunktion). Belastungen werden im Zusammenhang mit dem Anspruch schwerbehinderter Menschen auf Zusatzurlaub (vgl. § 208) gesehen.

 

Rz. 7

Die Zahlung der Ausgleichsabgabe hebt die Pflicht zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen nicht auf, sie ist also kein "Freikauf" von der Verpflichtung zur Beschäftigung schwerbehinderter Menschen. Beschäftigungspflichtige Arbeitgeber haben nicht die Wahl zwischen der Beschäftigung schwerbehinderter Menschen und der Zahlung einer Ausgleichsabgabe.

2.2 Jahresdurchschnittliche Beschäftigungsquote

 

Rz. 8

Die Ausgleichsabgabe wird (seit dem 1.1.2001) nicht auf der Grundlage der jeweiligen monatlichen Beschäftigungssituation, sondern auf der Grundlage einer jahresdurchschnittlichen Beschäftigungsquote ermittelt; hierzu wird aus den monatlichen Beschäftigungsdaten der Mittelwert der Beschäftigungsquote eines Kalenderjahres gebildet. Hierdurch wird erreicht, dass durch "Übererfüllung" der Beschäftigungspflicht im Verlauf eines Jahres die Zahlung von Ausgleichsabgaben verringert oder vermieden werden kann (BT-Drs. 14/3372, Begründung zu § 11 Abs. 1 SchwbG).

Mit dem Gesetz zur Änderung von Fristen und Bezeichnungen im Neunten Buch Sozialgesetzbuch und zur Änderung anderer Gesetze v. 3.4.2003 (BGBl. I S. 462) ist in § 77 Abs. 1 Satz 3 (ab 1.1.2018 § 160) geändert worden. Die Anordnung, dass die jahresdurchschnittliche Beschäftigungsquote in der Weise ermittelt wird, indem aus den monatlichen Beschäftigungsdaten der Mittelwert der Beschäftigungsquote eines Kalenderjahres ermittelt werde, ist entfallen. Sie war infolge der jahresdurchschnittlichen Betrachtungsweise entbehrlich. Die tatsächliche jahresdurchschnittliche Beschäftigungsquote ist infolgedessen in der Weise zu ermitteln, dass die Zahl der am Jahresende tatsächlich mit schwerbehinderten Menschen besetzten Arbeitsplätze in das Verhältnis zu setzen ist zu der Zahl der Jahresarbeitsplätze. Die hieraus errechnete Beschäftigungsquote ist maßgeblich für die Höhe der ggf. zu zahlenden Ausgleichsabgabe. Diese tatsächlichen Beschäftigungsdaten sind zu einer Jahressumme zu addieren. Diese Summe ist der Summe gegenüberzustellen, die sich aus der Addition der monatlich zu besetzenden Pflichtarbeitsplätze zu einer Jahressumme ergibt. Diese Summe der zu besetzenden Pflichtarbeitsplätze entspricht immer 5 % (Beschäftigungspflichtquote), für öffentliche Arbeitge...

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