Rz. 15

Abs. 3 misst die Zumutbarkeit einer Beschäftigung an dem zu erzielenden Entgelt. Leitidee der Vorschrift sind Überlegungen zum Bestandsschutz. Den Maßstab bildet das Arbeitsentgelt, das der Bemessung des Alg zugrunde liegt. Dies spiegelt das im Bemessungszeitraum durchschnittlich erzielte Entgelt wider, das im Rahmen der Arbeitsförderung versicherungspflichtig war; die Auswirkungen variabler Lohnbestandteile bzw. stark schwankenden Verdienstes werden relativiert. Das Bemessungsentgelt bildet ungeachtet seines Zustandekommens den Maßstab. Unerheblich ist also insoweit, ob z. B. eine fiktive Bemessung vorgenommen wurde oder ein verlängerter Bemessungszeitraum herangezogen wurde. Entscheidend ist allein die Versicherungsbetrachtung, den Maßstab bildet das für diesen Fall zu berücksichtigende Entgelt, dieses muss auch relevant für die Beendigung des Versicherungsfalles sein.

 

Rz. 15a

Das Bemessungsentgelt ist hinsichtlich der Entgeltgrundlagen mit denen der in Betracht kommenden Beschäftigung zu vergleichen und ggf. anzupassen. Das ist insbesondere der Fall, wenn dem Arbeitslosen eine Vollzeitbeschäftigung angeboten werden soll, sein Bemessungsentgelt jedoch auf einer Teilzeitbeschäftigung beruht. Dazu ist das Arbeitsentgelt in einem ersten Schritt auf die Arbeitsstunden umzurechnen, die der Bemessung des Alg zugrunde liegen. Dieses Arbeitsentgelt ist dann Vergleichsarbeitsentgelt. Passend für alle Varianten nach Abs. 3 kann es auf ein tägliches Bemessungsentgelt umgerechnet werden.

 

Rz. 16

Grundsätzlich soll eine Beschäftigung unzumutbar sein, wenn das daraus erzielbare Arbeitsentgelt erheblich niedriger ist als die Bemessungsgrundlage für das Alg. In diese Regelung ist eine Versicherungskomponente eingebaut, weil Bemessungsgrundlage für das Alg nur versicherungspflichtiges Arbeitsentgelt sein kann; höhere Verdienste (oberhalb der Beitragsbemessungsgrenze) werden also von der Zumutbarkeitsbetrachtung abgekoppelt. Danach könnte auch eine Minderung des Verdienstes um 70 % oder mehr zumutbar sein. Verhindert werden solche Ergebnisse aber dadurch, dass außer den in Abs. 3 genannten Sachverhalten eine Beschäftigung auch aus anderen entgeltbezogenen Gründen unzumutbar sein kann ("insbesondere"). Daraus rechtfertigt es sich, Arbeitsentgeltbetrachtungen im Vergleich der absoluten Verdienste ohne die Beitragsbemessungsgrenze anzustellen. Unzumutbarkeit einer Beschäftigung wird sich daraus allerdings erst ergeben, wenn die in Abs. 3 Satz 2 genannten Prozentsätze bei dieser Betrachtung deutlich überschritten werden.

 

Rz. 17

Abs. 3 Satz 2 staffelt die vom Arbeitslosen hinzunehmenden Entgelteinbußen nach den ersten 3 Monaten der Arbeitslosigkeit und den 3 folgenden Monaten. Bezugspunkte sind der Zeitpunkt der Entstehung des Anspruchs einerseits und das konkret erzielbare Entgelt aus einer angebotenen Beschäftigung andererseits. Maßgebend für die Zumutbarkeitsgrenze von 20 % bzw. 30 % ist der Tag der avisierten Arbeitsaufnahme (dieses Datum stimmt nicht mit dem sperrzeitrechtlichen Datum des die Sperrzeit begründenden Ereignisses überein).

 
Praxis-Beispiel
 
Entstehung des Anspruchs auf Alg 1. April
Arbeitsangebot 15. Mai
Arbeitsaufnahme lt. Stellenangebot 1. Juli
Zumutbarkeitsgrenze nach Abs. 3 Satz 2 30 %

Auf berufliche Qualifikationen oder sonstige Arbeitsbedingungen kommt es zunächst nicht an. Ist die Beschäftigung nach dem Entgeltvergleich zumutbar, kann sie durch Hinzutreten weiterer Umstände gleichwohl in einer Gesamtschau unzumutbar sein.

 

Rz. 18

Abs. 3 Satz 3 stellt ab dem 7. Monat seit Entstehung des Anspruchs auf Alg auf die Höhe des Alg selbst ab. Dem Versicherten wird es verwehrt, eine Beschäftigung abzulehnen, aus der er ein Nettoarbeitsentgelt unter Berücksichtung der Aufwendungen für die Beschäftigung erzielen kann, das lediglich so hoch ist wie das Alg. Für das Alg als Vergleichsentgelt kann dabei das Leistungsentgelt nach § 153 herangezogen werden, das ein pauschaliertes Nettoentgelt darstellt. In Zweifelsfällen muss jedoch ein exakt vergleichbares Nettoentgelt berechnet werden. Damit stellt der Gesetzgeber klar, dass er es nicht als gerechtfertigt ansieht, im Hinblick auf gezahlte Versicherungsbeiträge nur Beschäftigungen anzunehmen, die höher entlohnt werden als an Entgeltersatzleistung bezogen wird. Satz 3 berücksichtigt zudem, dass nach einem halben Jahr Arbeitslosigkeit die Chancen auf Wiedereingliederung drastisch sinken. Dem entspricht es, wenn Beschäftigungszeiten nicht in die Fristen eingerechnet werden, weil sie die Integrationschancen bei abstrakter Betrachtung wieder erhöhen. Im Übrigen beginnen die Fristen mit jedem neuen Stammrecht auf Alg, weil die Anwartschaftszeit neu erfüllt wurde, wieder neu. In Bezug auf die rechtlichen Konsequenzen der Ablehnung oder Aufgabe einer Beschäftigung wegen der (vermeintlich zu niedrigen) Entlohnung nach § 159 (Sperrzeit wegen Arbeitsaufgabe oder Arbeitsablehnung) sind stets die Verhältnisse am Tag des die Sperrzeit begründenden Ereignisses maßgebend (BSG, Urteil ...

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