Leitsatz

  1. Ungültige Beschlüsse

    • auf Rückbau sanierter Balkone,
    • Erstattung von ausführenden Sanierungsfirmen berechneter Mehrkosten und
    • Abmahnung an den Hausverwalter wegen zusätzlicher Auftragsvergabe
  2. Strittige Beschlussanfechtungsbefugnis von Eigentümerbeschlüssen durch den Verwalter (Revisionszulassung)
 

Normenkette

§§ 14, 22, 27 Abs. 1 Nr. 1, 46 WEG; § 1004 Abs. 1 BGB; § 543 Abs. 1 Nr. 1 und Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 ZPO

 

Kommentar

  1. In der Gemeinschaft wurden drei Beschlüsse der Eigentümerversammlung vom 24.7.2007 angefochten. Einmal ging es um den Beschluss, dass die Mitte 2005 durchgeführten Arbeiten an bestimmten Balkonen – hier dreier Eigentümer als Kläger – zurückzubauen und die Balkone wieder in den ursprünglichen Zustand zu versetzen seien. In einem weiteren Beschluss wurde entschieden, dass die genannten drei Balkonmiteigentümer die durch das ausführende Bauunternehmen hierfür zusätzlich berechneten Kosten an die Gemeinschaft zugunsten des Rücklagekontos zu erstatten hätten. Zuletzt wurde beschlossen, dass die Hausverwaltung wegen der zusätzlichen Auftragsvergabe an den streitigen Balkonen abzumahnen sei.
  2. Die Anfechtungsklage der Hausverwaltung der Gemeinschaft als Kläger zu 1. gegen die beiden erstgenannten Beschlüsse war als unbegründet abzuweisen, da dem klägerischen Verwalter die erforderliche Anfechtungsbefugnis fehlt.

    Nach Rechtsprechung des BGH wird dem Verwalter eine eigene Anfechtungsbefugnis nur insoweit zugebilligt, als ein Beschluss in seine eigene Rechtsposition eingreift (etwa zu seiner Abberufung, vgl. BGH, NJW 2002, 3240) oder für seine Rechtsmittelberechtigung gegen eine gerichtliche Entscheidung, durch die seine Bestellung für ungültig erklärt wird (BGH, NJW 2007, 2776).

    Ob dem Verwalter über solche Fälle einer Selbstbetroffenheit hinaus eine Anfechtungsbefugnis zusteht, ist in der Fachliteratur umstritten (vgl. etwa die Zusammenstellung bei Jennißen/Suilmann, WEG § 46 Rn. 40). Eine vertretene Meinung geht dahin, dass Anfechtungsbefugnis nur besteht, wenn durch einen Beschluss die Rechtsstellung des Verwalters berührt wird. Eine weitere Meinung geht von einer "altruistischen" Befugnis aus, wenn seine Anfechtung im Interesse der Wohnungseigentümer und somit letztlich zur Sicherung einer ordnungsgemäßen Verwaltung rechtswidrig erscheinender Beschlüsse liegt. Eine dritte, vermittelnde Meinung will dem Verwalter über die Fälle der Selbstbetroffenheit hinaus ein Anfechtungsrecht dann einräumen, wenn ein offensichtlich rechtswidriger Beschluss vorliegt, der nicht bereits angefochten wurde und vom Verwalter durchgeführt werden müsste (vgl. Wenzel in Bärmann 10. Auflage § 46 Rn. 32).

    Nach Ansicht der Kammer hat der Verwalter kein allgemeines Anfechtungsrecht, Eigentümerbeschlüsse auf ihre Ordnungsgemäßheit hin überprüfen zu lassen (vgl. ebenso Wenzel, § 46 Rn. 32 mit Fn. 85). Vielmehr ist ein Verwalter gem. § 27 Abs. 1 Nr. 1 WEG grundsätzlich verpflichtet, auch fehlerhafte Beschlüsse auszuführen. Nach der Gesetzeslage und den Aufgaben- und Befugniskatalogen des § 27 WEG ist ein Verwalter im Wesentlichen darauf beschränkt, die Willensbildung der Gemeinschaft umzusetzen und die Gemeinschaft danach zu verwalten. Eine Befugnis des Verwalters, jedweden Beschluss, den er für rechtswidrig hält, anzufechten, passt hierzu nicht und schränkt die Eigentumsrechte der Miteigentümer übermäßig ein (vgl. auch zutreffend Jennißen/Suilmann § 46 Rn. 44–49).

  3. Hinsichtlich der Anfechtung des Verwalters zum Abmahnbeschluss gegen ihn wird seine eigene Rechtsstellung betroffen, sodass ihm auch ein Anfechtungsrecht gegen diesen Beschluss zusteht. Insoweit kann er sich auch gegen eine solche beschlossene Abmahnung zur Wehr setzen (ähnlich wie im Arbeitsrecht der Arbeitnehmer gegen unberechtigte Abmahnungen eines Arbeitgebers mit Klagebefugnis des Arbeitnehmers).

    Insoweit muss sich auch die Anfechtungsklage des Verwalters nicht gegen "alle" Wohnungseigentümer nach § 46 Abs. 1 WEG richten, wenn neben dem Verwalter noch weitere Mitglieder der Gemeinschaft auf Klägerseite stehen. Dies kann nicht zur Unbegründetheit seiner Klage wegen mangelhafter Passivlegitimation führen. Vielmehr ist in einem solchen Fall ebenfalls die Klage des Verwalters gegen die "Übrigen" – also die nicht klagenden Wohnungseigentümer – zu richten. Jedes andere Ergebnis würde zu nicht praktizierbaren Unzuträglichkeiten führen.

  4. Was die Anfechtung der anderen Balkoneigentümer betrifft, gehört deren Anfechtungsbefugnis zu den ursprünglichen und unabdingbaren Mitgliedschaftsrechten der Eigentümer.

    Der Mehrheitsbeschluss auf Rückbau bereits durchgeführter Sanierungsarbeiten an den klägerischen Balkonen wurde zu Recht vom Amtsgericht für ungültig erklärt. Ggf. ist insoweit nicht einmal von einer zustimmungspflichtigen baulichen Veränderung auszugehen, eher einer so geringfügigen Ausführungsänderung, die von vorneherein Rechte der übrigen Eigentümer nicht negativ tangieren kann. Die hier zum Rückbau verpflichteten Miteigentümer können des Weiteren nicht als Handlungsstörer...

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