Entscheidungsstichwort (Thema)

Rechtsschutzbegehren. Bewilligungszeitraum. Vermögenseinsatz. Sparvermögen. Lebensunterhalt. Grundsicherung. Berufung

 

Leitsatz (amtlich)

Ebenso wie für sozialhilferechtliche Hilfeempfänger der erhöhte Freibetrag nach § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG nur für eine Hilfe in der Werkstatt für Behinderte nach § 40 Abs. 2 BSHG gilt und nicht für eine gleichzeitig daneben zu leistende Hilfe zum Lebensunterhalt, gilt dieser Freibetrag auch für Grundsicherungsberechtigte nicht für einen neben der Hilfe in der Werkstatt für Behinderte geltend gemachten Grundsicherungsbedarf des Lebensunterhaltes.

 

Normenkette

VwGO § 86 Abs. 3, § 188 S. 2; BSHG § 88 Abs. 2 Nr. 8, Abs. 3; GGiG § 1 Nr. 2, §§ 2, 6

 

Verfahrensgang

VG Chemnitz (Urteil vom 07.10.2004; Aktenzeichen 5 K 1013/03)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 7. Oktober 2004 – 5 K 1013/03 – wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens vor dem Oberverwaltungsgericht.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin begehrt von dem Beklagten Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz.

Die am … geborene Klägerin hat einen Grad der Behinderung von 100 und ist der Pflegestufe II zugeordnet; ihre Eltern sind seit 6.11.2001 zu ihren Betreuern bestellt. Die Klägerin erhält Leistungen zur Teilhabe in dem Arbeitsbereich einer anerkannten Werkstatt für behinderte Menschen i.S.v. § 41 SGB IX.

Mit Schreiben vom 17.3.2003 beantragten die Betreuer für die Klägerin Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz. Dabei teilten sie mit, dass sie den Antrag bereits am 17.12.2002 hätten stellen wollen. Eine Mitarbeiterin des Beklagten habe ihnen jedoch mitgeteilt, dass ein Antrag keine Erfolgsaussicht habe, weil das damalige Sparguthaben der Klägerin in Höhe von 15.788, 99 EUR den einschlägigen Freibetrag überschreite. Einem Zeitungsartikel hätten sie nunmehr entnommen, dass das Bundesministerium für Arbeit und Soziales einen erhöhten Freibetrag von 25.308,00 EUR befürworte, soweit der Grundsicherungsberechtigte eine Beschäftigung in der Werkstatt für behinderte Menschen ausübe.

Der Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 9.5.2003 ab und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, die Klägerin könne ihren Lebensunterhalt mit ihrem Vermögen von inzwischen 17.258,00 EUR selbst sichern, da der maßgebliche Freibetrag von 2.301,00 EUR überschritten werde.

Den von den Betreuern der Klägerin hiergegen am 14.5.2003 eingelegten Widerspruch hat der Beklagte mit Bescheid vom 27.6.2003 zurückgewiesen. Dabei hat er darauf abgehoben, dass die Klägerin ihr Vermögen abzüglich des Barbetrages von 2.301,00 EUR für ihren Lebensunterhalt einsetzen müsse, weil der erhöhte Freibetrag von 23.010,00 EUR nach § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG nicht zur Anwendung komme. Leistungen nach dem Grundsicherungsgesetz dienten nur der Deckung des Lebensunterhaltes und seien nicht im Rahmen der Eingliederungshilfe oder der Hilfe in besonderen Lebenslagen zu gewähren. Der Widerspruchsbescheid wurde den Betreuern am 1.7.2003 zugestellt.

Die von der Klägerin am 23.7.2003 dagegen erhobene Klage mit der sie – wörtlich – beantragt hat, unter Aufhebung des Bescheids vom 9.5.2003 und des Widerspruchsbescheids vom 27.6.2003 den Beklagten zu verpflichten, ihr Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu gewähren, hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 7.10.2004 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Klägerin könne ihren Lebensunterhalt aus eigenem Vermögen beschaffen. Der erhöhte Freibetrag nach § 88 Abs. 3 Satz 3 BSHG sei nicht anwendbar. Sinn und Zweck der Regelung sei, die Arbeitsmotivation zu stärken und zu vermeiden, dass Vermögen für die Bezahlung der Werkstättenentschädigung aufgebraucht werde. Auch wegen ihres Wortlauts sei die Regelung deshalb nur bei einer Eingliederungshilfe anzuwenden, dagegen nicht bei Leistungen zur Deckung des Lebensunterhaltes. Die Berufung gegen das Urteil wurde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

Die Klägerin hat gegen das ihr am 2.11.2004 zugestellte Urteil am 30.11.2004 Berufung eingelegt und sie am 3.1.2005 (Montag) im Wesentlichen unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens begründet.

Sie beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 7. Oktober 2004 – 5 K 1013/03 – zu ändern und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 9.5.2003 und des Widerspruchsbescheides vom 27.6.2003 zu verpflichten, ihr für den Zeitraum vom 1.1.2003 bis 30.6.2004 Leistungen nach dem Gesetz über eine bedarfsorientierte Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Zur Begründung bekräftigt er im Wesentlichen sein erstinstanzliches Vorbringen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegende Akte des Verwaltungsgerichts Chemnitz – 5 K 1013/03 –, die Behördenakte des Beklagten (ein Band) sowie die Akte des Berufungsverfahrens – 4 B 979/04 – ...

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