Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Eingliederungsvereinbarung. öffentlich-rechtlicher Vertrag. Kündigung wegen wesentlicher Änderungen. Wegfall der Hilfebedürftigkeit durch Rechtsänderung. keine darlehensweise Weiterförderung gem § 16 Abs 4 SGB 2. Förderung der beruflichen Weiterbildung. leistungsbegründendes Ereignis gem § 324 SGB 3. Antritt der Weiterbildungsmaßnahme. unbillige Härte. Notwendigkeit der Weiterbildung. Prognoseentscheidung. Zuständigkeitswechsel

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 SGB 2 ist ein subordinationsrechtlicher öffentlich-rechtlicher Vertrag im Sinne von §§ 53ff SGB 10.

2. Der Wegfall der Hilfebedürftigkeit stellt eine wesentliche Änderung dar, der die Anpassung oder Kündigung einer Eingliederungsvereinbarung rechtfertigt.

3. § 59 SGB 10 findet keine Anwendung, wenn eine Rechtsänderungen direkt in einen bestehenden Vertrag eingreift. Die Anhebung der Altersgrenze in § 7 Abs 3 Nr 2 SGB 2 zum 1.7.2006 stellte keine solche Rechtsänderung dar.

4. Die Darlehensregelung des § 16 Abs 4 SGB 2 ist im Sinne einer teleologischen Reduktion restriktiv als subsidiäre Regelung zu begreifen, die nur dann zum tragen kommt, wenn kein Anspruch gegenüber einem anderen Leistungsträger auf die begehrte zuschussweise Förderung besteht.

5. Nach einer Kündigung einer Eingliederungsvereinbarung gemäß § 15 SGB 2 durch die zuständige SGB 2-Behörde kann ein Anspruch auf zuschussweise Weiterförderung der Eingliederungsmaßnahme gemäß §§ 77ff SGB 3 gegenüber der Bundesagentur für Arbeit bestehen.

6. Als leistungsbegründendes Ereignis im Sinne von § 324 Abs 1 S 1 SGB 3 ist regelmäßig das Ereignis anzusehen, das als zuletzt eintretendes Ereignis den Leistungsfall auslöst. Bei Leistungen der aktiven Arbeitsförderungen ist dies in der Regel das Ereignis, das erst den unmittelbaren Leistungsfall auslöst und den Anfall der Kosten bewirkt, die die Agentur für Arbeit übernehmen soll. Bei einem Anspruch auf Übernahme der Weiterbildungskosten ist der Antritt der Weiterbildungsmaßnahme das bedarfsauslösende Ereignis.

7. Zum Vorliegen einer unbilligen Härte im Sinne von § 324 Abs 1 S 2 SGB 3.

8. Die von der SGB 2-Behörde vor dem Abschluss der Eingliederungsvereinbarung getroffene Prognoseentscheidung in Bezug auf die Notwendigkeit der Weiterbildung wird nach der Kündigung der Eingliederungsvereinbarung im Falle eines Zuständigkeitswechsels der Bundesagentur für Arbeit zugerechnet.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 06.12.2012; Aktenzeichen B 11 AL 15/11 R)

 

Tenor

I. Das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 6. Mai 2009 wird aufgehoben. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 28. September 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Februar 2007 verurteilt, an den Kläger für die Kosten seiner Weiterbildung zum CNC-Fräser vom 1. Oktober 2006 bis 21. Dezember 2006 einen Betrag in Höhe von 2.408,64 EUR zu zahlen.

II. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers in beiden Instanzen zu tragen. Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nicht erstattungsfähig.

III. Die Revision wird zugelassen

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob der Kläger gegen die beklagte Bundesagentur für Arbeit oder den beigeladenen Landkreis als zugelassenen kommunaler Träger nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) einen Anspruch auf Tragung der Weiterbildungskosten in Form eines Zuschusses ab dem 1. Oktober 2006 für eine vom 24. April 2006 bis zum 21. Dezember 2006 dauernde Bildungsmaßnahme hat. Der Kläger hatte diese Maßnahme aufgrund einer Eingliederungsvereinbarung, die von der Vorgängerin des beigeladenen Landkreises wegen des Wegfalls der Hilfebedürftigkeit gekündigt wurde, begonnen.

Der am … 1986 geborene, ledige Kläger, wohnte im Jahr 2006 in der Wohnung seiner Eltern. Er verfügt über einen Realschulabschluss und absolvierte von September 2002 bis Januar 2006 eine Ausbildung zum Werkzeugmechaniker der Fachrichtung Formbau. In der Zeit von Februar 2002 bis März 2004 nahm er am Bildungswerk der Sächsischen Wirtschaft e. V. an den Lehrgängen “Grundlagen der Steuerungstechnik„, “Grundlagen Schweißen Autogen/MAG mit Erwerb des Schweißerpaß„, “Grundlagen der Wärmebehandlung von Stahl„ und “Grundlagen der CNC-Bearbeitung„ teil. Zum Wehrdienst wurde er nicht herangezogen.

Die Agentur für Arbeit K… bewilligte dem Kläger, der seit 18. Januar 2006 arbeitslos war, mit Bescheid vom 20. Januar 2006 Arbeitslosengeld für die Zeit vom 18. Januar 2006 bis zum 16. Januar 2007. Daneben bewilligte der Landkreis K…, der zugelassener kommunaler Träger war, dem Kläger als Ein-Personen-Bedarfsgemeinschaft mit Bescheid vom 2. Februar 2006 Arbeitslosengeld II für die Zeit vom 24. Januar 2006 bis zum 31. Juli 2006. Hierzu erging unter dem 21. März 2007 ein Änderungsbescheid, mit dem die Leistungsbeträge erhöht wurden.

Bereits vor dem Beginn seiner Arbeitslosigkeit bewarb sich der Kläger bei Betrieben. Vom 13. Februar 2006 bi...

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