Entscheidungsstichwort (Thema)

Entgeltpunkte für Kindererziehung im Recht der gesetzlichen Rentenversicherung. Verfassungsmäßigkeit der Regelungen in § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 und in § 307d SGB 6

 

Orientierungssatz

1. § 70 Abs 2 S 2 SGB 6 bewirkt keine verfassungswidrige Ungleichbehandlung (vgl BVerfG vom 29.8.2007 - 1 BvR 858/03 = BVerfGK 12, 81).

2. Auch im Hinblick auf den in § 307d SGB 6 geregelten Zuschlag an persönlichen Entgeltpunkten für Kindererziehung ist eine verfassungswidrige Ungleichbehandlung nicht ersichtlich.

 

Leitsatz (amtlich)

Zum Zusammentreffen von Pflichtbeiträgen wegen Beschäftigung mit Kindererziehungszeiten.

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Dresden vom 13. April 2017 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Zwischen den Beteiligten ist die Berücksichtigung höherer Entgeltpunkte für Kindererziehungszeiten neben gleichzeitigen Pflichtbeitragszeiten für eine pflichtversicherte Beschäftigung streitig.

Die 1949 geborene Klägerin ist Mutter ihrer 1971 und 1975 geborenen Kinder.

Auf ihren Antrag bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 3.2.2015 der Klägerin Regelaltersrente ab 1.11.2014. Der monatliche Zahlbetrag belief sich auf 1.115,50 € bei einer Nachzahlung in Höhe von 3.355,00 €. Bei der Rentenberechnung berücksichtigte die Beklagte den Zeitraum vom 1.5.1971 bis 30.4.1973 und den Zeitraum vom 1.1.1976 bis 31.12.1977 als Zeiten der Kindererziehung. Der Rentenberechnung lagen 47,2552 persönliche Entgeltpunkte (Ost) zugrunde, wobei 1,9381 Entgeltpunkte (Ost) auf Kindererziehungszeiten entfielen. Dabei berücksichtigte die Beklagte für jeden Monat der Kindererziehungszeiten 0,0833 Entgeltpunkte. In dem streitigen Zeitraum vom 1.6.1971 bis 30.4.1973 und vom 1.3.1976 bis 30.11.1977 kam es zu einer Überschreitung der Höchstwerte an Entgeltpunkten, die ein Versicherter, dessen beitragspflichtige Einnahmen die Betragsbemessungsgrenzen erreichten, erzielen kann. Die Beklagte begrenzte daher die zu berücksichtigenden Entgeltpunkte, die sich für Kindererziehungszeiten neben Pflichtbeitragszeiten für eine versicherte Beschäftigung in den Monaten Juni 1971 bis April 1973 und März 1976 bis November 1977 ergaben, auf die Höchstbeträge der Anlage 2b zum Sechsten Buch Sozialgesetzbuch (SGB VI), so dass für diese Zeiten die zusätzlichen Entgeltpunkte für Zeiten der Kindererziehung von monatlich 0,0833 Entgeltpunkten reduziert wurden.

Hiergegen legte die Klägerin am 29.4.2015 bei der Beklagten Widerspruch ein, mit dem sie sich gegen die Begrenzung der Entgeltpunkte für Zeiträume des Zusammentreffens von Kindererziehungszeiten und versicherungspflichtiger Beschäftigung unter Bezugnahme auf einen Beschluss des Sozialgerichts Neubrandenburg (S 4 RA 152/03) wandte.

Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 14.8.2015 zurück. Nach der Rechtsprechung sei die Begrenzung auf die Werte der Anlage 2b zum SGB VI verfassungsgemäß.

Hiergegen hat die Klägerin am 31.8.2015 Klage zum Sozialgericht Dresden erhoben. Sie hat im Wesentlichen ausgeführt, dass eine Ungleichbehandlung verschiedener Personengruppen, die dazu führe, dass sich Kindererziehungszeiten nicht bei allen Versicherten in gleicher Weise günstig auf die Rente auswirkten, mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Artikels 3 Abs. 1 GG nicht zu vereinbaren wäre. § 70 Abs. 2 SGB VI i. V. m. der Anlage 2b zum SGB VI sei entsprechend dieser Maßstäbe mit diesem Grundsatz unvereinbar. Die Kindererziehungsleistung, die für das umlagefinanzierte System Rentenversicherung von konstitutiver Bedeutung sei ("Generationsvertrag"), als weitere von der Beitragszahlung unabhängige und eigenständige Vorleistung sei mangels Entgeltcharakter und daraus resultierender Beitragszahlung für die Beitragsbemessungsgrenze nicht relevant. Die Werte der Anlage 2b zum SGB VI seien nicht die Beitragsbemessungsgrenze, sondern nur der Beitragsbemessungsgrenze nachgebildet. Sinn der Beitragsbemessungsgrenze sei es, eine Obergrenze für die der Beitragspflicht unterliegenden Entgelte zu schaffen. Damit korrespondiere, dass entsprechend der Höhe der beitragspflichtigen Entgelte, die in der jeweils geltenden Beitragsbemessungsgrenze ihre Höchstgrenze fänden, nur daraus die Entgeltpunkte für die Höhe des Rentenanspruches zu ermitteln seien. Die Vorleistung sei also die Beitragszahlung, die Gegenleistung der daraus resultierende Rentenanspruch. Träte nun zu der Vorleistung der Beitragszahlung eine weitere Vorleistung in Form der generativen Leistung der Kindererziehung hinzu, erschließe es sich nicht, warum diese weitere Form der Vorleistung bei der Ermittlung der Gesamtentgeltpunkte auf einen Wert begrenzt werden müsse, der der Beitragsbemessungsgrenze nur aus der Beitragsleistung entspreche. Beitragszahlungen und Kindererziehungen seien als Vorleistungen gerade nicht gleichartig, weshalb ihre Begrenzung auf einen Leistungshöchstwert, hinter dem ...

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