Entscheidungsstichwort (Thema)

Grundsicherung für Arbeitsuchende. Festsetzung von Mahngebühren. Verwaltungsakt. Beauftragung gem § 88 SGB 10. Vollstreckung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Festsetzung von Mahngebühren stellt einen Verwaltungsakt dar.

 

Orientierungssatz

Die Bundesagentur für Arbeit, die für eine Arbeitsgemeinschaft (ARGE) gem § 44b SGB 2 Forderungen nach § 88 Abs 1 S 1 SGB 10 einzieht, muss im Namen der ARGE gem § 89 Abs 1 SGB 10 auftreten und darf nicht selbst über einen Widerspruch des Hilfesuchenden entscheiden.

 

Tenor

I. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des SG Leipzig vom 26.05.2009 wird zurückgewiesen.

II. Die Beklagte hat dem Kläger seine außergerichtlichen Kosten auch für das Berufungsverfahren zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen die Erhebung von Mahngebühren durch die Beklagte.

Die nach § 44b Zweites Buch Sozialgesetzbuch (SGB II) errichtete Arbeitsgemeinschaft L. (im Folgenden: ARGE) hob gegenüber dem Kläger mit einem Bescheid vom 02.08.2007 frühere Leistungsbewilligungen nach dem SGB II (3.266,30 € Regelleistung und 2.619,95 € Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum September 2005 bis Januar 2007) auf und machte ihm gegenüber eine Erstattungsforderung in Höhe von 5.886,25 € geltend. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger keinen Widerspruch ein. Anschließend übergab die ARGE die Forderung der Regionaldirektion (RD) Sachsen der beklagten Bundesagentur für Arbeit zur Einziehung.

Die Beklagte betreibt auf der Grundlage einer Verwaltungsvereinbarung den Einzug von Forderungen für die ARGE. Hierzu gehören ausweislich § 1 der vorliegend maßgeblichen “Verwaltungsvereinbarung zur Erbringung von Dienstleistungen 2007„ vom 02./03. Januar 2007 i.V.m. dem dort in Bezug genommenen Dienstleistungskatalog sämtliche Aufgaben, die für die Durchführung des Einziehungsverfahrens notwendig werden. In § 3 der Verwaltungsvereinbarung ist geregelt:

“Fakultative Dienstleistungen der BA für die Arbeitsgemeinschaft L.

Dienstleistungen, die nicht den Voraussetzungen des § 2 entsprechen, werden im Dienstleistungskatalog als fakultative Dienstleistungen bezeichnet. Die Arbeitsgemeinschaft L. kann diese Dienstleistungen der BA in Anspruch nehmen. Die Dienstleistungen sind im gewählten Umfang dieser Vereinbarung als Anlage beigefügt.„

Ausweislich der vorgelegten Aufstellung nimmt die ARGE die Dienstleistung Forderungseinzug in Anspruch. Diese Dienstleistung wird im Katalog beschrieben:

Mit Schreiben vom 03.08.2007 forderte die Beklagte den Kläger zur Zahlung des von der ARGE geltend gemachten Erstattungsbetrages auf. Mit einer weiteren, mit “Mahnung„ überschriebenen Mitteilung vom 14.10.2007 teilte die Beklagte dem Kläger Folgendes mit:

“Sie haben folgende Zahlungsverpflichtung/en:

Forderung: Mahngebühren

29,70 €

Bescheid: 14.10.07 RD Sachsen

Forderung: Arbeitslosengeld II - Regelleistung

 3.266,30 €

Bescheid: 02.08.07 ARGE L., Stadt

Forderung: Leistungen für Unterkunft und Heizung

 2.619,95 €

Bescheid: 02.08.07 ARGE L., Stadt

Summe: (…)

 5.915,95 €

Fälligkeit der Forderung:

sofort einschließlich Mahngebühren

 5.915,95 €.„

Gegen die Mahnung erhob der Kläger mit einem bei der Beklagten am 29.10.2007 eingegangenen Schreiben Widerspruch und teilte mit, dass im Vertrauen auf den Bestand der Leistungen diese verbraucht worden seien. Der ihr zugesandte Widerspruch sei auch den Bearbeitern der ARGE zugesandt worden.

Den Widerspruch verwarf die Widerspruchsstelle der beklagten Bundesagentur mit Widerspruchsbescheid vom 08.01.2008, abgesandt am 09.01.2008, mit der Begründung als unzulässig, dass die Mahnung kein Verwaltungsakt, sondern eine bloße Verwaltungsäußerung sei. Die eigentliche Entscheidung, die Rechtswirkung nach außen entfalte, sei der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid der ARGE vom 02.08.2007. Hinsichtlich der Mahnung fehle es an der notwendigen Beschwer durch einen Verwaltungsakt.

Mit der am 12.02.2008 beim Sozialgericht (SG) Leipzig erhobenen Klage wendet sich der Kläger gegen die Festsetzung von Mahngebühren. Die Festsetzung von Mahngebühren sei jedenfalls dann als anfechtbarer Verwaltungsakt zu betrachten, wenn die festsetzende Behörde nicht gesetzlich ermächtigt sei, die Vollstreckung der gegenständlichen Hauptforderung vorzunehmen. Dies sei vorliegend der Fall, da § 44b Abs. 3 Satz 1 SGB II der ARGE die Aufgaben der Agentur für Arbeit nach dem SGB II zuweise. Die in der Verwaltungsvereinbarung zu sehende Redelegation sei von der gesetzlichen Zuständigkeitsregelung nicht gedeckt.

Die Beklagte hat erstinstanzlich die Auffassung vertreten, dass keine Bedenken bestünden, dass im Wege der Arbeitsteilung eine an der ARGE beteiligte juristische Person die Forderungsbeitreibung durchführe. Die Aufgabenwahrnehmung sei durch § 88 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gedeckt.

Das SG Leipzig hat mit Urteil vom 26.05.2009 den Bescheid der Beklagten vom 14.10.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.01.2008 aufgehoben, soweit Mahngebühren in Höhe von 29,70...

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