Entscheidungsstichwort (Thema)

Gesetzliche Unfallversicherung. Berufskrankheit gem BKV Anl 1 Nr 2108. bandscheibenbedingte Erkrankung der Lendenwirbelsäule. haftungsbegründende Kausalität. berufliche Einwirkungen. zeitliche Korrelation. Konsensempfehlungen. Konstellation B 2, 2. Anstrich. Konstellation B 2, 1. Anstrich. Höhenminderung und/oder Prolaps an mehreren Bandscheiben. altersuntypische Höhenminderung. Schiffskoch

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine plausible zeitliche Korrelation zwischen den beruflichen Einwirkungen des Klägers und der Entwicklung der bandscheibenbedingten Erkrankung der Lendenwirbelsäule (LWS) setzt nach den Konsensempfehlungen (Trauma und Berufskrankheit, 2005, S 211, 216) voraus, dass eine ausreichende Exposition der Erkrankung vorausgehen muss. Die Erkrankung muss im Vollbeweis nachweisbar sein. Eine zweimalige Behandlung wegen Ischialgie allein beweist noch nicht das Vorliegen einer bandscheibenbedingten Erkrankung der LWS.

2. Angesichts der vom BSG (vgl BSG vom 30.10.2007 - B 2 U 4/06 R = BSGE 99, 162; vgl BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/07 R = SGb 2009, 32; vgl BSG vom 18.11.2008 - B 2 U 14/08 R = UV-Recht Aktuell 2009, 287) vorgenommene Halbierung des Richtwertes für die Gesamtbelastungsdosis von 25 MNh auf 12,5 MNh ist dieser Wert auch im Rahmen des zweiten Anstrichs der Konstellation B2 der Konsensempfehlungen anzusetzen.

Dies gilt umso mehr, als die Verfasser der Konsensempfehlungen in die Konstellation B 2, 2. Anstrich, bewusst, anders als in die Konstellation B 2, 3. Anstrich, gerade keinen festen Wert, sondern den jeweils maßgeblichen "Richtwert" aufgenommen haben. Zudem bezieht sich der 2. Anstrich der Fallkonstellation B 2 nicht auf das MDD, um auch bei einer Überschreitung des Richtwerts der Lebensdosis nach anderen Modellen die Konstellation bejahen zu können.

Zudem beinhalten die Konsensempfehlungen keine Regelung, nach der der maßgebliche Zehn-Jahres-Zeitraum in einem bestimmten Abschnitt des Erwerbslebens liegen muss. Daher ist jeder Zehn-Jahres-Zeitraum, in dem der Richtwert für die Lebensdosis überschritten wird, maßgeblich.

3. Die Konstellation B 2, 1. Anstrich (1. Alternative) der Konsensempfehlungen ist zu bejahen, wenn bei einem Unter-Fünfzig-Jährigen eine Chondrose II. Grades und ein Bandscheibenvorfall an einem Segment der unteren LWS (hier: L4/5) und eine Chondrose I. Grades an einem anderen Segment der unteren LWS (hier: L5/S1) vorliegen, weil nach den Konsensempfehlungen eine Chondrose I. Grades bei einem Unter-Fünfzig-Jährigen altersuntypisch ist.

Für das Vorliegen einer B2-Konstellation im Sinne der Konsensempfehlungen ist Voraussetzung

"- Lokalisation: Die bandscheibenbedingte Erkrankung betrifft L 5/S1 und/oder L4/L5

 - Ausprägung des Bandscheibenschadens: Chondrose Grad II oder höher und/oder Vorfall".

Die bandscheibenbedingte Erkrankung, die das Eingangskriterium für eine B2-Konstellation bildet, ist die Chondrose II. Grades und der Bandscheibenvorfall an einem Segment der unteren LWS.

Eine Chondrose II. Grades muss bei einem Unter-Fünfzig-Jährigen nicht auch am zweiten Segment vorliegen, weil im 1. Anstrich der Konstellation B 2 lediglich eine nicht näher beschriebene "Höhenminderung und/oder (ein) Prolaps an mehreren Bandscheiben" gefordert wird. Notwendig ist allerdings eine "altersuntypische" Höhenminderung (Konsensempfehlungen, aaO, Übersicht 1, S 214, 216).

 

Tenor

I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Leipzig vom 29.08.2007 und der Bescheid der Beklagten vom 27.06.2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.01.2001 aufgehoben. Es wird festgestellt, dass beim Kläger seit 01.01.2000 eine Berufskrankheit der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung vorliegt.

II. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten des Klägers für beide Instanzen.

III. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über das Vorliegen einer Berufskrankheit der Nr. 2108 der Anlage zur Berufskrankheitenverordnung (BK-Nr. 2108 BKV).

Der 1956 geborene Kläger erlernte von 1972 bis 1974 den Beruf des Kochs und war hiernach bis zum 31.12.1999 im erlernten Beruf, u. a. als Schiffskoch, tätig.

Aufgrund der CT-Untersuchung vom 13.01.1999 (Bl. 32 VA) und der MRT-Untersuchung vom 11.03.1999 wurden ein Bandscheibenvorfall im Segment L4/5 und eine Bandscheibenprotrusion am Segment L5/S1 gesichert.

Der Kläger beantragte am 26.10.1999 die Anerkennung seiner Erkrankung als Berufskrankheit bei der Beklagten. Der Technische Aufsichtsdienst der Beklagten (TAD) schätzte am 12.04.2000 ein, der Kläger sei während seines Berufslebens keiner ausreichenden Exposition im Sinne der BK-Nr. 2108 BKV ausgesetzt gewesen.

Dr. W.., Amt für Strahlenschutz und technische Sicherheit Stralsund - Gesundheitsamt -, äußerte am 16.05.2000, ausweislich der Stellungnahme des TAD der Beklagten lägen beim Kläger bereits keine ausreichenden Einwirkungen im Sinne der BK-Nr. 2108 BKV vor. Daher sei eine derartige Berufskrankheit nicht gegeben.

Die Beklagte...

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