Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsförderung. Versicherungspflicht. Bundesfreiwilligendienst. kein Arbeitsverhältnis. versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis. Förderung aus dem Vermittlungsbudget. Notwendigkeit für die berufliche Eingliederung. Reisekosten und Fahrkosten zur Aufnahme des Bundesfreiwilligendienstes. Arbeitsentgelt. Eingliederungsvereinbarung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zwischen einem Freiwilligen, der im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes tätig ist, und der Einsatzstelle, in der er seinen Dienst leistet, besteht kein Arbeitsverhältnis.

2. Zwischen einem Freiwilligen, der im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes tätig ist, und der Einsatzstelle, in der er seinen Dienst leistet, besteht ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis.

3. Die Versicherungspflicht eines im Bundesfreiwilligendienst tätigen Freiwilligen folgt nicht aus § 25 Abs 1 Satz 1 SGB III, sondern ergibt sich aus § 27 Abs 2 Satz 2 Nr 1 SGB III.

4. Eine Förderung aus dem Vermittlungsbudget ist jedenfalls nicht bereits dann notwendig im Sinne von § 45 Abs 1 Satz 1 SGB III aF, wenn die Förderung lediglich in irgendeiner Weise für die berufliche Eingliederung sachdienlich oder wünschenswert ist.

 

Normenkette

SGB III § 44 Abs. 1, § 25 Abs. 1 S. 1, § 27 Abs. 2 S. 2 Nr. 1, § 37; SGB IV § 7 Abs. 1; BFDG § 1 S. 1, § 4 Abs. 2, § 6 Abs. 1 S. 1

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 12.12.2017; Aktenzeichen B 11 AL 26/16 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichtes Chemnitz vom 9. Oktober 2014 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die außergerichtlichen Kosten der Klägerin sind nicht zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Beklagte wendet sich gegen ihre Verurteilung, die Klägerin aus dem Vermittlungsbudget in Gestalt der Erstattung von Reisekosten zu einem Vorstellungsgespräch und von Fahrkosten für Pendelfahrten anlässlich ihrer Tätigkeit im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes zu fördern.

Die 1964 geborene, damals arbeitslose Klägerin schloss mit der Agentur für Arbeit am 26. Oktober 2010 eine Eingliederungsvereinbarung ab, die am 7. April 2011 fortgeschrieben wurde (vgl. S. 3 des Widerspruchsbescheides vom 23. August 2011 sowie Blatt 45, 46 und 101 bis 103 der Verwaltungsakte). Die Vereinbarung hatte eine Geltungsdauer bis zum 22. Oktober 2011. Als Ziel wurde die Aufnahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung als Industriekauffrau im regionalen Bereich vereinbart. Die Klägerin verpflichtete sich unter anderem, sich initiativ im gesamten Tagespendelbereich als Industriekauffrau, alternativ als Bürohilfskraft, zu bewerben.

Am 11. August 2011 beantragte die Klägerin die Gewährung einer Förderung aus dem Vermittlungsbudget. Sie hatte sich für eine Stelle im Rahmen des Bundesfreiwilligendienstes bei der EKA E... Klinikum Z... gGmbH beworben. Hierfür begehrte sie die Erstattung der Kosten für eine schriftliche Bewerbung in Höhe von 5,00 EUR und von Reisekosten für das Vorstellungsgespräch am 29. August 2011 in Höhe von 6,00 EUR für eine Hin- und Rückfahrt von 30 km. Der Bundesfreiwilligendienst dauerte vom 1. September 2011 bis zum 28. Februar 2013.

Am 18. August 2011 beantragte die Klägerin ferner die Erstattung der Fahrkosten in Gestalt einer Monatskarte zur Benutzung eines öffentlichen Verkehrsmittels (Bus) in Höhe von 73,00 EUR, eines Zuschusses zu Benzinkosten, zu den Kosten für einen Autokauf, für die Versicherung, für die Zulassung, für Steuern und für Reparatur (insgesamt 4.641,29 EUR für die Zeit vom 1. September 2011 bis zum 28. Februar 2013) sowie die Erstattung von Fahrkosten "zum Bus früh von J... - Thum/Markt".

Am 20. Juli 2011 unterschrieb die Klägerin die Vereinbarung mit der Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch das Bundesamt für Familie und zivilgesellschaftliche Aufgaben, über die Ableistung eines Bundesfreiwilligendienstes. Danach leistete sie den Freiwilligendienst in der EKA E... Klinikum Z... gGmbH ab. Der Dienst dauerte vom 1. September 2011 bis zum 28. Februar 2013. Die wöchentliche Arbeitszeit betrug 30 Stunden, die Regelarbeitszeit bei Teilzeit 40 Stunden.

Die beiden Anträge lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 5. September 2011 unter dem Betreff "Förderung aus dem Vermittlungsbudget - Reisekosten zum Vorstellungsgespräch am 29.08.2011 und Fahrkosten für Pendelfahrten ab 01.09.2011" ab. Zwar liege beim Bundesfreiwilligendienst eine Versicherungspflicht vor. Jedoch handle es sich nicht um eine Beschäftigung im Sinne von § 7 des Sozialgesetzbuches Viertes Buch - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (SGB IV).

Die Klägerin legte mit Schreiben vom 30. September 2011 Widerspruch unter anderem gegen den Bescheid vom 5. September 2011 ein. Hinsichtlich der Fahrkosten für die

Pendelfahrten ab dem 1. September 2011 teilte sie mit, dass sie nur drei Tage gearbeitet habe und sich seit dem 6. September im Krankenstand befinde. Der Bundesfreiwilligendienst werde in allen sozialen Belangen (z. B... Kranken- und Rentenversicherung) so abgerechn...

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