Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialversicherungspflicht bzw -freiheit. Bürokraft. Teilzeitbeschäftigung. geringfügige Beschäftigung. Begrenzung. Auslegung von § 8 Abs 1 Nr 2 SGB 4

 

Orientierungssatz

Zum Leitsatz vgl BSG vom 27.1.1971 - 12 RJ 118/70 = BSGE 32, 182 = SozR Nr 58 zu § 1248 RVO).

 

Leitsatz (amtlich)

Die Grenze von 50 Tagen in § 8 Abs 1 Nr 2 SGB IV in der vom 1.4.2003 bis 31.12.2012 gültigen Fassung gilt nur, wenn die Arbeit in der Woche jeweils nur für maximal vier Tage verrichtet wird. Wird die Arbeit hingegen an fünf oder sechs Tagen in der Woche ausgeübt, ist die Zweimonatsgrenze heranzuziehen. Dies ergibt sich - auch nach der einhelligen Kommentarliteratur zu § 8 SGB IV - aus der zu § 1228 Abs 2 RVO ergangenen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts. Allein diese Sichtweise lässt eine sinnvolle Abgrenzung der beiden Zeiträume zu.

 

Nachgehend

BSG (Urteil vom 24.11.2020; Aktenzeichen B 12 KR 34/19 R)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. April 2013 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 2.726,50 Euro festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Festsetzung von Sozialversicherungsbeiträgen im Rahmen einer Betriebsprüfung.

Die am ... Dezember 1990 geborene Beigeladene zu 3 war in der Zeit vom 1. Juli 2010 bis 7. September 2010 in der klagenden Rechtsanwaltskanzlei "als Teilzeitarbeitnehmer für die Tätigkeit als Bürokraft" beschäftigt (§ 1 des Rahmenarbeitsvertrages für eine kurzfristige Beschäftigung). Der Rahmenarbeitsvertrag betraf "eine kurzfristige Beschäftigung im Kalenderjahr 2010 mit maximal 50 Arbeitstagen", die sich auf den genannten Zeitraum beschränkte. Nach § 2 des Rahmenarbeitsvertrages betrug die Vergütung 14,00 EUR pro Stunde. Die Arbeitszeit richtete sich gemäß § 3 des Rahmenarbeitsvertrages nach den betrieblichen Erfordernissen. Zur Aufnahme weiterer Beschäftigungen bestimmte § 4 des Rahmenarbeitsvertrages:

"1. Der Arbeitnehmer sichert zu, dass keine weiteren sozialversicherungsfreien und sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungen ausgeübt werden und noch keine kurzfristige Beschäftigung über 50 Arbeitstage im Kalenderjahr 2010 ausgeübt wurde.

2. Der Arbeitnehmer verpflichtet sich, dem Arbeitgeber unverzüglich die Aufnahme einer weiteren Beschäftigung schriftlich anzuzeigen.

3. Bei Verstoß gegen die obigen Pflichten oder bei unrichtiger Beantwortung der Fragen behält sich der Arbeitgeber vor, Schadensersatz geltend zu machen."

Das Arbeitsverhältnis sollte automatisch mit Ablauf des Kalenderjahres 2010 enden (§ 5 des Rahmenarbeitsvertrages). Unter "§ 6 Verfallsfristen" war ausgeführt:

"Alle Ansprüche, die sich aus dem Arbeitsverhältnis ergeben, sind von den Vertragsschließenden binnen einer Frist von drei Monaten seit ihrer Fälligkeit schriftlich geltend zu machen und im Falle der Ablehnung binnen einer Frist von drei Monaten ab Zugang der Ablehnung und im Falle des Schweigens auf die Geltendmachung binnen einer Frist von sechs Monaten ab Fälligkeit einzuklagen."

Der Beschäftigungszeitraum lag zwischen dem Ende der Schulzeit der Beigeladenen zu 3 und dem Beginn ihres Studiums. Neben dem von der Beigeladenen zu 3 am 22. September 2010 ausgefüllten "Fragebogen für geringfügig entlohnte und kurzfristig Beschäftigte für das Jahr 2010" lag der Beklagten eine Stundenaufstellung vor. Danach arbeitete die Beigeladene zu 3 an 49 Tagen insgesamt 500 Stunden. Bei einem stündlichen Arbeitsentgelt von 14,00 EUR erzielte sie insgesamt ein Arbeitsentgelt von 7.000,00 EUR.

Am 19. Juni 2012 führte die Beklagte bei der Klägerin eine Betriebsprüfung durch, welche den Prüfzeitraum vom 1. Januar 2008 bis 31. Dezember 2011 betraf. Im Rahmen der Schlussbesprechung am 19. Juni 2012 wies die Beklagte die Klägerin darauf hin, die Tätigkeit der Beigeladenen zu 3 habe nicht den Voraussetzungen von § 8 Abs. 1 Nr. 2 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) entsprochen. Bereits bei Beginn der Beschäftigung sei ersichtlich gewesen, dass der Zweimonatszeitraum überschritten würde. Werde die Beschäftigung - wie hier - an mindestens fünf Tagen in der Woche ausgeübt, müsse vom Zweimonatszeitraum ausgegangen werden. Der Zeitraum von 50 Arbeitstagen sei nur dann maßgeblich, wenn die Beschäftigung regelmäßig weniger als fünf Tage in der Woche ausgeübt werde (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 27. Januar 1971 - 12 RJ 118/70). Somit sei mit Beginn der Beschäftigung der Beigeladenen zu 3 Versicherungspflicht eingetreten. Die Beiträge zur Sozialversicherung würden nachgefordert.

Mit Bescheid vom 6. Juli 2012 setzte die Beklagte unter Wiederholung ihrer Argumentation in der Schlussbesprechung eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von 2.726,50 EUR fest. Hinsichtlich der Berechnung der Nachforderung wird auf Blatt I 9 der Verwaltungsakte der Beklagten verwiesen.

Hiergegen legte die...

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