Entscheidungsstichwort (Thema)

Krankenversicherung. Beitragspflicht. Werbeprämie. Zeitungszusteller. Abonnentenwerbung. einheitliches Beschäftigungsverhältnis. Zahlung durch Dritten und steuerrechtliche Behandlung ist unerheblich

 

Leitsatz (amtlich)

1. An Zeitungszusteller gezahlte Prämien für die Werbung neuer Abonnenten sind jedenfalls dann beitragspflichtiges Arbeitsentgelt, wenn den Zustellern ausdrücklich an sie gerichtetes Werbematerial und Argumentationshilfen für die Abonnentenwerbung zur Verfügung gestellt wird und die Werbung neuer Abonnenten vorteilhaft für den Arbeitgeber ist, weil dann ein für die Annahme eines einheitlichen Beschäftigungsverhältnisses ausreichend enger Zusammenhang zwischen der Zustell- und der Werbetätigkeit gegeben ist.

2. Dass die Prämien wirtschaftlich von einem Dritten gezahlt werden, der auch die Werbe- und Argumentationshilfe zur Verfügung stellt, steht dem nicht entgegen.

3. Die steuerrechtliche Behandlung der Prämien ist nicht maßgebend.

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 26. Februar 2009 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Klägerin hat die Kosten beider Rechtszüge zu tragen.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

IV. Der Streitwert wird auch für das Berufungsverfahren auf 28,60 EUR festgesetzt.

 

Tatbestand

Die Beteiligten streiten (nur noch) über die Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 31. Dezember 2003 in Höhe von insgesamt 28,60 EUR.

Die Klägerin betreibt ausweislich des Handelsregisterauszugs B des Amtsgerichts D… einen Zustellservice, dessen Unternehmensgegenstand durch "Medienvertrieb und sonstige Zustelldienste, insbesondere für die S… Z… und für die M… M… in D… GmbH durch Austräger" gekennzeichnet ist. Ihre Zusteller sorgen insbesondere für die Zustellung der "S… Z…" und der "D… M…". Beide Zeitungen werden von der D… D…- und V… GmbH & Co. KG, … D…, verlegt. Nach den Angaben der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht (SG) Dresden am 26. Februar 2009 ist die D… D…- und V… GmbH & Co. KG nicht alleinige Gesellschafterin der Klägerin. Die Beigeladenen zu 1 und 2 waren im streitgegenständlichen Zeitraum bei der Klägerin an sechs Tagen pro Woche im Umfang von jeweils etwa zwei Stunden täglich als Zusteller tätig. Außerdem warben sie für die D… D…- und V… GmbH & Co. KG Abonnenten für die "S… Z…" und die "D… M…". Die hierfür von der D…- und V… GmbH & Co. KG gezahlten Prämien wurden durch die Klägerin ausbezahlt. Die Beigeladenen zu 1 und 2 erhielten von der D… D…- und V… GmbH & Co. KG für ihre Werbetätigkeit einen "Argumentationsleitfaden zur Gewinnung bzw. Rückgewinnung von Abonnenten für die S… Z…". In diesem Argumentationsleitfaden finden sich Hinweise für den Kundenkontakt und Argumentationshilfen zur Darstellung der Vorteile eines Abonnements der "S… Z…". Außerdem wurden die Beigeladenen zu 1 und 2 durch die "S… Z…" mit weiterem Material zum Zwecke der Abonnentenwerbung versorgt.

In der Zeit vom 20. November 2003 bis 7. April 2004 führte die Beklagte eine Betriebsprüfung nach § 28p Abs. 1 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) für die Zeit vom 1. Dezember 1998 bis 31. Dezember 2003 durch. Dabei errechnete die Beklagte eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen von insgesamt 20.630,46 EUR. Die Nachzahlung resultiere zum einen aus an die Zeitungszusteller gezahlten Werbeprämien, für die keine Sozialversicherungsbeiträge abgeführt worden seien, obwohl es sich dabei um sozialversicherungspflichtiges Arbeitsentgelt gehandelt habe. Zum anderen beruhe sie auf Zuschlägen für Nachtarbeit, die ebenfalls zum sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt gehört hätten. Auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 1 entfalle für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2002 eine Nachforderung von 6,60 EUR in Bezug auf "Provision für Neu-Abo.". Auf die Tätigkeit des Beigeladenen zu 2 entfalle für die Zeit vom 1. Januar 2002 bis 31. Dezember 2002 eine Nachforderung von 22,00 EUR in Bezug auf "Provision für Neu-Abo.".

Nach Anhörung der Klägerin im Rahmen der Schlussbesprechung am 7. April 2004 machte die Beklagte gegenüber der Klägerin durch Bescheid vom 28. April 2004 eine Nachforderung von Sozialversicherungsbeiträgen in Höhe von insgesamt 20.630,46 EUR geltend. Zur Begründung führte sie insbesondere aus, die ausgezahlten Werbeprämien gehörten zum sozialversicherungspflichtigen Arbeitsentgelt. Die werbende Tätigkeit von Zeitungsausträgern sei kein von der Hauptbeschäftigung abtrennbarer und einer eigenen rechtlichen Beurteilung fähiger Teil der Gesamttätigkeit (Hinweis auf Bundessozialgericht [BSG], Urteil vom 15. Februar 1989 - RK 34/87). Bei der Beurteilung der Versicherungs- und Beitragspflicht sei stets auf das Gesamtbild der Tätigkeit abzustellen und keine getrennte Beurteilung einzelner Betätigungsfelder vorzunehmen. Wenn ein Arbeitnehmer bei einem Arbeitgeber mehrere Beschäftigungen ausübe - vorliegend das Austragen von Zeitungen und die W...

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