Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Zulässigkeit der rückwirkenden Beschwerdeentscheidung gegen die Ablehnung von Prozesskostenhilfe für ein Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes. Grundsicherung für Arbeitsuchende. Darlehen für Mietschulden. Anordnungsgrund. teilweise Erfolgsaussicht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Über die Beschwerde gegen die Ablehnung eines Prozesskostenhilfeantrages kann auch noch nach Abschluss des Hauptsacheverfahrens, hier des Verfahrens zur Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes, entschieden werden (Fortführung der Senatsrechtsprechung LSG Chemnit7z, Beschluss vom 15.2.2010 - L 3 AS 570/09 B PKH).

2. Über einen Prozesskostenhilfeantrag kann ausnahmsweise auch noch nach Erledigung des Hauptsacheverfahrens entschieden werden, wenn der Antragsteller alles Erforderliche getan hat, um vor Wegfall der Rechtshängigkeit des Verfahrens eine Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag zu erwirken (Fortführung der Senatsrechtsprechung LSG Chemnitz, Beschluss vom 26.7.2005 - L 3 B 50/05 AL-PKH).

3. Für das Begehren auf Gewährung eines Darlehens für die Kosten des Verfahrens vor einem Amtsgericht (hier: Räumungs- und Zahlungsklage wegen Mietschulden) gibt es weder im SGB 2 noch in einem anderen Sozialgesetzbuch eine Anspruchsgrundlage. Auch der sozialrechtliche Herstellungsanspruch kann nicht dienbar gemacht werden.

4. In sozialgerichtlichen Verfahren, in denen das Gerichtskostengesetz keine Anwendung findet, ist für das gesamte Verfahren vollumfänglich Prozesskostenhilfe zu bewilligen, wenn eine hinreichende Erfolgsaussicht zumindest in Teilen bejaht wird.

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 29. März 2010 abgeändert. Der Antragstellerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Chemnitz, das unter dem Az. S 44 AS 414/10 ER geführt worden ist, ab Antragstellung Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwalt T… P…, U… H…, … H…, als Bevollmächtigter beigeordnet.

Derzeit sind weder Raten zu zahlen noch Zahlungen aus dem Vermögen zu leisten.

II. Außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens sind nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Antragstellerin wendet sich mit der Beschwerde gegen die Ablehnung ihres Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren auf Gewährung vorläufigen gerichtlichen Rechtsschutzes.

Mit Schriftsatz vom 22. Januar 2010 hatte die Antragstellerin den Erlass einer einstweiligen Anordnung beantragt. Sie hatte zum einen begehrt, die ursprünglich auf Antragsgegnerseite beteiligte ARGE A… zu verpflichten, ihr nach näher bezeichneten Modalitäten ein Darlehen zur Tilgung der entstandenen Mietschulden zuzüglich aller noch anfallender Zinsen zu gewähren und auszuzahlen (Antrag Nr. 1). Zum anderen hatte sie begehrt, die ARGE zu verpflichten, ihr “ein Darlehen in Höhe der noch nicht bezifferbaren Verfahrenskosten, welche im Rahmen der Räumungs- und Zahlungsklage der Wohnungsgenossenschaft G… vom 01.12.2009 (Az. 3 C 621/09 am Amtsgericht Annaberg) entstehenden und gegebenenfalls ihr und der dortigen Beklagten aufzuerlegenden Kosten zzgl. Zinsen zu gewähren, sobald diese beziffert und festgesetzt sind„ (Antrag Nr. 2).

Mit Schriftsatz vom 3. Februar 2010 hat die ARGE mitgeteilt, dass die von der Antragstellerin geschuldete Miete direkt an die Vermieterin als Darlehen gezahlt worden sei. Diese sei bereit, das Mietverhältnis mit der Antragstellerin fortzusetzen. Daraufhin hat die Antragstellerin in Bezug auf den Antrag Nr. 1 den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt erklärt und den Antrag Nr. 2 zurückgenommen.

Das Sozialgericht hat mit Beschluss vom 29. März 2010 die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für erstattungsfähig erklärt. Die Quotelung ist mit dem Ausgang des Verfahrens und dem Umstand, dass der Antrag Nr. 2 wenig Erfolgsaussicht gehabt habe, begründet worden.

Mit einem weiteren Beschluss vom 29. März 2010 hat das Sozialgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe abgelehnt. Nachdem die Hälfte der notwendigen außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin für erstattungsfähig erklärt worden sei, bestehe für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe kein Bedürfnis mehr. In Bezug auf den Antrag Nr. 2 sei wegen der Antragsrücknahme keine Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Im Übrigen habe diesem Antrag die hinreichende Erfolgsaussicht gefehlt, weil das Sozialgesetzbuch Zweites Buch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II) keine Anspruchsgrundlage für die Übernahme von Gerichts- und Anwaltskosten kenne. Es handle sich um allgemeine Schulden, die nicht der Allgemeinheit aufzuerlegen seien.

Die Antragstellerin hat am 15. April 2010 Beschwerde eingelegt, jedoch keinen Antrag gestellt. Sie vertritt die Auffassung, dass für die Entscheidung über den Prozesskostenhilfeantrag auf den Zeitpunkt des Einganges des Antrages abzustellen sei. Da die ARGE die darlehensweise Übernahme der Mietschulden unberechtigterweise abgelehnt habe, sei der Antrag auf Erl...

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