Entscheidungsstichwort (Thema)

Nichtzulassung der Berufung. Nichtzulassungsbeschwerde. Zahlungsaufforderung. Verwaltungsvollstreckung. Verwaltungsakt. behördliches Schreiben. Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Eine Zahlungsaufforderung ist kein Verwaltungsakt, sondern eine Mahnung im Sinne des Verwaltungsvollstreckungsrechtes, die als unselbständige Vorbereitungshandlung zur Vollstreckungsanordnung oder zu den eigentlichen Vollstreckungshandlungen nicht anfechtbar ist.

 

Orientierungssatz

1. Ob ein Schreiben eine Regelung iS des § 31 S 1 SGB 10 trifft oder schlicht eine Mitteilung enthält, ist durch Auslegung zu ermitteln. Dabei ist vom objektiven Empfängerhorizont auszugehen. Ist der Regelungsgehalt eines Schreibens nicht eindeutig und kann damit allein anhand des Inhalts nicht festgestellt werden, ob ein Verwaltungsakt oder schlichtes Hoheitshandeln vorliegt, kann die äußere Form eines Schreibens zur Auslegung mit herangezogen werden.

2. Die Regelung eines Einzelfalls mit unmittelbarer Rechtswirkung nach außen gemäß § 31 S 1 SGB 10 ist nicht gegeben, wenn die Behörde lediglich eine Rechtsansicht äußert, sondern erst dann, wenn die gesetzliche Regelung für den Einzelfall mit Bindungswirkung festgestellt, konkretisiert oder individualisiert wird (vgl BVerwG Urteil vom 29.4.1988 - 9 C 54/87 = BVerwGE 79, 291, 293). Diese Merkmale sind erst erfüllt, wenn die Behörde bei der Feststellung einer Rechtsfolge Folgerungen aus ihrer Rechtsansicht zieht, die unmittelbar Wirkungen für den Kläger haben, indem sie die ihm zustehende Leistung der Höhe nach feststellt (vgl BSG Urteil vom 4.10.1994 - 7 KlAr 1/93 = BSGE 75, 97,107 = SozR 3-4100 § 116 Nr 2). Dies alles hat das Bundessozialgericht bereits im Urteil vom 29.1.2003 (Az: B 11 AL 47/02 R entschieden.

 

Tenor

I. Die Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 16. Januar 2008 wird zurückgewiesen.

II. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beschwerde richtet sich gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 16. Januar 2008, mit dem die Anfechtungsklage gegen eine Zahlungsaufforderung vom 20. März 2006 abgewiesen worden ist.

Der 1969 geborene Kläger ist Vater des minderjährigen Kindes M. P.. Dieser erhält als Mitglied der Bedarfsgemeinschaft mit dessen Mutter Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch - Grundsicherung für Arbeitsuchende - (SGB II).

Mit Schreiben vom 20. Februar 2006 wurde dem Kläger die Überleitung von Unterhaltsansprüchen wegen Gewährung von Leistungen nach dem SGB II gemäß § 33 SGB II in der bis zum 31. Juli 2006 geltenden Fassung angezeigt.

Mit dem als „Zahlungsaufforderung“ bezeichneten Schreiben vom 20. März 2006 wurde der Kläger aufgefordert, eine Zahlung in Höhe von 488 EUR für den Zeitraum vom 1. November 2005 bis 31. März zu leisten. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20. Mai 2007 als unzulässig zurück, da die Zahlungsaufforderung vom 20. März 2006 kein Verwaltungsakt, sondern nur die Bezifferung des übergeleiteten, zivilrechtlich geltend zu machenden Unterhaltsanspruchs sei. Dies habe sie dem Kläger bereits mit Schreiben vom 13. September 2006 mitgeteilt.

Die am 21. Mai 2007 erhobene Klage hat das Sozialgericht Chemnitz durch Urteil vom 16. Januar 2008 abgewiesen und die Berufung nicht zugelassen.

Gegen die Nichtzulassung der Berufung in dem Urteil hat der Kläger am 8. Februar 2008 Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt. Die Zahlungsauforderung vom 20. März 2006 sei von der Beklagten selbst später in einer Mahnung, wenn auch mit falschen Datum, als „Bescheid vom 31.3.2006“ bezeichnet und Maßnahmen der öffentlich-rechtlichen Zwangsvollstreckung angedroht worden. Nach höchstrichterlicher Rechtsprechung liege ein mit Widerspruch und Anfechtungsklage angreifbarer Verwaltungsakt auch dann vor, wenn eine zivilrechtliche Forderung in Form eines Bescheides und kraft hoheitlicher Gewalt festgesetzt und eingezogen werde. Anderenfalls wäre dem Betroffenen jeder Rechtsschutz verwehrt. Soweit zur vorliegenden Rechtsfrage noch keine konkrete Rechtsprechung des Bundessozialgerichtes vorliege, habe die Sache auch grundsätzliche Bedeutung. Immer häufiger melde die Beklagte der Kasse zivilrechtliche Forderungen zum Einzug. Erst auf Widerspruch erkläre die Beklagte, dass es sich nicht um Verwaltungsakte handele. Bei ungestörtem Fortgang komme es dagegen zu Maßnahmen der Verwaltungsvollstreckung.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

die Berufung gegen das Urteil des Sozialgerichts Chemnitz vom 16. Januar 2008 zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie ist der Auffassung, dass Zulassungsgründe nicht gegeben seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.

II.

1. Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Das Sozialgeri...

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