Entscheidungsstichwort (Thema)

Schwerbehindertenrecht. Eingliederungshilfe. 24-Stunden-Assistenz. Leistungen der häuslichen Pflege. zusätzliche medizinische Behandlungspflege. kein Anspruch auf Erbringung von Leistungen aus einer Hand. kein "Mitmachen" der Leistungen durch gewohntes Behandlungsteam. persönliches Budget. Erforderlichkeit des Abschlusses einer Zielvereinbarung. keine Erweiterung der erlaubten Leistungen des Anbieters der Eingliederungshilfe. sozialhilferechtliches Dreiecksverhältnis. Arbeitgebermodell als Ausnahme. sozialgerichtliches Verfahren. Eilrechtsschutz

 

Leitsatz (amtlich)

1. Zur Reichweite der Gewährung von Leistungen der häuslichen Pflege nach § 103 Abs 2 SGB IX.

2. Zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis im Bereich des Rechts der Eingliederungshilfe

 

Orientierungssatz

1. Die medizinische Behandlungspflege wird nicht von § 103 Abs 2 SGB 9 2018 erfasst.

2. Leistungen der medizinischen Behandlungspflege können aber grundsätzlich in das persönliche Budget nach §§ 105 Abs 4, 29 SGB 9 2018 einbezogen werden.

3. Um im Rahmen eines persönlichen Budgets alle Leistungen aus einer Hand zu erhalten, ist eine Zielvereinbarung abzuschließen.

4. Das persönliche Budget dient allerdings nicht dazu, den Qualitätsmaßstab der professionellen Leistungsanbieter zu reduzieren.

5. Anders ist dies lediglich beim vom Gesetzgeber privilegierten Arbeitgebermodell, bei welchem das sogenannte sozialhilferechtliche Dreiecksverhältnis nicht gilt (wobei auch dies dem hiesigen Wunsch des Klägers, durch ein Eilverfahren sicherzustellen, dass er allein durch sein gewohntes Behandlungsteam betreut wird, nicht weiterhilft, weil die Behandler vertraglich beim Leistungsanbieter angestellt sind).

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde der Antragsgegnerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Leipzig vom 17. Dezember 2020 aufgehoben und der Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung abgelehnt.

II. Außergerichtliche Kosten sind für beide Rechtszüge nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten darüber, ob der Beigeladene dazu berechtigt ist, dem Antragsteller im Rahmen der notwendigen Versorgung über 24 Stunden täglich neben Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Zweiten Teil des Sozialgesetzbuchs Neuntes Buch (SGB IX) die erforderlichen Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach dem Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) sowie der Grundpflege nach dem Sozialgesetzbuch Elftes Buch (SGB XI) zu erbringen und gegenüber der Antragsgegnerin abrechnen zu dürfen.

Der 1998 geborene Antragsteller leidet seit seinem Unfall am 04.10.2018 an einer motorisch kompletten Querschnittlähmung (Typ sub c4), weshalb er schwerbehindert (GdB 100, Merkzeichen G, aG, H und RF) ist und seit dem 11.09.2019 von der Pflegekasse Pflegegeld nach dem Pflegegrad 5 in Höhe von monatlich 901 € zuzüglich des Entlastungsbetrags in Höhe von monatlich 125 € erhält (Bescheid vom 08.10.2019). Aus einer privaten Unfallversicherung erhält er zudem eine Rente in Höhe von monatlich 1.000 €.

Ausweislich des Pflegegutachtens des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) vom 07.10.2019 bestehen beim Antragsteller keine kognitiven und psychischen Einschränkungen, wohl aber eine Gebrauchsunfähigkeit beider Arme und Beine. Der Antragsteller lebt demnach gemeinsam mit seiner Freundin seit dem 11.09.2019 in einer rollstuhlgerechten Wohnung und werde versorgt durch eine 24-Stunden-Assistenz, die der Beigeladene mit sieben Pflegekräften gewährleiste. Die Versorgung durch den Beigeladenen umfasse sämtliche körperbezogenen und behandlungspflegerischen Maßnahmen sowie die pflegerischen Betreuungsmaßnahmen und die Hilfen bei der Haushaltsführung.

Am 29.11.2019 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin sinngemäß Leistungen der Eingliederungshilfe in Form einer 24-Stunden-Assistenz als Sachleistung. Mit der Assistenz hatte er bereits den C.... den Beigeladenen, beauftragt. Zwischen dem Beigeladenen und dem Landkreis X.... besteht eine am 01.06.2018 abgeschlossene Leistungs- und Prüfungsvereinbarung nach §§ 75 ff. Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII) und §§ 123 ff. SGB IX, die für 2019 einen Stundensatz in Höhe von 23,64 € vorsah. Der Beigeladene ist nicht als Pflegedienst zugelassen und kann daher auch keine Pflegesachleistungen abrechnen. Leistungen der Behandlungspflege und Grundpflege sind dementsprechend nicht Gegenstand der Vereinbarung vom 01.06.2018 (Nr. 3 Abs. 4 der Vereinbarung). Die Ergänzungsvereinbarung vom 06.07.2018/10.07.2018 ermöglicht es dem Beigeladenen jedoch, Leistungen der Hilfe zur Pflege als häusliche Pflegehilfe in Form von pflegerischen Betreuungsmaßnahmen sowie Hilfen bei der Haushaltsführung nach § 64b Abs. 1 und 2 SGB XII zu erbringen.

Der Beigeladene legte der Antragsgegnerin einen Kostenvoranschlag vom 25.08.2019 über 17.269,02 € monatlich bei 24 Stunden täglicher Assistenz vor.

Mit Bescheid vom 31.03.2020 bewilligte die Antragsgegnerin dem Antragsteller Eingliederungshilfe in Form von Leistungen zur Sozialen Teilhabe, insbesonder...

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