Entscheidungsstichwort (Thema)

Sozialgerichtliches Verfahren. Statthaftigkeit der Beschwerde gegen die Aufhebung der Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen Zahlungsrückstand. Erforderlichkeit einer vorherigen Androhung der Aufhebung. Anhörung durch das Gericht. Ermessensentscheidung. keine Nachholung einer fehlenden Ermessensabwägung durch das Beschwerdegericht

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die Aufhebung einer Bewilligung von Prozesskostenhilfe nach § 202 SGG iVm § 124 Nr 4 ZPO in der bis 31.12.2013 geltenden Fassung (jetzt § 124 Abs 1 Nr 5 ZPO) wegen eines Rückstandes mit der Zahlung eines sonstigen Betrages war vom Beschwerdeausschluss nach § 172 Abs 3 Nr 2 SGG aF nicht erfasst.

2. Vor der Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung hat die Androhung der Aufhebung durch das Gericht zu erfolgen. Im Aufhebungsverfahren nach § 202 SGG iVm § 124 Nr 4 ZPO obliegt dies dem Kammervorsitzenden, da in der Sozialgerichtsbarkeit weder Rechtspfleger, auf die diese Aufgabe übertragen werden, tätig sind, noch eine entsprechende kompetenzübertragende Norm vorliegt (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl LSG Chemnitz vom 20.2.2014 - L 3 AL 159/13 B PKH = juris RdNr 20).

3. Das Gericht hat bei einer Ermessensentscheidung, entsprechend einer Behörde nach § 39 Abs 1 S 1 SGB 1, das ihm eingeräumte Ermessen entsprechend dem Zweck der Ermächtigung auszuüben und die gesetzlichen Grenzen des Ermessens einzuhalten.

4. Eine fehlende Ermessensabwägung des Sozialgerichts in einer Angelegenheit, bei der der Gesetzgeber originär dem Gericht die Angelegenheit zur Entscheidung zugewiesen hat (hier: Aufhebung der Prozesskostenhilfebewilligung), kann nicht durch das Beschwerdegericht nachgeholt werden (Fortführung der Senatsrechtsprechung, vgl LSG Chemnitz vom 20.2.2014 - L 3 AL 159/13 B PKH = juris RdNr 25).

 

Tenor

I. Auf die Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 12. Juni 2013 aufgehoben.

II. Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

 

Gründe

I.

Der Kläger wendet sich gegen den Beschluss des Sozialgerichts Chemnitz vom 12. Juni 2012, mit dem das Sozialgericht den die Prozesskostenhilfe bewilligenden Beschluss vom 16. Februar 2011 aufgehoben hat.

Mit Beschluss vom 16. Februar 2011 wurde dem Kläger für das Klageverfahren Az. S 36 AS 6863/08 Prozesskostenhilfe unter Beiordnung seines Prozessbevollmächtigten bewilligt. Gleichzeitig wurde angeordnet, dass er eine Einmalzahlung von 316,29 EUR aus seinem Vermögen zu leisten habe.

Nach Beendigung des Verfahrens beantragte sein Prozessbevollmächtigter am 24. Februar 2011 die Festsetzung der Rechtsanwaltsvergütung in Höhe von 464,10 EUR und machte unter Abzug des aus dem Vermögen des Klägers zu tragenden Anteils von 316,29 EUR einen Gesamtbetrag in Höhe von 147,81 EUR geltend, den die Kostenbeamtin des Sozialgerichts am 9. Juni 2011 in dieser Höhe festsetzte und auszahlen ließ.

Mit Schreiben vom 8. Juni 2011 hat die zuständige Kostenbeamtin den Kläger zur Zahlung des Einmalbetrags von 316,29 EUR bis zum 29. Juni 2011 aufgefordert. Mit Schreiben vom 5. Juli 2011 hat der Klägerbevollmächtigte dies zurückgewiesen, da von ihm nicht sämtliche Gebühren abgerechnet worden seien, sondern nur die Differenz zwischen den Gebühren und dem Betrag, der vom Kläger aus seinem Vermögen zu zahlen gewesen wäre. Des Weiteren hat er erklärt, dass auch in Zukunft nicht beabsichtigt sei, den vom Kläger aus seinem eigenen Vermögen zu zahlenden Betrag noch geltend zu machen. Nachdem die Kostenbeamtin ihm mitgeteilt hat, an die Anordnung des Prozesskostenhilfebeschlusses gebunden zu sein, hat der Klägerbevollmächtigte mit Schreiben vom 9. August 2011 im Namen des Klägers Erinnerung eingelegt. Eine Entscheidung hierüber ist bislang noch nicht ergangen.

Mit Schreiben vom 8. Februar 2012 hat die Kostenbeamtin den Kläger unter Fristsetzung zum 29. Februar 2012 erneut zur Zahlung aufgefordert und darauf hingewiesen, dass andernfalls die Aufhebung der Prozesskostenhilfe drohe. Nachdem eine letzte Zahlungsaufforderung der Kostenbeamtin vom 3. Mai 2012 ohne Erfolg geblieben war, hat sie die Verfahrensakte am 30. Mai 2012 dem zuständigen Kammervorsitzenden zur Entscheidung vorgelegt. Mit Beschluss vom 12. Juni 2012 hat das Gericht die am 16. Februar 2011 erfolgte Bewilligung der Prozesskostenhilfe gemäß § 202 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) i. V. m. § 124 Nr. 4 der Zivilprozessordnung (ZPO) aufgehoben, weil der Kläger länger als drei Monate mit der Zahlung eines sonstigen Betrags, nämlich des angeordneten Einmalbetrags, im Rückstand gewesen sei.

Gegen den am 21. Juni 2012 zugestellten Beschluss hat der Kläger durch seinen Bevollmächtigten am 5. Juli 2012 Beschwerde eingelegt. Er ist der Auffassung, dass die Aufhebung der Prozesskostenhilfe rechtswidrig gewesen sei. Nach der von ihm erfolgten Gebührenabrechnung bestehe für den Kläger keine Pflicht mehr zur Zahlung des Einmalbetrags aus seinem Vermögen.

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