Entscheidungsstichwort (Thema)

Bindung des Betriebsübernehmers an die arbeitsvertraglich vereinbarten Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die arbeitsvertragliche Vereinbarung der Geltung der Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung beinhaltet deren dynamische Anwendung.

2. Dies folgt daraus, dass kirchliche Arbeitsrechtsregelungen keine Tarifverträge i.S. des TVG darstellen, weil sie nicht nach dessen Maßgabe, insbesondere nicht unter Beteiligung von Gewerkschaften zustande gekommen sind (§ 2 Abs. 1 TVG).

3. Sind die AVR somit als individualrechtliche Regelung zu verstehen, nicht aber kollektivrechtlich ranggleich mit Tarifverträgen, so ist für eine einschränkende Auslegung der Geltung der Dynamik auf einen kirchlichen Arbeitgeber kein Raum.

4. Die dynamisch vereinbarte Geltung der AVR geht im Falle eines Betriebsübergangs gem. § 613a Abs. 1 S. 1 BGB auf den Übernehmer über.

5. Die Entscheidung des EuGH vom 18.07.2013 (C -426/11- Alemo-Herron) zwingt nicht zu einer europarechtskonformen Auslegung dahingehend, dass der Betriebsübernehmer nicht an die arbeitsvertraglich vereinbarte dynamische Anwendung der AVR gebunden ist.

 

Normenkette

BGB §§ 611, 613a Abs. 1, §§ 133, 157; TVG § 2 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dresden (Entscheidung vom 30.10.2015; Aktenzeichen 1 Ca 924/15)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 23.11.2017; Aktenzeichen 6 AZR 683/16)

 

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Dresden vom 30.10.2015 - 1 Ca 924/15 - wird auf Kosten der Beklagten

z u r ü c k g e w i e s e n .

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über Differenzlohn für den Zeitraum Juli 2014 bis Mai 2015 in rechnerisch unstreitiger Höhe von nunmehr 757,91 € brutto sowie um die Feststellung, dass die Erhöhung der Entgelte durch Beschluss der arbeitsrechtlichen Kommission der ... in Deutschland auch über diesen Zeitraum hinaus fortgilt.

Der Kläger ist bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgänger seit 1991 mit einer durchschnittlichen wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden im Rettungsdienst beschäftigt.

Vor dem 01.01.2014 war der Kläger bei der ... e. V. tätig. Mit dem 01.01.2014 ging sein Arbeitsverhältnis auf die Beklagte über.

Bei dem Rechtsvorgänger wurde der Kläger unter Anwendung der AVR DW eingruppiert.

In dem Arbeitsvertrag vom 14.08.1991 mit der ... e. V. ist in § 2 Folgendes bestimmt:

"...Für das Dienstverhältnis gelten die Arbeitsvertragsrichtlinien des Diakonischen Werkes der Evangelischen Kirche in Deutschland (AVR) in der jeweils gültigen Fassung. ..."

Mit Schreiben vom 16.07.2014 teilte die ... Deutschland mit, dass durch Beschluss vom 10.07.2014 rückwirkend zum 01.07.2014 die Stundenentgelte um 1,9 % erhöht werden (vgl. Bl. 10 bis 11 d. A.). Mit Beschluss vom 08.12.2014 erfolgte eine weiterer Erhöhung um 2,7 % zum 01.03.2015 (Bl. 141 bis 142 d. A.). Die Lohnerhöhungen hat die Beklagte nicht vollzogen.

Unter Anwendung einer Erhöhungen von 1,9 % bzw. weiteren 2,7 % und unter Berücksichtigung der erteilten Gehaltsabrechnungen ergibt sich zugunsten des Kläger für den Monat Juli 2014 ein Betrag von 49,53 € brutto, für den Monat August 2014 ein Betrag von 49,70 € brutto, für den Monat September 2014 ein Betrag von 47,87 € brutto, für den Monat Oktober 2014 ein Betrag von 48,46 € brutto, für den Monat November 2014 ein Betrag von 50,17 € brutto, für den Monat Dezember 2014 ein Betrag von 48,86 € brutto, für den Monat Januar 2015 ein Betrag von 49,96 € brutto, für den Monat Februar 2015 ein Betrag von 49,14 € brutto, für den Monat März 2015 ein Betrag von 121,00 € brutto, für den Monat April 2015 ein Betrag von 122,67 € brutto und für den Monat Mai 2015 ein Betrag von 120,56 € brutto.

Mit seiner am 02.04.2015 bei dem Arbeitsgericht eingegangenen und unter dem 11.09.2015 erweiterten Klage hat der Kläger die Vergütungsdifferenzen geltend gemacht.

Der Kläger hat die Meinung vertreten, ihm stehe die Lohnerhöhung um 1,9 % seit Juli 2014 und die weitere Lohnerhöhung um 2,7 % ab März 2015 zu. Er verweist insoweit auf eine Entscheidung des LAG Berlin-Brandenburg vom 24.02.2014 - 6 Sa 1943/11 -. Ferner ist der Kläger der Auffassung, dass die Entscheidung des Hessischen Landesarbeitsgerichts vom 25.03.2014 zu dem Aktenzeichen 8 Sa 1150/13 zu seinen Gunsten eingreife. Er meint, die im Arbeitsvertrag enthaltene Klausel gelte auch für den Erwerber. Es sei letztlich freie Entscheidung der Beklagten gewesen, die Arbeitsverhältnisse mit dem jeweiligen Inhalt zu übernehmen.

Auch bestünde auf Seiten der Beklagten die rechtliche Möglichkeit, durch Änderungsverträge oder durch Änderungskündigungen oder durch Abschluss eines eigenen Haustarifvertrages inhaltliche Änderungen herbeizuführen.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die beklagte Partei wird verurteilt, an die klagende Partei 757,91 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszins...

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