Verfahrensgang

KreisG Reichenbach (Urteil vom 24.01.1992; Aktenzeichen Ca 459/91)

 

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Kreisgerichts Reichenbach vom 24.1.1992 – Ca 459/91 –

abgeändert.

Es wird festgestellt, daß das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung des Beklagten vom 24.5.1991, dem Kläger zugegangen am 30.5.1991, nicht beendet ist.

Das beklagte Land hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.

 

Tatbestand

Der 53jährige Kläger stand seit 1. August 1964 im Schuldienst und wurde an der polytechnischen Oberschule L. als Lehrer für Sport und Geographie beschäftigt.

Der Kläger ist seit langem an internationalen Fußballspielen interessiert, vor allem wenn der Verein FC Bayern München beteiligt ist. Bei seinen Bemühungen, am Fußball-Europacup-Spiel Dynamo Dresden gegen Bayern München am 7. November 1973 teilnehmen zu können, wurde das Ministerium für Staatssicherheit auf ihn aufmerksam. Seitdem stand er unter dem Decknamen „Pauker” unter einer operativen Personenkontrolle des Ministeriums für Staatssicherheit (OPK).

In einem Bericht der Kreisdienststelle R. vom 28. Januar 1974 über die bisherigen Beobachtungen heißt es, die Zielstellung der OPK „Pauker” bestehe darin, den Kläger „als Unsicherheitsfaktor durch geeignete op. Maßnahmen aus dem Bereich Volksbildung zu entfernen.” Sodann wurden in dem Bericht (Operativ-Plan) umfangreiche, noch vorzunehmende Ausforschungen des Klägers durch Auswahl von beobachtenden Personen und Festsetzung von Terminen festgelegt.

Am 16. Oktober 1974 besuchte der Kläger das Fußballspiel Wismut Aue gegen 1. FC Magdeburg in Aue. An diesem Fußballspiel nahm als Beobachter auch der damalige Trainer des FC Bayern München, Udo L., teil, weil demnächst das Europacup-Spiel Magdeburg gegen Bayern München anstand. Als der Kläger Herrn L. entdeckte, sprach er ihn wegen des bevorstehenden Spiels in Magdeburg an und fotografierte ihn kurz vor Spielende. Hierbei wurde er von einem Mitarbeiter des Ministeriums für Staatssicherheit beobachtet und mußte sich diesem gegenüber ausweisen.

Am folgenden Tag, dem 17. Oktober 1974, wurde der Kläger abends – als er von einer Sportveranstaltung nach Hause zurückkehrte – von Mitarbeitern des Ministeriums für Staatssicherheit abgeholt und auf der Kreisdienststelle R. von 22.15 bis 2.30 Uhr verhört. In dem von der vernehmenden Person unterzeichneten Bericht heißt es:

„Zu Beginn wurde dargelegt, daß dem MfS eine Reihe Informationen vorliegen, die nach unserer Einschätzung eines Pädagogen einer soz. Bildungseinrichtung wesensfremd sein müßten, deren Klärung es bedarf. Ausgehend von dieser Aussprache und insbesondere seinem Verhalten gegenüber dem MfS hängt es, inwieweit disziplinarische Maßnahmen durch den Kreisschulrat eingeleitet werden, deren Ergebnis nur in einer Entlassung aus dem Schuldienst enden würde.”

Bei dieser Vernehmung mußte der Kläger seine Verbindungen zu Personen und Fußballmannschaften außerhalb der DDR darlegen. Am Ende der Vernehmung, als dem Kläger wiederum dargelegt wurde, „daß es von uns abhängt, welche disziplinarischen Maßnahmen und ob überhaupt gegen ihn eingeleitet werden”, erklärte er sich bereit, für das Ministerium für Staatssicherheit als inoffizieller Mitarbeiter (IM) tätig zu werden. Er unterzeichnete am 18.10.1974 eine Verpflichtungserklärung und wählte sich den Decknamen „Kai-Uwe”.

In der Folgezeit wurde der Kläger vom Ministerium für Staatssicherheit zur Absicherung (Verhinderung von Provokationen) internationaler Fußballspiele eingesetzt. Darüber hatte er zu berichten. Ferner hatte er schriftliche Berichte über Personen aus seiner privaten Umgebung und über Teilnehmer (Besucher) internationaler Sportveranstaltungen – auch im Ausland – zu liefern. Diese Berichte – soweit sie aus der Gauck-Akte als Fotokopien zu den Gerichtsakten gelangt sind – enthalten durchweg positive Beschreibungen aus dem Privatleben der betreffenden Personen.

Lediglich in einem Fall berichtet der Kläger über einen Sportfreund R. aus der DDR, der im September 1981 am Fußballspiel Polen gegen Bundesrepublik Deutschland in Katowice als Zuschauer teilnahm, in einer negativen Weise. Es heißt hier in dem Bericht des Klägers:

„Am darauffolgenden Tag fuhr er (R.) mit seinen westdeutschen Bekannten zum Konzentrationslager Auschwitz. Auf meine Frage, wenn eventuell ein Platz frei wäre, würde ich mitfahren, ging er nicht ein. Im Zug äußerte er sich über das KZ Auschwitz in der Form, daß er sagte, so was müßte nun mal endlich beseitigt werden, denn so ein KZ würde immer wieder neue Emotionen wecken und es wäre besser, wenn es so was nicht mehr gäbe. Am Tag über war er meist mit den BRD-Zuschauern zusammen und ging auch mit diesen essen bzw. in die Stadt. Am Abend war er auch mit diesen zusammen und war bis spät in die Nacht hinein mit ihnen unterwegs. Am letzten Abend hat er seine Schlafmöglichkeit nicht genutzt. Viele Geschenke von Zeitungen bis zur DM befanden sich danach in seinem Besitz. Er hatte Kontakte mit Mitgliedern der Leitung des BRD-Fußbal...

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