Leitsatz (amtlich)

a) Dem Besitzschutzanspruch aus § 861 Abs. 1 BGB kann nicht entgegengehalten werden, dass der Gläubiger zum Besitz nicht berechtigt sei. Der Einwendungsausschluss des § 863 BGB kann regelmäßig nicht durch den Einwand der unzulässigen Rechtsausübung umgangen werden.

b) In Fällen mehrfacher wechselseitiger verbotener Eigenmacht ist der Besitzschutzanspruch nicht ausgeschlossen, wenn die Reihe der Besitzentziehungen durch den Schuldner binnen der Jahresfrist des § 861 Abs. 2 BGB eröffnet wurde.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 10.03.2006; Aktenzeichen 3 O 378/05)

 

Tenor

I. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des LG Saarbrücken vom 10.3.2006 (AZ: 3 O 378/05) wie folgt abgeändert:

A. Die Erstbeklagte wird verurteilt, an die Klägerin das Kraftfahrzeug Chrysler Voyager SE 2,5 CRD, Fahrgestell-Nr. (amtl. Kennzeichen:) herauszugeben.

B. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die weitere Berufung wird zurückgewiesen.

III. Die erstinstanzlichen Gerichtskosten sowie die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten der Klägerin tragen die Klägerin sowie die Erstbeklagte jeweils zur Hälfte. Die Klägerin trägt die erstinstanzlichen außergerichtlichen Kosten des Zweitbeklagten. Im Übrigen findet eine Erstattung der erstinstanzlichen Kosten nicht statt. Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt die Klägerin.

IV. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Erstbeklagte darf die Vollstreckung der Klägerin gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 28.000 EUR abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet. Die Klägerin darf die Vollstreckung der Beklagten gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, es sei denn die Beklagten leisten vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 120 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Die Klägerin verlangt von den Beklagten die Herausgabe eines Pkw der Marke Chrysler Voyager SE 2,5 CRD, Fahrgestell-Nr. ... (amtliches Kennzeichen:).

Das Fahrzeug wurde im Oktober 2003 bei der Firma T. A. GmbH in K. erworben. Die Finanzierung erfolgte durch einen Kredit, welche die ...-Bank in M. der Erstbeklagten zum Autokauf gewährt hatte. Die Erstbeklagte ist zugleich Gesellschafterin der Klägerin. Zwischen der ...-Bank und der Erstbeklagten wurde eine Sicherungsübereignung des Wagens zugunsten der ...-Bank vereinbart. Am 30.10.2003 schlossen die Klägerin, die Erstbeklagte und die ...-Bank eine sog. "Drittbenutzer-Vereinbarung für Kredit- und Leasingverträge" (fortan Drittbenutzer-Vereinbarung). Nach deren Inhalt sollte die Klägerin zur Nutzung des Wagens berechtigt sein. Die fälligen Darlehensraten wurden zu Beginn der Darlehenslaufzeit vereinbarungsgemäß durch die Klägerin an die ...-Bank zurückgezahlt. Die Klägerin überließ den Wagen sodann dem Zeugen K1 im Rahmen seines Anstellungsverhältnisses bei der Klägerin. Der Zeuge K1 war zu dieser Zeit noch mit der Erstbeklagten verheiratet und lebte mit ihr zusammen. Der Wagen wurde auch von der Erstbeklagten genutzt, u.a. unternahm sie mit dem Fahrzeug in der Zeit vom 17.9.2004 bis zum 24.9.2004 eine Urlaubsreise.

Nachdem die Ehe der Erstbeklagten mit dem Zeugen K1 gescheitert war, kam es zum Streit über das Fahrzeug. Die Erstbeklagte, die im Besitz eines Zweitschlüssels war, nahm den Wagen, in dem sich auch persönliche Dinge des Zeugen K1 befanden - u.a. eine Golfausrüstung und Wein aus dem Urlaub - zunächst einfach an sich. Der Wagen gelangte dann aber wieder zum Zeugen K1 zurück. Daraufhin kündigte der Zweitbeklagte, der mit der Erstbeklagten zusammenlebte, in deren Namen mit Schreiben vom 29.8.2005 ggü. der Klägerin die Drittbenutzer-Vereinbarung. Er verlangte von ihr die Herausgabe des Fahrzeuges. Diesem Verlangen kam die Klägerin nicht nach. Erneut nahm daraufhin die Erstbeklagte das Fahrzeug am 14.9.2005 dem Zeugen K1 weg und brachte es wiederum an sich. Wie erstmals im Berufungsrechtszug von der Klägerin vorgetragen, hat der Zeuge K1 nicht mehr den Willen den Wagen wiederzuerlangen.

Die Klägerin hat behauptet, sie habe den Kaufvertrag mit der Firma T. A. abgeschlossen und der Wagen sei dem Zeugen K1, der hierzu von ihr beauftragt worden sei, übergeben worden. Sie sei daher Eigentümerin des Fahrzeuges. Da der Zweitbeklagte der Erstbeklagten bei der zweiten Besitzentziehung geholfen habe, seien beide Beklagten zur Herausgabe verpflichtet.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten gesamtschuldnerisch zu verurteilen, an die Klägerin das Kraftfahrzeug Chrysler Voyager SE 2,5 CRD, Fahrgestell-Nr. ... (amtl. Kennzeichen:) herauszugeben.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie haben die Auffassung vertreten, die Klägerin sei nicht Eigentümerin des Wagens geworden. Durch die Verkäuferin T. A. sei das Fahrzeug vielmehr der Erstbeklagten übergeben worden. Der Klägerin habe kein Besitzrecht mehr zugestanden, da die Drittbenutzer-Vereinbarung mit der Kläger...

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