Entscheidungsstichwort (Thema)

Auswirkungen einer gesundheitlichen Prädisposition des Geschädigten auf die Berechnung des Schadensersatzes

 

Leitsatz (amtlich)

Leidet der Geschädigte bereits vor dem Schadensfall unter einer auf psychischem Gebiet liegenden Prädisposition, die sich durch ein für sich betrachtet harmloses, allerdings die Bagatellgrenze überschreitendes Schadensereignis in Gestalt einer somatoformen Schmerzstörung manifestiert, so kann die Schadensanfälligkeit bei der Bemessung der Schadenshöhe Berücksichtigung finden. Hinsichtlich des Schmerzensgeldanspruchs erscheint mit Blick auf seine ganzheitliche Rechtsnatur ein prozentualer Abschlag interessengerecht, während hinsichtlich des Verdienstausfallschadens eine zeitliche Begrenzung in Betracht zu ziehen ist.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 08.11.2007; Aktenzeichen 11 O 50/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers werden die Beklagten unter Abänderung des Urteils des LG Saarbrücken vom 8.11.2007 - 11 O 50/06 - als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger ein Schmerzensgeld von 3.700 EUR nebst Zinsen in Höhe fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 23.11.2002 zu zahlen. Die Beklagten werden weiterhin als Gesamtschuldner verurteilt, an den Kläger 6.930 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 14.7.2006 zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die weitergehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

2. Der Kläger trägt 90 Prozent, die Beklagten tragen als Gesamtschuldner 10 Prozent von den Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Dem jeweiligen Vollstreckungsschuldner wird nachgelassen, die Zwangsvollstreckung des Vollstreckungsgläubigers durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 120 % des vollstreckbaren Betrages abzuwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Zwangsvollstreckung i.H.v. 120 % des beizutreibenden Betrages Sicherheit leistet.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 97.223,44 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt der im Jahr 1955 geborene Kläger die Beklagten wegen eines Verkehrsunfalls, der sich am 1.12.2001 in S. ereignete, in Leistungs- Feststellungsantrag auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Kläger war Insasse eines Taxis, welches mit dem vom Beklagten zu 1) gesteuerten, bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeug zusammenstieß. Der Beklagte zu 1) hatte zunächst in einer Bushaltestelleneinbuchtung angehalten und wollte auf der Fahrbahn wenden. Hierbei übersah er das Taxi.

Der Kläger begab sich am Unfalltag in ambulante ärztliche Behandlung in das ...-Krankenhaus in L. In einem Arztbericht 26.1.2002 (GA II Bl. 184 ff.) lautete der erste Befund: HWS-Schleudertrauma, Prellungen linker Ellenbogen mit Bursitits OP, Prellungen rechte Schläfe, Prellungen rechtes Bein.

Ein von der Beklagten zu 2) beauftragtes Gutachten des Professors Dr. Z. vom 3.3.2003 fasst die Beschwerden des Klägers wie folgt zusammen:

1. Einschränkung der groben Kraft rechts beim gekreuzten Händedruck;

2. Kopfschmerzen, Konzentrationsstörungen, Schwindelgefühl sowie eingeschränkte Beweglichkeit der HWS nach Schleudertrauma Grad I und HWS-Distorsion;

3. Taubheitsgefühl rechter Handrücken und Daumen rechts sowie Taubheitsgefühl an der radialen Streckseite des Unterarmes;

4. Einschränkung der Beweglichkeit der Brust- und Lendenwirbelsäule;

5. Einschränkung der Schultergelenksbeweglichkeit rechts für die Abduktion und Elevation rechts von jeweils 60°;

6. leichte Einschränkung für die Extension/Reflexion im rechten Handgelenk sowie für die Pro- und Supination im rechten Handgelenk;

7. reizlose Narbenverhältnisse linkes Ellenbogengelenk nach posttraumatischer Bursektomie;

8. eingeschränkte Ellenbogenbeweglichkeit mit Streckdefizit rechts von 20°; Muskelhypotrophie des rechten Oberarms im Seitenvergleich von 1 cm am Unterarm und am Handgelenk von jeweils ½ cm mit Verminderung des Mittelhandumfangs rechts von 2 cm;

9. rezidivierendes Einschlafgefühl der rechten Körperhälfte.

Außerprozessual zahlte die Beklagte zu 2) an den Kläger ein Schmerzensgeld von 1.800 EUR. Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass zum Ausgleich der erlittenen Gesundheitsbeeinträchtigungen ein Schmerzensgeld von 15.000 EUR angemessen sei.

Der Kläger hat behauptet, die vorbeschriebenen Beschwerden seien auf den Verkehrsunfall vom 1.12.2001 zurückzuführen. Der Unfall habe für die bezeichneten Beschwerden zumindest einen auslösenden Charakter gehabt. Der Kläger sei unfallbedingt zu 100 % arbeitsunfähig. Auch liege ein Dauerschaden vor, da der nervus radialis noch heute eingeklemmt sei.

Darüber hinaus hat der Kläger Ausgleich eines Erwerbsschadens begehrt, den er auf den Zeitraum von 50,5 Monaten auf 79.284,04 EUR beziffert. Unstreitig war der Kläger vor dem Unfall bei der Firma C.P. GmbH in S2 beschäftigt, die ihn als Meister in dem Kraftwerk E. einsetzte. Sein Stundenlohn belief sich auf 11,07 EUR brutto. Im ...

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