Leitsatz (amtlich)

1. Die unvollständige Angabe des Geschäftssitzes einer juristischen Person im Handelsregister steht der Anwendung des § 185 Nr. 2 ZPO jedenfalls dann nicht entgegen, wenn das Gericht den erfolglosen Versuch unternommen hat, unter der im Gewerberegister vollständig und zutreffend angegebenen Geschäftsadresse zuzustellen.

2. Eine Zustellung ist bereits dann nicht möglich, wenn die Zustellung im Geschäftslokal mangels entsprechender Empfangseinrichtungen erfolglos geblieben ist. Darauf, ob sich eine zustellungsberechtigte Person gelegentlich in den nunmehr von einer anderen Gesellschaft als Geschäftslokal genutzten Räumen aufgehalten haben mag, kommt es nicht an.

3. Das Gericht ist nicht gehalten, vor der öffentlichen Zustellung eine Zustellung im Ausland zu bewirken.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 01.07.2011; Aktenzeichen 6 O 579/09)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil der 6. Zivilkammer des LG Saarbrücken vom 1.7.2011 - 6 O 579/09 - abgeändert und wie folgt neu gefasst: Der Einspruch der Beklagten gegen das Versäumnisurteil vom 23.3.2010 wird als unzulässig verworfen.

2. Die Beklagte trägt die weiteren Kosten des Rechtsstreits.

3. Das Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 60.729,68 EUR festgesetzt.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagte auf Rückzahlung von Darlehen in Anspruch.

Die Klägerin und der Geschäftsführer der Beklagten lebten von 1999 bis November 2008 privat zusammen. Während dieser Beziehung gewährte die Klägerin der Beklagten Darlehen i.H.v. insgesamt 66.979,24 EUR. Die Darlehensforderung sollte mit 4 % per anno verzinst werden. Am 11.7.2003 zahlte die Beklagte 40.000 EUR an die Klägerin zurück.

Am 19.11., 12.12. und 17.12.2008 wurden Beträge von insgesamt 50.000 EUR vom Privatkonto des Geschäftsführers der Beklagten auf das Konto der Klägerin überwiesen. Als Verwendungszweck wurde angegeben: "Zuwendungszweck bekannt".

Mit Beschluss vom 29.1.2010 hat das LG die öffentliche Zustellung der Klageschrift sowie des Schriftsatzes vom 28.1.2011 bewilligt. Mit Versäumnisurteil vom 23.3.2010 hat das LG die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 60.729,68 EUR nebst 4 % Zinsen hieraus seit dem 5.12.2009 zu zahlen. Weiterhin ist die Beklagte verurteilt worden, an die Klägerin Rechtsanwaltskosten i.H.v. 1.761,08 EUR nebst Zinsen hieraus i.H.v. fünf Prozentpunkten seit dem 7.12.2009 zu zahlen. Mit Beschluss vom 23.3.2010 hat das LG auch die öffentliche Zustellung des Versäumnisurteils angeordnet. Am 9.7.2010 hat die Beklagte gegen das Versäumnisurteil Einspruch eingelegt.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, die Beklagte habe eine Zustellung von Klageschrift und Versäumnisurteil rechtsmissbräuchlich vereitelt, weshalb das Versäumnisurteil in rechtmäßiger Weise ergangen und zugestellt worden sei. Infolgedessen sei der Einspruch nicht fristgemäß eingelegt worden.

In der Sache hat die Klägerin vorgetragen, dass sich der Saldo unter Berücksichtigung der Rückzahlung über 40.000 EUR zum 11.7.2010 auf 60.729,68 EUR belaufen habe. Die im Jahr 2008 erfolgten Überweisungen vom Geschäftsführer der Beklagten seien ein privates Geschenk des Geschäftsführers anlässlich der Trennung der Lebenspartner gewesen.

Die Klägerin hat beantragt, das Versäumnisurteil vom 23.3.2010 aufrecht zu erhalten und der Beklagten auch die weiteren Kosten des Verfahrens aufzuerlegen.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 23.3.2010 abzuweisen.

Die Beklagte hat vorgetragen, dass die im Jahr 2008 gezahlten 50.000 EUR der Darlehensrückzahlung hätten dienen sollen und keinesfalls eine Schenkung an die Beklagte dargestellt hätten. Dies ergebe sich schon allein daraus, dass die Klägerin in der Steuererklärung für das Jahr 2008 keine Schenkung deklariert habe. Die Forderungsaufstellung der Klägerin sei insgesamt unzutreffend und beinhalte Zinseszinsen. Darüber hinaus seien die Zinsforderungen zum Teil verjährt, weshalb die Beklagte insoweit die Einrede der Verjährung erhebe. Für den Fall, dass das Gericht von einer Schenkung über 50.000 EUR ausgehen sollte, hat der Geschäftsführer der Beklagten diese Schenkung wegen groben Untergangs widerrufen und den aus dem Widerruf resultierenden Anspruch auf Rückzahlung an die Beklagte abgetreten. Hilfsweise hat die Beklagte sodann mit dem abgetretenen Anspruch auf Rückzahlung der 50.000 EUR aufgerechnet, für den Fall, dass das Gericht der Klägerin ansonsten den geltend gemachten Anspruch ganz oder teilweise zuerkenne.

Das LG hat die Klage unter Aufhebung des Versäumnisurteils vom 23.3.2010 abgewiesen. Es hat hierbei die Auffassung vertreten, dass das Versäumnisurteil nicht in gesetzlicher Weise ergangen sei, da eine öffentliche Zustellung der Klageschrift nicht hätte erfolgen dürfen. Nachdem die Klägerin die private Anschrift des Geschäftsführers der Beklagten in Frankreich mitgeteilt habe, h...

Das ist nur ein Ausschnitt aus dem Produkt Deutsches Anwalt Office Premium. Sie wollen mehr?

Anmelden und Beitrag in meinem Produkt lesen


Meistgelesene beiträge