Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 16.08.2012; Aktenzeichen 9 O 235/11)

 

Tenor

1. Auf die Berufung der Klägerinnen und unter Zurückweisung der Berufung der Beklagten wird das Grund-Urteil des LG Saarbrücken vom 16.8.2012 (Aktenzeichen 9 O 235/11) abgeändert:

Die Klageanträge zu 1 und 2 werden dem Grunde nach für gerechtfertigt erklärt.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1 sämtliche Schäden, die ihr aus dem Verkehrsunfall vom 4.5.2009 in S. zukünftig entstehen, zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung i.H.v. 120 v.H. des jeweils zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Klägerinnen vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leisten.

4. Die Entscheidung im Übrigen bleibt dem Schlussurteil vorbehalten.

5. Die Revision wird zugelassen.

 

Gründe

I. Die klagenden Erbinnen nach dem am 20.11.1939 geborenen und am 4.5.2009 bei einem Verkehrsunfall getöteten S. V. (im Folgenden auch als Erblasser bezeichnet) nehmen den beklagten Versicherer auf Grund dieses Unfalls auf Schadensersatz in Anspruch.

Die (am 18.6.2010 verstorbene) E. S. befuhr am 4.5.2009 gegen 18.22 Uhr mit dem bei der Beklagten haftpflichtversicherten Pkw Ford Fusion mit dem amtlichen Kennzeichen XXX-XX-XXX die V.-Straße in S. aus Richtung Z. straße kommend und bog nach rechts in die untergeordnete E. Allee ab. Unmittelbar im Einmündungsbereich der Allee in die V.-Straße befindet sich aus Fahrtrichtung von Frau S. gesehen rechts ein farblich hervorgehobener Radweg, an den sich unmittelbar ein Fußgängerüberweg anschließt. Dieser kombinierte Geh- und Radweg verläuft beiderseits der V.-Straße. Der Erblasser und S. A. befuhren mit ihren Fahrrädern diesen Radweg entgegen der Fahrtrichtung in Richtung Z. straße. Der von Frau S. geführte Pkw erfasste die beiden Radfahrer auf dem Radweg, wodurch sie so schwer verletzt wurden, dass sie noch am gleichen Tag verstarben. Der Erblasser trug im Unfallzeitpunkt keinen Schutzhelm.

Die Klägerinnen haben behauptet, Frau S. habe bei dem Rechtsabbiegevorgang die beiden Radfahrer kommen sehen, sei aber ohne ihre Geschwindigkeit zu verringern weitergefahren in der Annahme, sie habe Vorfahrt und die Radfahrer würden anhalten. Ein Mitverschulden der Radfahrer komme nicht in Betracht, weil die Regelung über die Benutzung linker Radwege wie das allgemeine Rechtsfahrgebot nur den Schutz des Gegen- und Überholverkehrs auf dem Radweg, nicht des Einbiege- und Querverkehrs bezwecke. Zur Ausgangsgeschwindigkeit des Erblassers haben sie sich mit Nichtwissen erklärt. Anhaltspunkte für eine schnelle, also über 15 km/h liegende Ausgangsgeschwindigkeit seien nicht vorhanden. Das Nichttragen eines Schutzhelms begründe kein Mitverschulden, weil der Erblasser weder im Umgang mit dem Rad unerfahren noch ein ambitionierter sportlicher Rennradfahrer gewesen sei. Die Klägerinnen haben Ersatz für die Beerdigung des Erblassers, für die Errichtung und Erstbepflanzung des Grabmals, den Wiederbeschaffungswert des Fahrrads, den Kleiderschaden und die zerstörte Uhr und eine Auslagenpauschale begehrt. Sie haben diesen materiellen Schaden auf insgesamt 22.669,28 EUR beziffert, so dass abzgl. vorgerichtlich gezahlter Vorschüsse i.H.v. 15.000 EUR noch 7.669,28 EUR verbleiben. Die Klägerin zu 1 macht darüber hinaus Schadensersatz wegen entgangenen Unterhalts und Haushaltsführungsschaden i.H.v. insgesamt 25.959,71 EUR für die Zeit vom 4.5.2009 bis September 2011 geltend und beantragt die Feststellung der Verpflichtung der Beklagten zum Ersatz zukünftiger Schäden.

Die Klägerinnen haben beantragt,

1. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerinnen als Gesamthandgemeinschaft 7.669,28 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen,

2. die Beklagte zu verurteilen, an die Klägerin zu 1 25.959,71 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen und

3. festzustellen, dass die Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin zu 1 sämtliche Schäden, die ihr aus dem Verkehrsunfall vom 4.5.2009 in S. zukünftig entstehen, in vollem Umfang zu ersetzen, soweit die Ansprüche nicht auf Dritte übergegangen sind.

Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen.

Sie hat den Feststellungsantrag für unbestimmt gehalten und das Vorliegen eines Feststellungsinteresses bestritten. Darüber hinaus hat sie vorgetragen, Frau S. habe den rechten Fahrtrichtungsanzeiger betätigt. Der Erblasser sei auf dem abschüssigen Radweg nicht nur entgegen der Fahrtrichtung, sondern äußerst sportlich ohne jegliche Schutzbekleidung mit einer Geschwindigkeit von mindestens 25 km/h gefahren. Hätte er einen Fahrradhelm benutzt, so hätte er kein Schädelhirntrauma erlitten, welches letztendlich zum Tode geführt habe.

Das LG hat Beweis erh...

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