Leitsatz (amtlich)

1. Pflichtteilsergänzungsanspruch (§ 2325 BGB) bei Gewährung eines sog. Zuwendungsnießbrauchs. ≫2. Hat die Erblasserin anlässlich der Veräußerung eines Hausgrundstücks an ihren Enkelsohn unter Vorbehalt eines eigenen, lebenslangen Nießbrauchs zugleich auch ihrem Sohn ein weiteres, aufschiebend auf ihren Tod bedingtes lebenslanges Nießbrauchsrecht eingeräumt, so liegt darin mangels Unentgeltlichkeit bereits keine Schenkung als Voraussetzung eines Pflichtteilsergänzungsanspruchs und mangelt es auch in der Rechtsfolge an einem "verschenkten Gegenstand", weil der Begünstigte - wie in anderen Fällen mittelbarer Zuwendungen - dadurch nicht aus dem Vermögen der Erblasserin heraus bereichert worden ist.

 

Normenkette

BGB § 2325

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 27.02.2023; Aktenzeichen 14 O 364/20)

 

Tenor

I. Die Berufung der Kläger gegen das am 27. Februar 2023 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 14 O 364/20 - wird zurückgewiesen.

II. Die Kosten des Berufungsverfahrens sind von der Klägerin zu 1) zu 2/3 und von dem Kläger zu 2) zu 1/3 zu tragen.

III. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil des Landgerichts sind vorläufig vollstreckbar. Der jeweilige Vollstreckungsschuldner darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

V. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 29.258,- Euro festgesetzt.

 

Gründe

I. Die Parteien sind Geschwister; sie streiten nach dem Tode ihrer am 19. Dezember 2017 verstorbenen Mutter I. S. (im Folgenden: Erblasserin) um Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsansprüche. Die Erblasserin war mit J. S. verheiratet gewesen, der an Lungenkrebs erkrankt war und am 13. August 2014 vorverstorben ist; beide hinterließen die Parteien als ihre einzigen Abkömmlinge. Am 29. Juli 2011 hatten die Eheleute einen notariellen Erbvertrag errichtet (UR 178/2011V des Notars T. R. = Anlage K2, BI. 2 ff. Anlagenband K), in dem sie sich gegenseitig, der Erstversterbende den Längerlebenden, zum alleinigen und unbeschränkten Erben eingesetzt hatten. Außerdem enthielt der Erbvertrag als - ausdrücklich - einseitige Verfügung des Längstlebenden eine Erbeinsetzung der drei Kinder zu jeweils 1/3. Mit notarieller Urkunde vom 9. Februar 2017 (UR 0139/2017 der Notarin Dr. D. K. = Anlage K3, Bl. 5 ff. Anlagenband K) errichtete die Erblasserin, die im Jahre 2016 an Darmkrebs erkrankt war, ein Testament, in dem sie sämtliche früheren Verfügungen von Todes wegen, insbesondere diejenige aus dem vorbezeichneten Erbvertrag, widerrief, den Beklagten zu ihrem alleinigen Erben berief und diesen mit Vermächtnissen in Höhe von 30.000,- Euro zugunsten des Klägers zu 2) und von 20.000,- Euro zugunsten der Klägerin zu 1) beschwerte, verbunden mit der Anordnung, dass eine eventuelle Pflichtteilslast im Verhältnis zwischen Erbe und Vermächtnisnehmer vom Vermächtnisnehmer allein zu tragen sei. Ebenfalls am 9. Februar 2017 schloss die Erblasserin - als "Veräußerer" - mit dem Sohn des Beklagten, M. S. - als "Erwerber" - und dem Beklagten - als "weiterer Beteiligter" - einen notariellen "Übergabevertrag" (UR 0138/2017 derselben Notarin = Anlage K4, BI. 10 ff. Anlagenband K). Darin übertrug sie dem Sohn des Beklagten den damals von ihr bewohnten, in ihrem Alleineigentum stehenden, im Grundbuch von O. Blatt 4149 verzeichneten Grundbesitz "S.-Straße 73", lfd. Nr. 2 Flur 20, Nr. 122/65, Hof- und Gebäudefläche, groß 6,00 ar, Wiese, groß 12,35 ar. Unter "III. - Gegenleistungen, Vorbehalte, Auflagen" wurde die Zahlung eines am 30. Juni 2017 fälligen "Übernahmepreises" von 50.000,- Euro durch den Sohn des Beklagten vereinbart, wobei im Falle der Nichtzahlung Verzug ohne Mahnung eintreten sollte und die Beteiligten ausdrücklich darauf verzichteten, die Umschreibung von der vorherigen Zahlung abhängig zu machen. Außerdem behielt sich die Erblasserin an dem Grundbesitz ein lebenslängliches unentgeltliches Nießbrauchsrecht vor, dessen Eintragung gleichzeitig mit der Eintragung des Eigentumswechsels bewilligt und beantragt wurde; bis zu dessen Eintragung sollte ein inhaltsgleiches schuldrechtliches Nießbrauchsrecht gelten, der einjährige Wert des Rechts wurde mit 9.600,- Euro angegeben. Sodann heißt es weiter:

"Der Veräußerer bestellt zu Gunsten des Mitbeteiligten, Herrn A. S. an dem in dieser Urkunde übertragenen Grundbesitz ein lebenslängliches unentgeltliches Nießbrauchsrecht, und zwar aufschiebend bedingt auf den Todesfall des Veräußerers, Frau I. S..

Im Rahmen dieses Nießbrauches wird vereinbart, dass der Nießbraucher sämtliche mit dem Grundbesitz zusammenhängenden Lasten und Aufwendungen wie ein Eigentümer zu tragen hat. (...).

Ab sofort bis zur Entstehung des Nießbrauchsrechtes durch Eintragung im Grundbuch gilt ein inhaltsgleiches schuldrechtliches Nießbrauchsrecht.

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