Leitsatz (amtlich)

1. Der vom Käufer angeführte Vertrauensverlust gegenüber dem Hersteller wegen einer diesem etwaig anzulastenden Täuschungshandlung vermag eine Unzumutbarkeit der Nacherfüllung im Wege der Durchführung eines Software-Updates gegenüber dem Händler nicht zu begründen. Ein etwaiges Verschulden des Herstellers muss sich der Händler nicht zurechnen lassen, da der Hersteller nach allgemeiner Auffassung kein Erfüllungsgehilfe des Verkäufers ist.

2. Selbst wenn man es ausreichen ließ, dass die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung auch daraus resultieren kann, dass das Vertrauen des Käufers in den Hersteller des betreffenden Produktes nachhaltig gestört ist, ohne dass dem Verkäufer bzw. Händler selbst ein Fehlverhalten anzulasten ist, vermag dies eine Unzumutbarkeit dann nicht zu begründen, wenn bereits zum Zeitpunkt der Rücktrittserklärung bekannt war, dass die Entwicklung der vorgesehenen Nachbesserungsmaßnahmen unter öffentlicher Aufsicht durch das Kraftfahrt-Bundesamt erfolgt war.

3. Die von dem Käufer geäußerte Befürchtung, dass auch nach Durchführung des Software-Updates mit einem Fahrverbot zu rechnen sei, vermag die Unzumutbarkeit der Nacherfüllung nicht zu begründen. Sollte die Befürchtung allgemein auf (geplante oder diskutierte) Fahrverbote in einzelnen Städten gegründet sein, fehlt bereits jeglicher Bezug zu dem vorliegend relevanten Mangel. Dass der hier relevante Sachmangel, nämlich die Betriebsuntersagung infolge des Entzugs der EG-Typgenehmigung, auch nach Durchführung des Software-Updates weiterhin bestehen würde, kann unter Berücksichtigung der Ausführungen des Kraftfahrt-Bundesamtes in der Bestätigungserklärung vom 5. September 2016 nicht angenommen werden.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 12 O 132/17)

 

Nachgehend

BGH (Beschluss vom 11.01.2022; Aktenzeichen VIII ZR 33/20)

 

Tenor

1. Auf die Erstberufung der Beklagten wird das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28. November 2018 - 12 O 132/17 - teilweise abgeändert und die Klage insgesamt abgewiesen.

2. Der Kläger ist, nachdem er seine Zweitberufung gegen das Urteil des Landgerichts Saarbrücken vom 28. November 2018 - 12 O 132/17 - zurückgenommen hat, des eingelegten Rechtsmittels verlustig.

3. Die Kosten des Rechtsstreits trägt der Kläger.

4. Dieses Urteil ist ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 115 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger nimmt die Beklagte auf Rückabwicklung eines Kaufvertrags über ein von dem sog. Dieselabgasskandal betroffenes Fahrzeug in Anspruch.

Mit schriftlichem Kaufvertrag vom 11. April 2012 erwarb der Kläger von der Beklagten, die als sog. Audi Zentrum Fahrzeuge dieser Marke gewerblich veräußert, einen gebrauchten Pkw der Audi A4 Avant 2,0 TDI, 105 kW, Fahrzeug-Ident.-Nr. XXXXXXXXXX, mit einer damaligen Laufleistung von 26.100 km zu einem Preis von 26.400,00 EUR (22.184,87 EUR netto). In dem Fahrzeug war ein Dieselmotor der Baureihe EA 189 (Abgasnorm Euro 5) eingebaut, der zum Zeitpunkt der Übergabe des Fahrzeugs mit einer Software ausgestattet war, die den Stickstoffausstoß auf dem Prüfstand (Modus 1) gegenüber dem normalen Fahrbetrieb (Modus 0) infolge einer höheren Abgasrückführungsrate reduziert, d.h. der Modus 1 war nur beim Durchfahren des Neuen Europäischen Fahrzyklus (NEFZ) aktiv. Ab September 2015 wurde die Verwendung dieser Software mit zwei Betriebsmodi zur Fahrzeugsteuerung bekannt. Später ordnete das Kraftfahrt-Bundesamt, das diese Software als eine unzulässige Abschalteinrichtung im Sinne von Art. 5 Abs. 2, Art. 3 Ziffer 10 der Verordnung (EG) Nr. 715/2007 einordnete, den Rückruf derjenigen Fahrzeuge an, die mit der oben genannten Software ausgerüstet worden waren. Es gab dem Hersteller auf, Maßnahmen zu entwickeln und nach Freigabe zu ergreifen, um die betroffenen Fahrzeuge in einen ordnungsgemäßen Zustand zu versetzen. Im Rahmen der nach der Entwicklung der notwendigen Software und ihrer Freigabe durch das Kraftfahrt- Bundesamt - für Fahrzeuge mit dem EA 189-Motor und einem Hubraum von 1,2 und 2,0 Liter wurde ausschließlich eine Softwarelösung entwickelt und wurde für den vorliegenden Fahrzeugtyp die Freigabeerklärung durch das Kraftfahrt-Bundesamt am 5. September 2016 erteilt - schließlich folgenden Rückrufaktion bot der Hersteller den Kunden und darunter auch dem Kläger an, sein Fahrzeug bzw. die hier installierte Software zur Motorsteuerung kostenfrei einem Software-Update zu unterziehen, das nach Aufspielen auf die betroffenen Fahrzeuge dazu führen solle, dass auch im normalen Betrieb die öffentlich-rechtlichen Grenzwerte eingehalten würden. Nach der Installation des Updates würde der Motor des Fahrzeugs durchgängig in einem angepassten Modus 1 betrieben.

Mit außerprozessualem anwaltlichem Schreiben vom 16. Mai 2017 erklärte der Kläger den Rücktritt vom Kaufvertrag und ford...

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