Leitsatz (amtlich)

1. Ein Geschwindigkeitsverstoß ist für den Schaden auch dann kausal - und bei der Haftungsabwägung nach § 17 StVG zu gewichten - wenn der Unfall bei Einhaltung der vorgeschriebenen Geschwindigkeit zwar nicht vermieden, die Unfallfolgen aber wesentlich geringer ausgefallen wären.

2. Ist eine Aufklärung, wie sich der Schaden bei verkehrsgerechtem Verhalten exakt ereignet hätte, mit zumutbarem forensischen Aufwand nicht zu leisten, kann der Verursacherbeitrag in Gestalt einer einheitlichen Haftungsquote angerechnet werden.

 

Normenkette

StVG §§ 7, 17

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 09.09.2013; Aktenzeichen 12 O 282/10)

 

Tenor

1. Die Erstberufung der Klägerin und die Zweitberufung der Beklagten werden zurückgewiesen.

2. Von den Kosten des Berufungsverfahrens tragen die Klägerin 55 %, die Beklagten als Gesamtschuldner 45 %.

3. Das Urteil und das angefochtene Urteil sind ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagten aufgrund eines Verkehrsunfalls, welcher sich am ... 2009 in M. ereignete, aus übergegangenem Recht ihres in Folge des Verkehrsunfalls verstorbenen Ehemanns (im Folgenden: der Geschädigte) auf Schadensersatz in Anspruch.

Der Geschädigte war Fahrer und Halter eines Pkws der Marke BMW Z4 und war mit seinem Fahrzeug auf der Von-B.-L.-Straße in Richtung O. unterwegs. Vor ihm fuhr der Beklagte zu 1) als Fahrer und Halter eines bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Fahrzeugs der Marke Toyota RAF 4, welches zum fraglichen Zeitpunkt einen Anhänger zog. In der Absicht, auf der Straße zu wenden, um wieder in Richtung Ortsmitte zu fahren, lenkte der Beklagte zu 1) sein Gespann zunächst auf den rechten Gehweg, um sodann von dort aus in einem Zug zu wenden. Bei diesem Manöver fuhr der Geschädigte von hinten auf das im Wenden begriffene Gespann auf. Der Geschädigte erlitt einen Genickbruch und verstarb am ... 2009.

Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, dass der Beklagte zu 1) den Unfall allein schuldhaft verursacht habe. Er sei unaufmerksam gewesen, weil er das erkennbar herannahende Fahrzeug ihres verstorbenen Ehemannes übersehen habe. Dieser habe geglaubt, dass der Beklagte zu 1) wieder anfahre, um weiter in Richtung O. zu fahren. Der Geschädigte habe daher dessen Fahrzeug überholen wollen.

Die Klägerin hat folgende Schadenspositionen geltend gemacht: Für den auf der Grundlage des Wiederbeschaffungsaufwandes berechneten Fahrzeugschaden 14.000 EUR, Sachverständigenkosten i.H.v. 1.202,26 EUR, Abmeldekosten i.H.v. 65 EUR, Abschleppkosten i.H.v. 292,07 EUR, ein Schmerzensgeld i.H.v. 1.000 EUR, Standgeld i.H.v. 261,80 EUR, Beerdigungskosten i.H.v. 5.992,32 EUR sowie eine allgemeine Unkostenpauschale i.H.v. 25 EUR. Hierauf haben die Beklagten einen Teilbetrag von 7.000 EUR bezahlt.

Die Klägerin hat beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen,

1. an die Klägerin 15.768,45 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Klägerin von den vorprozessualen Gebührenansprüchen ihrer Rechtsanwälte i.H.v. 899,40 EUR freizustellen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet, der Beklagte zu 1) habe sein Fahrzeug am Fahrbahnrand angehalten und sich nach rechts und links hin vergewissert, dass er frei fahren könne. Zu diesem Zeitpunkt habe er das Fahrzeug des Geschädigten nicht gesehen. Zur Kollision sei es erst gekommen, nachdem er während des Wendevorgangs bereits über die mittlere Fahrspur mit dem Zugfahrzeug hinausgefahren sei. Der Ehemann der Klägerin sei mit nicht angepasster Geschwindigkeit gefahren und nicht angeschnallt gewesen.

Das LG hat die Beklagten hinsichtlich der Sachschäden auf der Grundlage einer Haftungsquote von einem Drittel zu zwei Dritteln zum Nachteil der Beklagten, hinsichtlich der Personenschäden auf hälftiger Haftungsgrundlage zur Zahlung von 7.023,25 EUR nebst anteiliger Freistellung von den Gebührenansprüchen verurteilt.

Hiergegen wenden sich die Parteien mit ihren Berufungen. Die Klägerin verfolgt ihr erstinstanzliches Klagebegehren im abgewiesenen Umfang weiter und vertritt die Auffassung, dass dem Beklagten zu 1) ein besonders grobes Verschulden vorzuwerfen sei, da er nicht nur gegen die Sorgfaltspflichten beim Wenden verstoßen habe, sondern zudem mit einem Anhänger gewendet habe. Demgegenüber sei dem Geschädigten eine Geschwindigkeitsüberschreitung nicht nachgewiesen worden. Auch eine falsche Reaktion könne dem Geschädigten nicht angelastet werden.

Die Klägerin beantragt,

1. unter teilweiser Aufhebung des angefochtenen Urteils die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an die Klägerin 15.768,45 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.10.2010 zu zahlen;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von den Gebührenansprüchen ihres Prozessbevollmächtigten i.H.v. 899,40 EUR abzgl. bereits gez...

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