Leitsatz (amtlich)

Die Annahme der Ursächlichkeit einer Geschwindigkeitsüberschreitung eines Pkw-Fahrers für eine Kollision mit einem aus einer Grundstückseinfahrt in die Fahrbahn einfahrenden Pkw erfordert die Feststellung, wann der Pkw unter Berücksichtigung des Zeitpunkts der Reaktionsaufforderung, der Reaktions- und Bremsschwellzeit und des Bremsweges (frühestens) hätte zum Stehen kommen können.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 3 O 479/14)

 

Tenor

1. Die Berufung des Klägers gegen das am 04.07.2017 verkündete Urteil des Landgerichts Saarbrücken - 3 O 479/14 - wird zurückgewiesen.

2. Die Kosten des Berufungsverfahrens werden dem Kläger auferlegt.

3. Dieses Urteil und das angefochtene Urteil sind vorläufig vollstreckbar.

4. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger macht restliche Schadensersatz- und Schmerzensgeldansprüche aus einem Verkehrsunfall geltend, der sich am 02.08.2014 gegen 21.30 Uhr in Merzig in der Trierer Straße ereignet hat. Der Beklagte zu 2 befuhr mit dem bei der Beklagten zu 1 haftpflichtversicherten Pkw, amtliches Kennzeichen XXX-XX XX, die Trierer Straße aus Richtung Innenstadt kommend. In Höhe des Anwesens Nr. XXX kollidierte er mit dem Pkw des Klägers, amtliches Kennzeichen XXX-XX XXX.

Der dem Kläger entstandene materielle Schaden beläuft sich - wie im Berufungsverfahren außer Streit ist - auf insgesamt 8.008,26 EUR zuzüglich eines ebenfalls unstreitigen Haushaltsführungsschadens in Höhe von 612 EUR.

Der Kläger war nach der Kollision bewusstlos und wurde stationär bis zum 05.08.2014 behandelt. Er erlitt bei dem Unfall eine Kieferfraktur (Fraktur des Korpus mandibuli rechts im Kieferwinkel), welche am 03.08.2014 operativ versorgt werden musste, eine Gehirnerschütterung und ein stumpfes Bauchtrauma. Vom 02.08.2014 bis zum 17.09.2014 und vom 08.01.2016 bis zum 20.01.2016 im Rahmen der Entfernung des Osteosynthesematerials war er zu 100 % arbeitsunfähig. Der Kiefer des Klägers war für zwei Wochen komplett verdrahtet, anschließend mit Gummizügen; der Kläger konnte 6 Wochen lang nur flüssig-weiche Kost zu sich nehmen und nahm 12 kg an Körpergewicht ab; anschließend musste er weitere Schienen tragen. Infolge des Unfalls wurde zudem ein Zahn so beschädigt, dass eine Wurzelbehandlung und Überkronung erforderlich wurde.

Der Kläger hat zum Unfallhergang behauptet, er sei mit seinem Pkw vorwärts aus der Einfahrt des Anwesens ... pp. herausgefahren, um nach links in Richtung Innenstadt zu fahren. Er habe sich langsam vorangetastet, weil seine Sicht nach rechts durch einen dort am Straßenrand parkenden Geländewagen eingeschränkt gewesen sei. Er habe zunächst nach links geschaut, wo er in weitem Abstand das Fahrzeug des Beklagten zu 2 gesehen habe. Hätte der Beklagte zu 2 die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h eingehalten, wäre es ihm, dem Kläger, ohne weiteres möglich gewesen, noch vor ihm abzubiegen. Nachdem er sich vergewissert habe, dass von rechts kein Fahrzeug komme, habe er, auf der Fahrbahn quer zur Fahrtrichtung stehend, gerade wieder nach links schauen und anfahren wollen, als sich von links mit weit überhöhter Geschwindigkeit der Beklagte zu 2 angenähert habe, der ungebremst in die linke Seite seines quer zur Fahrtrichtung stehenden Fahrzeugs hineingefahren sei.

Einen Wendevorgang vom Straßenrand aus, wie beklagtenseits behauptet, habe er nicht durchgeführt. Er habe sein Fahrzeug zwar insoweit gewendet, als er zunächst rückwärts in die Einfahrt des Anwesens Nr. XXX gefahren sei, um dann wieder vorwärts herauszufahren und nach links in Richtung Innenstadt zu fahren; dieser Wendevorgang sei jedoch zum Unfallzeitpunkt schon abgeschlossen gewesen. Die überhöhte Geschwindigkeit des Beklagten zu 2 sei unfallursächlich gewesen; jedenfalls wären die Beschädigungen am klägerischen Fahrzeug und die erlittenen Verletzungen des Klägers bei Einhaltung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit deutlich geringer ausgefallen.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, der Beklagte zu 2 habe den Unfall allein verschuldet.

Der Kläger hat zuletzt beantragt,

1. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger 8.185,76 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen sowie an den Kläger darüber hinaus 1.082,31 EUR nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit zu zahlen;

2. die Beklagten zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, mindestens 10.000 EUR zu zahlen, nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit;

3. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger jedweden weiteren materiellen und immateriellen Schaden aus dem Verkehrsunfall vom 02.08.2014 zu ersetzen, soweit der Anspruch nicht kraft Gesetzes auf Dritte, insbesondere Sozialversicherungsträger übergegangen ist.

Die Beklagten haben beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie haben zum Unfallhergang behauptet, der Kläger habe mit seinem Pkw zu...

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