Entscheidungsstichwort (Thema)

Anfechtung eines Darlehensvertrages wegen arglistigem Verschweigen von gerichtlichen Mahnverfahren und erfolglosen Vollstreckungsmaßnahmen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Ein Darlehensnehmer handelt arglistig i.S.d. § 123 Abs. 1 BGB, wenn er Umstände verschweigt, die für die Kreditentscheidung wesentlich sind. Auch ungefragt und selbst nach Beantragung des Kredits muss der Darlehensnehmer den Darlehensgeber über eine eingeleitete Zwangsvollstreckung aufklären.

2. Handelt der Darlehensnehmer in besonders grobem Maße treuwidrig, so kann er daraus, dass dem Darlehensgeber bei der Kreditvergabeprüfung Nachlässigkeiten unterlaufen sind, keine Rechte herleiten.

 

Normenkette

BGB §§ 123-124

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 29.06.2005; Aktenzeichen 6 O 182/04)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 29.6.2005 verkündete Urteil des LG Saarbrücken - 6 O 182/04 - wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

Dem Kläger wird nachgelassen, die Vollstreckung der Beklagten durch Sicherheitsleistung i.H.v. 115 % des beizutreibenden Betrages abzuwenden, es sei denn, die Beklagte leistet zuvor Sicherheit in gleicher Höhe.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

A. Der Kläger verlangt Erfüllung des am 05./30.6.2003 (Bl. 7 ff.) mit der Beklagten geschlossenen Darlehensvertrages. Der Darlehensbetrag dient dem Erwerb eines Einfamilienhauses in L. (vgl. Kaufvertrag vom 23.12.2002 [Bl. 30 ff.] i.V.m. seiner Abänderung vom 23.12.2003 [Bl. 26 ff.], nachdem über das Vermögen der Verkäuferin das Insolvenzverfahren eröffnet worden war). Der Darlehensbetrag sollte nach Ablauf einer der Beklagten zur Sicherheit abzutretenden Lebensversicherung aus dieser getilgt werden. Im Folgenden haben sich die Parteien auf die Abtretung eines Bausparvertrages statt der Lebensversicherung geeinigt. Dem Vertrag lagen die AGB (Bl. 15 ff.) und die Finanzierungsbedingungen (FinB, Bl. 21 ff.) der Beklagten zugrunde.

In seiner Selbstauskunft vom 4.2.2003 (Bl. 68 ff.) hat der Kläger die Frage, ob gerichtliche Mahnverfahren vorgekommen seien, mit "Nein" beantwortet.

Unter dem 8.3.2004 (Bl. 43) erklärte die Beklagte aufgrund "neuer Informationen der Schufa" - vom 1.3.2004 (Bl. 67), wonach unter dem 14.5.2003 gegen den Beklagten ein Haftbefehl ergangen war - "und diverser Leistungsrückstände seit Oktober 2003 und der damit notwendigen Neubewertung Ihrer wirtschaftlichen Verhältnisse" unter Berufung auf Ziff. 19 ihrer AGB und Ziff. 11.1 ihrer FinB die sofortige Kündigung des Darlehensvertrages. Diese wiederholte sie mit Schreiben vom 25.3.2004 (Bl. 61 ff.; 64 ff.).

Mit Schreiben vom 27.9.2004 (Bl. 108 f.) hat die Beklagte unter Hinweis auf das Verschweigen der Ladung zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung am 30.4.2003 die Anfechtung des Darlehensvertrages wegen arglistiger Täuschung erklärt und hilfsweise ihre beiden Kündigungserklärungen auch hierauf gestützt.

Durch das angefochtene Urteil (Bl. 217 ff.), auf dessen tatsächliche und rechtliche Feststellungen vollumfänglich gem. § 540 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 ZPO Bezug genommen wird, hat das LG die Klage abgewiesen. Der Kläger könne aus dem Darlehensvertrag keine Ansprüche herleiten, da die Beklagte diesen wegen arglistiger Täuschung nach § 123 BGB wirksam angefochten habe. Der Kläger habe in seiner Selbstauskunft die Frage nach gerichtlichen Mahnverfahren verneint, obwohl bereits im Jahre 2001 ein solches gegen ihn anhängig und ihm auch bekannt gewesen sei. Zudem habe er seine Aufklärungspflichten dadurch verletzt, dass er die Beklagte vor Unterzeichnung des Darlehensvertrages am 13.6.2003 nicht darüber aufgeklärt habe, dass er auf den 30.4.2003 zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung geladen worden sei. Hiervon habe er, wie sich aus den beigezogenen Akten des Gerichtsvollziehers ergebe, Kenntnis gehabt. Hierdurch habe er die Beklagte arglistig über seine Vermögensverhältnisse getäuscht und sie veranlasst, den Darlehensvertrag mit ihm zu schließen, wofür bereits der Beweis des ersten Anscheins spreche. Die Anfechtung sei auch innerhalb der Jahresfrist des § 124 BGB erfolgt, da die Beklagte erst nach Einsicht in die Akten des AG Ottweiler am 29.8.2004 ausreichende Kenntnis hiervon erlangt habe. Dem stehe auch nicht entgegen, dass die Beklagte bereits aufgrund einer Schufa-Auskunft vom 6.8.2003 Kenntnis von dem gegen den Kläger ergangenen Haftbefehl gehabt habe. Zwar müsse diesem gem. § 901 ZPO ein Termin zur Abgabe der eidesstattlichen Versicherung vorausgegangen sein, eine Kenntnis der Beklagten hiervon stehe jedoch nicht fest. Ein bloßer Verdacht oder ein bloßes Kennenmüssen reiche aber nicht aus.

Selbst wenn man dies anders sehen wollte, wäre die Anfechtung bereits fristgemäß durch das Schreiben der Beklagten vom 25.3.2004 erfolgt. Zwar werde ausdrücklich nur die Kündigung erklärt, es werde aber auch zum Ausdruck gebracht, dass die Beklagte bereits zu diesem Zeitpunkt den Darlehensvertrag wegen eines...

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