Entscheidungsstichwort (Thema)

Haftungsverteilung beim Zusammenstoß eines falsch blinkenden vorfahrtsberechtigten Fahrers mit einem wartepflichtigen Unfallgegner

 

Leitsatz (amtlich)

Der Wartepflichtige darf sich auf ein Blinksignal des Vorfahrtsberechtigten erst dann verlassen, wenn sich die Abbiegeabsicht des Bevorrechtigten in der Gesamtschau der Fahrsituation - sei es durch eindeutige Herabsetzung der Geschwindigkeit, sei es durch den Beginn des Abbiegens selber - zweifelfrei manifestiert. Den Wartepflichtigen trifft jedenfalls dann die überwiegende Haftung, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Fahrtrichtungsanzeiger in deutlichem Abstand zur Kreuzung wieder zurückgesetzt worden ist.

 

Normenkette

StVG §§ 7, 17; StVO § 1 Abs. 2, § 8 Abs. 2

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 03.04.2007; Aktenzeichen 16 O 331/06)

 

Tenor

I. Die Berufung der Klägerin und die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des LG Saarbrücken vom 3.4.2007 - 16 O 331/06 - werden zurückgewiesen.

II. Die Klägerin trägt 23/52, die Beklagten als Gesamtschuldner tragen 29/52 der Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

IV. Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 5.212,10 EUR (Erstberufung der Klägerin: 2.303,02 EUR; Zweitberufung der Beklagten: 2.909,08 EUR) festgesetzt.

V. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Im vorliegenden Rechtsstreit nimmt die Klägerin die Beklagten aus einem Verkehrsunfall, der sich am 19.6.2006 in W.-W. ereignete, auf Schadensersatz und Schmerzensgeld in Anspruch.

Die Klägerin befuhr mit ihrem Pkw der Marke Ford-Fiesta, amtliches Kennzeichen XXX, die vorfahrtsberechtigte Straße von W. in Richtung W. Von rechts mündet die untergeordnete Straße "Straßenname1" aus Richtung N. ein. Die Beklagte zu 3) bog mit dem von ihr geführten, von dem Beklagten zu 1) gehaltenen und bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw der Marke Peugeot, amtliches Kennzeichen YYY, von dieser untergeordneten Straße nach links auf die bevorrechtigte Straße ein. Im Einmündungsbereich kam es zur Kollision.

Die Klägerin erlitt infolge des Zusammenpralls eine Knie- und eine Steißbeinprellung, eine HWS-Distorsion und eine Prellmarke vom Rettungsgurt. Sie war im Zeitraum vom 19.6.2006 bis 31.7.2006 zu 100 % krank geschrieben. In der Folgezeit litt sie unter Schmerzen und Verspannungen, die nur langsam zurückgingen. Sie befand sich in hausärztlicher Betreuung sowie in krankengymnastischer Behandlung, die mit regelmäßigen Untersuchungen im ~krankenhaus in W. verbunden waren.

Unfallbedingt entstand ein Verdienstausfallschaden i.H.v. 444 EUR sowie ein Haushaltsführungsschadens i.H.v. 675 EUR.

Die Kosten für die Instandsetzung des Pkws der Klägerin beliefen sich auf 6.943,10 EUR, wovon die Beklagte zu 2) 4.000 EUR beglich. Die Klägerin ließ ihren Pkw durch die Firma B. abschleppen, wodurch weitere Kosten i.H.v. 150 EUR anfielen. Sie trat ihre Schadensersatzansprüche wegen der Beschädigung des Fahrzeugs sicherheitshalber an die Firma B. ab. Die persönliche Haftung der Klägerin für die entstandenen Reparaturkosten blieb davon unberührt.

Die Klägerin hat behauptet, sie sei in einem Abstand von circa 50 m hinter dem Zeugen B2 hergefahren. Etwa 100 m bis 150 m vor der Einmündung habe sie den Fahrtrichtungsanzeiger nach rechts gesetzt, da sie davon ausgegangen sei, dass auch der Zeuge B2 nach rechts fahren werde. Als der Zeuge jedoch keine Anstalten gemacht habe, um nach rechts abzubiegen, habe sie - noch bevor der Zeuge die Einmündung erreicht gehabt habe - den Blinker wieder ausgeschaltet. Sie habe sich mit circa 60 km/h pro Stunde der Einmündung genähert, als die Beklagte zu 3) unter Missachtung der Vorfahrt und ohne sich in Richtung der Klägerin umzublicken in die vorfahrtsberechtigte Straße eingefahren sei.

Die Klägerin begehrt im Wege der Freistellung Erstattung der entstandenen Sachschäden sowie die Zahlung eines Schmerzensgeldes, welches mit mindestens 1.000 EUR zu bemessen sei. Darüber hinaus begehrt die Klägerin Erstattung vorgerichtlicher Rechtsanwaltskosten i.H.v. 266,45 EUR sowie Ausgleich des Verdienstausfalls und des Haushaltsführungsschadens.

Die Klägerin hat zuletzt beantragt, die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, die Klägerin von den restlichen Ansprüchen der Firma P. B. aus den Rechnungen Nr. ~4 und Nr. ~3 i.H.v. insgesamt 3.093,10 EUR zzgl. Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 26.7.2006 durch Zahlung an die Firma P. B. freizustellen, weitere 2.794 EUR nebst Zinsen i.H.v. fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 9.10.2006 und außergerichtliche Kosten i.H.v. 266,45 EUR an die Klägerin zu zahlen.

Dem sind die Beklagten entgegengetreten. Die Beklagten haben behauptet, am Fahrzeug der Klägerin sei bei der Annäherung an die Einmündung der rechte Blinker gesetzt gewesen. Auch die Geschwindigkeit der Klägerin habe dieser angekündigten Fahrtrichtungsanzeige entsprochen. Daher habe die Beklagte zu 3) davon ausgehen dürfen, dass die Klägerin in...

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