Leitsatz (amtlich)

Gerät der Verleiher eines Arbeitnehmerüberlassungsvertrages in Insolvenz und wird der Entleiher von Sozialversicherungsträgern auf vom Verleiher nicht abgeführte Sozialversicherungsbeiträge in Anspruch genommen, so kann der Entleiher i.H.d. von ihm gezahlten Beiträge ggü. dem noch nicht gezahlten Teil der Arbeitnehmerüberlassungsvergütung gem. § 103 InsO i.V.m. § 320 BGH die Einrede des nicht erfüllten Vertrages erheben. Dies gilt auch dann, wenn der Arbeitnehmerüberlassungsvertrag wegen Nichteinhaltung der Formvorschrift des § 12 AÜG nichtig ist.

 

Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 24.09.2002; Aktenzeichen 7 IV O 113/01)

 

Nachgehend

BGH (Urteil vom 02.12.2004; Aktenzeichen IX ZR 200/03)

 

Tenor

I. Die Berufung des Klägers gegen das am 24.9.2002 verkündete Urteil des LG Saarbrücken (7 IV O 113/01) wird zurückgewiesen.

II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III. Dieses Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Zwangsvollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung i.H.v. 115 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit i.H.v. 115 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV. Gegen dieses Urteil wird die Revision zum BGH zugelassen.

 

Gründe

A. Durch Beschluss des AG Saarbrücken vom 1.10.2000 (58 IN 115/00 – Bl. 7 d.A.) wurde das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Firma (im Folgenden Insolvenzschuldnerin) eröffnet und der Kläger zum Insolvenzverwalter bestellt. Unternehmensgegenstand der Insolvenzschuldnerin war u.a. die gewerbsmäßige Arbeitnehmerüberlassung. Die nach § 1 AÜG notwendige Erlaubnis für die Arbeitnehmerüberlassung war ihr durch das Landesarbeitsamt Rheinland-Pfalz/Saarland erteilt worden (Bl. 2 d.A.).

Mit der vorliegenden Klage hat der Kläger Forderungen der Insolvenzschuldnerin aus Arbeitnehmerüberlassungsverträgen mit der Beklagten für den Zeitraum von Juli bis September 2000 i.H.v. 20.388,17 Euro (= 39.875,80 DM) geltend gemacht (Bl. 3 d.A.). Die Insolvenzschuldnerin und die Beklagten schlossen am 28.6.2000 einen Arbeitnehmerüberlassungsvertrag, durch den sich die Insolvenzschuldnerin verpflichtete, der Beklagten vom 30.6.2000 an bis auf unbestimmte Zeit, höchstens jedoch für 12 Monate, Personal (Schweißer) für eine Baustelle in Burbach zur Verfügung zu stellen (vgl. Vertragsurkunde im Ordner „Anlagen der Beklagten”). Der Vertrag enthält folgenden Passus:

„Arbeitsschutzvereinbarung und Zahlungsweise siehe Schreiben”.

Diesen Zusatz hatte die Beklagte eingefügt, nachdem ihr das von der Insolvenzschuldnerin bereits unterschriebene Vertragsformular übersandt worden war. Das mit der Änderung versehene Vertragsformular hatte die Beklagte unterschrieben an die Insolvenzschuldnerin zurückgesandt (Bl. 108 d.A.). Beigefügt war ein Schreiben, nach dessen Inhalt die Beklagte berechtigt sein sollte, 30 % des Netto-Rechnungsbetrages für Sozialversicherungsbeiträge einzubehalten und den Restbetrag einschl. MWSt. an die Insolvenzschuldnerin auszuzahlen. In Fällen von bei der AOK versicherten Arbeitnehmern sollte der 30-prozentige Einbehalt an die AOK abgeführt werden. Sofern es sich um bei Ersatzkassen versicherte Arbeitnehmer handelte, sollte der Einbehalt an die Insolvenzschuldnerin ausgezahlt werden, sobald der Beklagten Bescheinigungen der Kassen über die Abführung der Sozialabgaben vorliegen würden (vgl. Schreiben im Ordner „Anlagen der Beklagten”).

Die ursprünglichen Rechnungssummen beliefen sich für den gesamten Zeitraum auf 114.411,08 Euro (= 223.768,64 DM), wobei zur näheren Darlegung auf die vom Kläger zur Akte gereichte Aufstellung (Bl. 19 d.A.) Bezug genommen wird. Hierauf zahlte die Beklagte zunächst Teilbeträge i.H.v. insgesamt 82.323,13 Euro (= 161.010,04 DM) an die Insolvenzschuldnerin (Bl. 19 ff. d.A.). Weiterhin überwies die Beklagte dem Kläger am 14.5.2001 einen Teilbetrag von weiteren 11.653,77 Euro (= 22.792,80 DM) (Bl. 21 d.A.).

Die Beklagte hatte bereits in der Vergangenheit jeweils 30 % der Rechnungsbeträge (39.849,69 DM – Bl. 9 d.A.) ggü. der Insolvenzschuldnerin im Hinblick auf ihre Subsidiärhaftung für die Sozialversicherungsbeiträge einbehalten (Bl. 3 d.A.). Nach Vorlage einer Unbedenklichkeitsbescheinigung der Sozialversicherungsträger hatte die Beklagte diesen Einbehalt an die Insolzvenzschuldnerin ausbezahlt. Als die Insolvenzschuldnerin im Sommer 2000 in finanzielle Schwierigkeiten geriet (Bl. 101 d.A.), konnte sie der Beklagten keine Unbedenklichkeitsbescheinigung mehr vorlegen, so dass die Beklagte die Auszahlung der Einbehalte verweigerte (Bl. 14 d.A.).

Nach der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Insolvenzschuldnerin traten die Sozialversicherungsträger an die Beklagte heran und verlangten die Zahlung ausstehender Sozialversicherungsbeiträge auf der Grundlage des § 28e SGB IV für die von der Beklagten im Zeitraum Juli bis September 2000 in Anspruch genommenen Leiharbeitnehmer der Insolvenzschuldnerin (Bl. 14 d.A.)...

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