Verfahrensgang

LG Saarbrücken (Urteil vom 01.12.2011; Aktenzeichen 12 O 323/10)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil der 12. Zivilkammer des LG Saarbrücken vom 1.12.2011 - 12 O 323/10 - abgeändert und wie folgt neu gefasst:

a. Die Beklagten werden als Gesamtschuldner verurteilt, an B. W., 250 EUR zu zahlen.

b. Die Beklagten werden verurteilt, an die ÖRAG Rechtsschutzversicherung-AG, Hansa-Allee 199, 40549 Düsseldorf 62,48 EUR zu zahlen.

c. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

2. Die weiter gehende Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.

4. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.

5. Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Gründe

I. Der Kläger war am 22.5.2010 Insasse eines bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Linienbusses der Beklagten zu 1) und nimmt die Beklagten im vorliegenden Rechtsstreit wegen eines behaupteten Sturzes auf Ersatz materieller und immaterieller Schäden in Anspruch.

Am bezeichneten Tag bestieg der Kläger mit seinem elektroangetriebenen Rollstuhl den Linienbus der Linie 110 an der Haltestelle am Stadtbad in Völklingen in Richtung Saarbrücken. In dem Linienbus befand sich in dem Bereich vor der hinteren Einstiegstür ein für Rollstuhlfahrer vorgesehener Platz. Rollstuhlfahrer sind danach gehalten, sich mit dem Rollstuhl entgegen der Fahrtrichtung mit der Lehne des Rollstuhls an die rückwärtige Lehne einer Sitzbank zu positionieren. Diesen Platz nahm der Kläger nicht ein. Stattdessen fuhr der Kläger über eine ausgefahrene Rampe gerade in den Bus hinein und parkierte den Rollstuhl quer zur Fahrtrichtung so, dass er aus dem linken Seitenfenster blicken konnte. Der Kläger hielt sich rechts und links an den im Bus befindlichen Haltestangen fest. Zwischen Luisenthal und Burbach bremste der Fahrer den Linienbus stärker ab. In Saarbrücken verließ der Kläger den Bus, wobei ihm der Fahrer durch Betätigung der Einfahrrampe behilflich war.

Der Kläger hat behauptet, der Zeuge B. sei mit überhöhter Geschwindigkeit gefahren. Bei der Abfahrt Matzenberg habe er sich ein Wettrennen mit einem anderen Fahrzeug geliefert. Da eine Ampel auf "rot" geschaltet habe, habe der Zeuge B. stark bremsen müssen. Durch das starke Bremsmanöver sei sein linker Arm von der Haltestange losgerissen worden und der Rollstuhl zur rechten Seite gekippt. Dabei sei der Rollstuhl mit der Rückenlehne in den Zwischengang zwischen den Sitzen gekippt und auf der rechten Seite liegengeblieben. Der Kläger habe den Rollstuhl nicht verlassen können. Der Zeuge Ö. habe den Rollstuhl an der Rückenlehne und an der linken Armlehne gepackt und den Kläger samt dem Rollstuhl wieder aufgerichtet. Der Rollstuhl habe ein Eigengewicht von 150 kg gehabt, er selber habe 160 Kilo gewogen. Allein aufgrund des erheblichen Fahrfehlers des Zeugen B. sei er zu Fall gekommen. Er wäre allerdings auch dann gestürzt, wenn er mit seinem Rollstuhl in Fahrtrichtung gestanden hätte.

Bei dem Sturz habe sich der Kläger den Kopf an der Haltestange angestoßen und sich dabei vier Zähne ausgeschlagen; er habe aus dem Mund geblutet. Weitergehende sichtbare Verletzungen habe er nicht davongetragen. Er habe durch den Unfall ein Schädel-Hirn-Trauma und eine Beeinträchtigung der Schulter-Arm-Funktion und eine erhebliche Beckenprellung erlitten. Der Sturz habe bei ihm einen Schock verursacht. Es habe sich eine posttraumatische Belastungssymptomatik entwickelt. Diese sei von Angst, innerer Unruhe, nächtlichen Unruhezuständen, Angst vor der Teilnahme am öffentlichen Leben gekennzeichnet und führe zu einer massiven Lebensverunsicherung sowie einer erheblichen Einschränkung der Freizügigkeit.

Trotz seiner körperlichen Behinderungen sei der Kläger vor dem behaupteten Unfall in der Lage gewesen, als Immunologe im Rahmen einer Praxis für Naturheilverfahren Tätigkeiten zu entfalten. So habe er täglich Sprechstunden mit 4-5 Patienten durchgeführt, bei denen er insbesondere Behandlungen im Rahmen einer immunologischen Praxisinfusion, Oraltherapien, Eigenblutbehandlungen, Ozonbehandlungen und chiropraktische Behandlungen durchgeführt habe.

Der Kläger hat die Auffassung vertreten, dass der Zeuge B. ihn auf die falsche Sitzposition hätte hinweisen müssen.

Der Kläger hat beantragt,

1. festzustellen, dass die Beklagten als Gesamtschuldner verpflichtet sind, dem Kläger den ihm aufgrund des Verkehrsunfalls vom 22.5.2010 entstandenen Schaden zu ersetzen, soweit dieser nicht auf Sozialversicherungsträger oder sonstige Dritte übergegangen ist oder übergehen wird;

2. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger ein angemessenes Schmerzensgeld, dessen Höhe ausdrücklich in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, aufgrund des Verkehrsunfalls vom 22.5.2010 zu zahlen;

3. die Beklagten als Gesamtschuldner zu verurteilen, an den Kläger außergerichtliche Rechtsanwaltsgebühren i.H.v. 775,64 EUR zu zahlen.

Die Beklagten haben beantragt, die Klage abzuweisen.

Die Beklagten haben behauptet, der Zeuge B. habe etwas stärker abbremsen müsse...

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