Leitsatz (amtlich)

Dem Ruhen der elterlichen Sorge kommt aus Gründen der Verhältnismäßigkeit jedenfalls dann der Anwendungsvorrang vor Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB zu, wenn die Frage einer Kindeswohlgefährdung durch den inhaftierten Elternteil noch nicht abschließend beurteilt werden kann.

 

Tenor

1. Auf die Beschwerde des Kreisjugendamtes N. wird der Teil-Beschluss des Amtsgerichts - Familiengericht - in Ottweiler vom 2. November 2021 - 13 F 261/20 SO - unter Zurückweisung des weitergehenden Rechtsmittels teilweise dahingehend abgeändert, dass derzeit gegenüber den weiteren Beteiligten zu 2. und 3. Maßnahmen nach §§ 1666, 1666a BGB nicht veranlasst sind, dass aber die elterliche Sorge des weiteren Beteiligten zu 3. ruht.

2. Gerichtskosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erhoben. Außergerichtliche Kosten des Beschwerdeverfahrens werden nicht erstattet. Hinsichtlich der ersten Instanz bleibt die Kostenentscheidung dem Familiengericht im Rahmen der Schlussentscheidung vorbehalten.

 

Gründe

I. Die am 12. März 1986 geborene Beteiligte zu 2. (Mutter) und der am 22. November 1995 geborene Beteiligte zu 3. (Vater), beide deutsche Staatsangehörige, sind die miteinander verheirateten Eltern der Kinder S. U., geboren am 13. September 2018, und R. U., geboren am 23. September 2020. Die Mutter hat weitere Kinder aus einer früheren Beziehung mit dem Beteiligten zu 4., u.a. den am 15. September 2008 geborenen und neben S. und R. ebenfalls verfahrensbeteiligten Sohn A. S. sowie - vorliegend nicht betroffen - den 2011 geborenen Sohn M. S. und die 2013 und 2016 geborenen Töchter T. und S.-G. S.. Die elterliche Sorge für S. und R. üben die Eltern U. gemeinsam, die Sorge für A. die Mutter alleine aus.

Betreffend T. und S.-G., die beide im T.-Heim in S. leben, ist ein Sorgerechtsverfahren beim Amtsgericht - Familiengericht - in Saarbrücken - 41 F 97/20 SO - anhängig. Beim Amtsgericht - Familiengericht - in Saarlouis - 19 F 100/21 SO - wird ein Sorgerechtsverfahren noch betreffend M. geführt, nachdem die Beteiligte zu 5. (Großmutter väterlicherseits) die Übertragung der Vormundschaft für A. und M. auf sich beantragt hat, das Verfahren betreffend A. mit Beschluss vom 6. Juli 2021 abgetrennt und an das zuständige Amtsgericht - Familiengericht - in Ottweiler abgegeben worden ist.

Eine mögliche Kindeswohlgefährdung im Haushalt der Eltern war bereits Gegenstand mehrerer Verfahren, vorwiegend beim Amtsgericht - Familiengericht - in Ottweiler. Die Erziehungsfähigkeit der Mutter und des Vaters von A. wurde in einem von diesem im Jahre 2018 beim Familiengericht in Ottweiler eingeleiteten Verfahren auf Übertragung der Alleinsorge - 13 F 291/18 SO - sachverständig überprüft, wobei sich diesbezüglich erhebliche Defizite beider herausstellten. Das Verfahren wurde ohne Eingriffe in die elterliche Sorge der Mutter beendet, nachdem der Vater A.s seinen Antrag nicht aufrechterhalten, die Mutter sich mit der Errichtung einer ambulanten Familienhilfe sowie einer Erziehungsbeistandschaft für A. einverstanden erklärt und einen Antrag auf Erziehung A.s in einer Tagesgruppe gestellt hatte. In einem weiteren Verfahren - 13 F 165/19 SO - wurde diese Entscheidung vom Familiengericht überprüft und weiterhin von Maßnahmen gegenüber der Mutter nach § 1666 BGB abgesehen, da die Mutter nach dem Bericht des Jugendamtes damals mit den öffentlichen Hilfen zusammenarbeitete. In einem vom Familiengericht auf Gefährdungsmitteilung des Jugendamts vom 30. Juni 2020 eingeleiteten weiteren Verfahren - 13 F 141/20 SO - wurde mit Beschluss vom 12. November 2020 erneut von Eingriffen in die elterliche Sorge abgesehen, nachdem die Mutter die vom Jugendamt aufgezeigten Gefahren für A. - Hintergrund waren die fehlende Initiative der Mutter hinsichtlich der Weiterführung der Tagesgruppe und der Anmeldung A.s an einer weiterführenden Schule sowie eine Autofahrt der mit R. hochschwangeren Mutter unter Drogeneinfluss - dadurch abwendete, dass sie nach Durchführung eines Clearings erneut der Erziehung A.s in einer Tagesgruppe sowie einem eigenen monatlichen Drogenscreening zustimmte.

In dem vom Familiengericht auf die Gefährdungsanzeige des Jugendamts vom 2. Dezember 2020 hin - Anlass war ein Polizeieinsatz wegen häuslicher Gewalt der Eltern U. untereinander am 25. November 2020 und die anschließende Weigerung der Mutter, zum eigenen und zum Schutz der Kinder mit diesen ein Frauenhaus aufzusuchen - amtsseitig eingeleiteten vorliegenden Verfahren hat das Jugendamt auf Entzug der elterlichen Sorge zum Schutz der Kinder A., S. und R. angetragen. Eine vom Jugendamt beabsichtigte Inobhutnahme der Kinder konnte nicht umgesetzt werden, da die Eltern mit den Kindern für das Jugendamt nicht mehr erreichbar waren. Das Familiengericht hat mit Beschluss vom 3. Dezember 2020 den Verfahrensbeistand der Kinder bestellt. Dem auf den 14. Dezember 2020 anberaumten Anhörungstermin sind die Eltern ferngeblieben, worauf das Familiengericht mit Beschluss vom selben Tage die Einholung eines familienp...

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