Entscheidungsstichwort (Thema)

Elterliche Sorge: Aufhebung der gemeinsamen elterlichen Sorge wegen versuchten Totschlags des Kindesvaters an der Kindesmutter

 

Leitsatz (amtlich)

Versucht ein Elternteil, den anderen vor den Augen eines gemeinsamen Kindes zu töten (hier: durch Erwürgen und Strangulieren) und ist infolge der Tat die soziale Beziehung der Eltern zueinander gestört, so kommt die Aufrechterhaltung der gemeinsamen elterlichen Sorge auch in Teilbereichen regelmäßig nicht in Betracht; denn dies ist grundsätzlich weder dem angegriffenen Elternteil zumutbar noch den hierdurch massiver psychischer Gewalt ausgesetzten Kind erzieherisch vermittelbar, jedenfalls, wenn dieses den gewalttätigen Elternteil aufgrund der Tat ablehnt.

 

Normenkette

BGB § 1631 Abs. 2, § 1671 Abs. 1 Nr. 2, Abs. 2 Nr. 2; FGG § 50 Abs. 1 S. 2; GG Art. 6 Abs. 2

 

Verfahrensgang

AG Saarlouis (Beschluss vom 27.05.2009; Aktenzeichen 22 F 9/09 SO)

 

Tenor

I. Die Beschwerde des Antragsgegners gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarlouis vom 27.5.2009 - 22 F 9/09 SO - wird zurückgewiesen.

II. Der Antragsgegner hat den übrigen Beteiligten ihre außergerichtlichen Kosten des Beschwerdeverfahrens zu erstatten.

III. Der Geschäftswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 3.000 EUR festgesetzt.

IV. Der Antragstellerin wird mit Wirkung vom 13.7.2009 ratenfreie Prozesskostenhilfe für den zweiten Rechtszug bewilligt und Rechtsanwältin N., [Ort], beigeordnet.

V. Dem Antragsgegner wird die von ihm nachgesuchte Prozesskostenhilfe für seine Beschwerde gegen den Beschluss des AG - Familiengericht - in Saarlouis vom 27.5.2009 - 22 F 9/09 SO - verweigert.

 

Gründe

I. Aus der seit 7.1.2009 rechtskräftig geschiedenen Ehe der Kindeseltern sind die am. November 1995 geborene Tochter A. und der am. November 2004 geborene Sohn G. hervorgegangen, die seit der Trennung der Eltern im April 2008 bei der Antragstellerin leben.

Der Antragsgegner verbüßt zurzeit eine Freiheitsstrafe von vier Jahren, zu der er vom LG - Schwurgericht - in Saarbrücken wegen zum Nachteil der Mutter am 18.4.2008 versuchten Totschlags in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung verurteilt wurde.

In dem vorliegenden - vom Scheidungsverbund abgetrennten - Sorgerechtsverfahren hat die Antragstellerin erstinstanzlich die Übertragung der elterlichen Alleinsorge für beide Kinder beansprucht.

Der Antragsgegner hat dem für den Teilbereiche Aufenthaltsbestimmung und Gesundheitsfürsorge zugestimmt und im Übrigen auf Zurückweisung des Antrags angetragen.

Durch den angefochtenen Beschluss, auf den Bezug genommen wird und der dem Antragsgegner am 5.6.2009 zugestellt wurde, hat das Familiengericht der Antragstellerin die elterliche Sorge für die beiden Kinder übertragen, nachdem es zuvor die Kinder und die Eltern persönlich angehört und das Jugendamt beteiligt hatte.

Hiergegen richtet sich die am 9.6.2009 beim Saarländischen OLG eingegangene Beschwerde des Antragsgegners, mit der er die Aufhebung des familiengerichtlichen Beschlusses begehrt. Er ist nach wie vor bereit, auf die Teilbereiche Aufenthaltsbestimmungsrecht und Gesundheitsfürsorge zu verzichten.

Die Antragsgegnerin und das Jugendamt haben um Zurückweisung der Beschwerde gebeten.

II. Die nach §§ 621e Abs. 1, 621 Abs. 1 Nr. 1, 621e Abs. 3, 517, 520 ZPO zulässige Beschwerde ist unbegründet.

Die auf der Grundlage eines beanstandungsfreien Verfahrens erlassene und wohlerwogen begründete Entscheidung des Familiengerichts, auf der Grundlage von § 1671 Abs. 1 und Abs. 2 BGB die gemeinsame elterliche Sorge aufzuheben und sie der Antragstellerin alleine zu übertragen, findet vollumfänglich die Billigung des Senats.

Die Übertragung des Aufenthaltsbestimmungsrechts und des Rechts zur Gesundheitsfürsorge für beide Kinder auf die Antragstellerin hat schon aufgrund der Zustimmung des Antragsgegners zu erfolgen (§ 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB), nachdem sich Anhaltspunkte dafür, dass die elterliche Sorge amtswegig abweichend von dem Antrag der Antragstellerin geregelt werden müsste (§ 1671 Abs. 3 BGB), nicht ergeben haben. Dabei hat der Senat berücksichtigt, dass die Antragstellerin über den Tötungsversuch des Antragsgegners Presseberichte in der BILD-Zeitung unter vollständiger Nennung der Vornamen der Kinder veranlasst hat. Dies mag erzieherisch ungeschickt gewesen sein, lässt aber keine Gefährdung des Wohls der Kinder erkennen.

Dagegen, dass das Familiengericht der Antragstellerin darüber hinausgehend - nach § 1671 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 2 BGB - auch die restlichen Teilbereiche der elterlichen Sorge übertragen hat, ist nichts zu erinnern, weil dies dem Wohl der betroffenen Kinder hier am besten entspricht.

Die hiergegen gerichteten Beschwerdeangriffe des Antragsgegners dringen nicht durch.

1. Soweit der Antragsgegner beanstandet, eine Übertragung der gesamten elterlichen Sorge auf die Antragstellerin setze - weil gleichzeitig einen völligen Entzug seines Sorgerechts bedeutend - voraus, dass andernfalls eine Kindeswohlgefährdung entstände, findet dies weder in § 1671 Abs...

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