Entscheidungsstichwort (Thema)

Pauschgebühr für den Pflichtverteidiger in Jugendstrafsachen

 

Normenkette

RVG § 51 Abs. 2 S. 4, § 42 Abs. 3 S. 1

 

Verfahrensgang

StA Saarbrücken (Aktenzeichen 20 Js 26/08)

AG St. Ingbert (Aktenzeichen 2 Ds 326/08)

LG Saarbrücken (Aktenzeichen 3 Ns 32/09)

 

Tenor

Dem Antragsteiler wird unter Zurückweisung seines weitergehenden Antrags für das Verfahren im ersten Rechtszug anstelle der gesetzlichen Grundgebühr Nr. 4100 VV RVG i.H.v. 132 EUR eine Pauschgebühr i.H.v. 300 EUR und anstelle der gesetzlichen Verfahrensgebühr Nr. 4106 VV RVG i.H.v. 112 Euro eine Pauschgebühr i.H.v. 250 EUR bewilligt.

 

Gründe

I. Der vor Anklageerhebung nicht tätige Antragsteller wurde dem Angeklagten durch Beschluss des AG St. Ingbert vom 18.9.2008 zum Pflichtverteidiger beigeordnet. Für seine Tätigkeit in der vor dem Jugendrichter in Anwesenheit des Antragstellers in der Zeit von diesem Tag bis zum 25.11.2008 an 7 Tagen durchgeführten Hauptverhandlung hat der Antragsteller - neben Auslagen (Post-, Telekommunikations- und Dokumentenpauschale, Fahrtkosten, Tage- und Abwesenheitsgeld) - an gesetzlichen Gebühren die Grundgebühr nach Nr. 4100 RVG-VV i.H.v. 132 EUR, die Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 RVG-VV i.H.v. 112 EUR und für jeden Tag, an dem er an der Hauptverhandlung teilgenommen hat, eine Terminsgebühr nach Nr. 4108 VV RVG i.H.v. 184 EUR (7 X 184 Euro = 1.288 EUR) beantragt und erhalten.

Nach Beendigung des erstinstanzlichen Verfahrens hat der Antragsteller mit Schriftsatz vom 11.2.2009 beantragt, ihm gem. § 51 RVG eine Pauschvergütung für den ersten Rechtszug i.H.v. 4.000 EUR zzgl. 19 % MWSt zu bewilligen. Er ist der Meinung, seine Tätigkeit sei durch die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht ausreichend vergütet.

Die Bezirksrevisorin ist der Ansicht, dass die Bewilligung einer Pauschgebühr i.H.v. 556 EUR zzgl. 19 % Umsatzsteuer gerechtfertigt sei, wobei sie hinsichtlich der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG von der Höchstgebühr und hinsichtlich der Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 VV RVG vom Doppelten der Höchstgebühr eines Wahlanwalts, jeweils abzgl. der erhaltenen gesetzlichen Gebühren, ausgegangen ist.

Dem Antragsteller ist zu der Stellungnahme der Bezirksrevisorin rechtliches Gehör gewährt worden.

II. Der Antrag auf Bewilligung einer Pauschgebühr für den ersten Rechtszug ist lediglich insoweit begründet, als dem Antragsteller anstelle der Grundgebühr nach Nr. 4100 VV RVG sowie der Verfahrensgebühr nach Nr. 4106 RVG-VV eine Pauschgebühr in Höhe der jeweiligen Wahlanwaltshöchstgebühr zusteht.

1. Nach § 51 Abs. 1 S. 1 RVG ist dem gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt für das ganze Verfahren oder für einzelne Verfahrensabschnitte auf Antrag eine Pauschgebühr zu bewilligen, die über die Gebühren nach dem Vergütungsverzeichnis hinausgeht, wenn die dort bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit nicht zumutbar sind.

Zweck der Bestimmung ist es, eine Ausgleichsmöglichkeit für solche Fälle zu schaffen, in denen die im Vergütungsverzeichnis zum RVG bestimmten Gebühren die Arbeit des bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts nicht ausreichend abgelten (vgl. Burhoff in: Gerold/Schmidt, RVG, 19. Aufl., § 51 Rz. 1). Ihr Anwendungsbereich ist allerdings im Verhältnis zur Vorgängerregelung des § 99 BRAGO insofern eingeschränkt, als Umstände, die nach den neuen Gebührentatbeständen im Vergütungsverzeichnis bereits zu einer gesonderten Vergütung führen, als solche keine Berücksichtigung mehr finden können. Darüber hinaus soll das Kriterium der Unzumutbarkeit der im Vergütungsverzeichnis vorgesehenen Gebühren den Ausnahmecharakter der Bewilligung einer Pauschgebühr zum Ausdruck bringen (vgl. Begründung zum Gesetzentwurf: BT-Drucks. 15/1971, S. 201). Hierdurch wird zugleich dem Grundrecht des zu öffentlichen Zwecken in Anspruch genommenen Rechtsanwalts auf freie Berufsausübung Rechnung getragen. Die Regelung des § 51 Abs. 1 RVG stellt sicher, dass ihm kein unzumutbares Opfer abverlangt wird (vgl. BVerfG NStZ-RR 2007, 359, 360). Ein solches unzumutbares Opfer ist nicht schon dann gegeben, wenn der Gebührenanspruch des gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalts unter dem der jeweiligen Rahmengebühr zu entnehmenden Gebührenanspruch des Wahlverteidigers liegt. Denn dies ist durch einen vom Gesetzgeber im Sinne des Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich, der auch das Interesse an einer Einschränkung des Kostenrisikos berücksichtigt, gerechtfertigt (vgl. BVerfG, a.a.O.). Hingegen kann ein unzumutbares Opfer insbesondere dann anzunehmen sein, wenn die Arbeitskraft des Rechtsanwalts durch das Strafverfahren für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen wird, so dass die Höhe des Entgelts für ihn existentielle Bedeutung gewinnt (vgl. BVerfG, a.a.O.).

Die Kriterien des besonderen Umfangs und der besonderen Schwierigkeit sind auch unter der Geltung des RVG maßgeblich.

Beso...

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